(Berliner Zeitung, 16.11.) POTSDAM. Innerhalb der DVU-Landtagsfraktion gibt es Streit um das geplante
Bündnis der Partei mit der rechtsextremen NPD. Vizefraktionschef Michael
Claus bekräftigte am Montag in Potsdam seine Ablehnung eines solchen
Wahlbündnisses: “Dadurch werden wir nicht mehr, sondern weniger Wähler
erreichen”, sagte Claus am Montag der Berliner Zeitung. Er kritisierte
insbesondere die radikalen Ansichten des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt
und das “Erscheinungsbild” der NPD, auch weil dort Mitglieder der so
genannten Freien Kameradschaften vertreten seien. “Wir aber haben solche
Leute nicht in der Partei”, sagte Claus. Der Verfassungsschutz schätzt die
Mitglieder der “Freien Kameradschaften” als gewaltbereite Neonazis ein.
DVU-Bundeschef Gerhard Frey hatte jüngst mit NPD-Chef Voigt vereinbart, dass
ihre Parteien für die kommenden Bundestags- und Europawahlen ein Wahlbündnis
eingehen. Brandenburgs DVU-Landeschef Sigmar-Peter Schuldt wies die Kritik
seines Fraktionskollegen Claus an diesem rechtsextremen Pakt zurück: “Das
ist seine persönliche Meinung, die ich nicht teile”, sagte Schuldt, der
jüngst als Gast am NPD-Bundesparteitag teilgenommen hatte. Das Bündnis sei
vielmehr notwendig, um in die Parlamente zu kommen, sagte Schuldt und gab
sich ganz pragamtisch: “In einer GbR treffen sich nun mal verschiedene
Leute, um ein Produkt zu vermarkten.” Aus seiner Sicht müsse es aber
Bedingung der DVU sein, dass “keine Skinheads” auf die Wahllisten geraten.
DVU-Fraktionschefin Liane Hesselbarth ließ ausrichten, dass auch sie die
Meinung des Fraktionskollgen Claus nicht teile. Hesselbarth sitzt auch im
Bundesvorstand der Partei und hat dort den Pakt mit der NPD, gegen den ihr
Fraktionsvize opponiert, abgenickt.
Andere Parteien im Landtag suchen nach einem angemessenen Umgang mit der
DVU. Die PDS widmet ihre heutige Fraktionssitzung dem Thema — geladen ist
der Parteienforscher Richard Stöss.
DVU “freut” sich auf NPD
Fraktion will rechtsextremes Wahlbündnis — ein Abgeordneter ist dagegen
(MAZ, 16.11., Igor Göldner) POTSDAM Die geplante Kooperation mit der NPD, glaubt Sigmar-Peter Schuldt,
sei die einzige Chance für “die rechten Parteien”, 2006 in den Bundestag
einzuziehen. Schuldt ist Landeschef der rechtsextremen DVU und gilt im
Landtag als der starke Mann der Fraktion, wo er parlamentarischer
Geschäftsführer ist. Er selbst würde gern 2006 mit dabei sein. “Wenn ich
gefragt werde, kandidiere ich”, sagt Schuldt. Das entscheide aber der
Landesverband.
Doch so wie Schuldt, der sich auf die Kooperation mit der NPD “freut”, sehen
das in seiner Partei nicht alle. Der stellvertretende Fraktionschef im
Landtag, Michael Claus, lehnt das von DVU-Bundeschef Gerhard Frey geplante
Wahlbündnis der beiden rechtsextremen Parteien ab. “Das würde viele Wähler
abschrecken”, glaubt Claus.
Diese Äußerung deutet auf Spannungen innerhalb der DVU hin, die im September
mit 6,1 Prozent zum zweitenmal in den Potsdamer Landtag einzog. Schuldt
weist das zurück und gibt sich nach außen jovial. Claus sei der einzige in
der sechsköpfigen Landtagsfraktion, “der das anders sieht als wir”. Die
Äußerung wird von Schuldt als “Meinungsäußerung” abgetan, “die in der
Demokratie legitim” sei.
Für den Parteienforscher Jürgen Dittberner, Professor an der Universität
Potsdam, zeigt der Vorgang innerhalb der DVU, dass das geplante Wahlbündnis
für 2006 noch lange nicht geschmiedet ist. “Die großen Strategen bei DVU und
NPD können sich das denken, aber das Umsetzen wird schwierig”, sagte
Dittberner gestern der MAZ. Die DVU in Brandenburg wolle den Eindruck
erwecken, sie sei “moderater” als die NPD, die wiederum Zulauf von
gewaltbereiten Neonazis habe. Am Ende aber, so Dittberner, bestimme “der
Radikalste” das Bild des Ganzen. Und genau das sei das Problem der DVU, aber
auch der Republikaner. Die Republikaner haben den Schulterschluss am rechten
Rand für 2006 bereits abgelehnt.
Die Geschichte der rechtsextremen Parteien zeige, dass die Akteure eher
sturköpfig und streitsüchtig sind und für Kompromisse nicht gerade zu haben
seien, sagte Dittberner. Eine Parteienfusion oder eine gemeinsame Wahlliste
für die Bundestagswahl bedeute immer, dass eine Partei auf Pfründe
verzichten müsse.
Öffentlich zerstritten hat sich die DVU im Landtag bisher nicht. Da
unterschied sie sich von ihren Kollegen in Sachsen-Anhalt 1998. Nach
Auffassung von Dittberner ist die DVU allerdings nicht durch ihre Arbeit
wieder in den Landtag gekommen. “Geschafft hat sie es auf dem Weg des
Protestes gegen Hartz IV”. Das sei “Treibsand” für die DVU gewesen. 71 045
Brandenburger wählten die DVU am 19. September mit ihrer Zweitstimme, das
sind 0,8 Prozent mehr als 1999. Die NPD war nach einer Absprache in
Brandenburg nicht angetreten. Die DVU hatte im Gegenzug auf eine Kandidatur
in Sachsen verzichtet.
In Brandenburg ist die DVU im Visier des Verfassungsschutzes. Für
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ist sie eine “Phantompartei”, die von der
Zentrale der Partei in München ferngesteuert sei. Innenstaatssekretär Eike
Lancelle bezeichnet sie als “verlorenen Haufen” mit knapp über 200
Mitgliedern. DVU-Landeschef Schuldt meint, seine Partei habe “knapp 400
Mitglieder”.
Über den Umgang im Landtag herrscht Ratlosigkeit. Die einen fordern eine
“schärfere Klinge”, andere warnen vor einer Aufwertung der DVU. Dittberners
Empfehlung: “Die Auseinandersetzung muss mit Argumenten und nicht mit
Ritualen geführt werden.”