(MAZ) KLEINMACHNOW Innerhalb des Kleinmachnower Heimatvereins ist ein heftiger
Streit um die Bewertung des 8. Mai 1945 als “Tag der Befreiung”
ausgebrochen. Fred Weigert, Vorstandsmitglied des Vereins und
CDU-Gemeindevertreter, bezeichnete den Begriff “Befreiung” im Zusammenhang
mit dem Kriegsende jüngst als “Ulbrichtsche Reminiszenz”.
In einem der MAZ vorliegenden Schreiben an seinen Vorstandskollegen Axel
Mueller, der für die Bündnisgrünen im Kreistag sitzt, äußert sich Weigert
darüberhinaus folgendermaßen: “Stalins rote Horden haben uns vom Faschismus
befreit. Weiß Gott nicht! Niedergeknüppelt, geschunden und jahrzehntelang
ausgebeutet haben sie uns. Sie haben nicht befreit, sondern erobert. Sie
haben eine schreckliche Ideologie durch eine ebenso schreckliche ersetzt.”
Die Deutschen, so Weigert, seien “im vorletzten Teil des Europäischen
Bürgerkrieges tragisch gescheitert”. Ihre Schuld könnten sie nicht dadurch
ablegen, indem sie sich “als scheinbar reuige Sünder mit ihren Eroberern
verbünden”.
Hintergrund des Schreibens vom 24. Februar ist offenbar ein Gespräch des
Vereinsvorstands mit dem Bürgermeister der Gemeinde, in dem es um die
Inschrift für den “Ort des Erinnerns” ging. Die Gedenkstätte soll am 8. Mai
eingeweiht werden und erinnert an ein Lager für Zwangs- und Fremdarbeiter
sowie KZ-Häftlinge, das in der Nazi-Zeit in Kleinmachnow bestand. Der
Heimatverein hat den Text für den Gedenkort erarbeitet.
Weigert wirft nun Mueller vor, im Gespräch mit dem Bürgermeister “immer
wieder den Begriff Befreiung gebraucht” zu haben, “wenn Sie das Kriegsende
meinten”. Dies sei “antiquiertes Sendungsbewusstsein”. Mit einer derart
“verstaubten Ideologie” würde er “dem Sozialismus das Wort reden”. Wenn
Mueller für den Heimatverein spreche, sei aber “Überparteilichkeit
angemessen”.
Adressat Axel Mueller hat mit Empörung auf die Vorwürfe Weigerts reagiert.
Dieser habe ein “abartiges Geschichtsbild”, das in Kleinmachnow kaum jemand
teile. “Seine Haltung ist isoliert und elitär”, sagte Mueller gestern der
MAZ. Nun müsse vor allem der CDU-Gemeindeverband darüber diskutieren, welche
Haltung er zu diesem Thema einnehmen wolle.
Laut CDU-Ortschef Maximilian Tauscher wird sich die Partei dieser Debatte
nicht entziehen. “Es ist denkbar, dass wir am 16. März öffentlich darüber
reden.” An diesem Tag hat die CDU die Veranstaltung “Der missbrauchte
Antifaschismus — DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der deutschen Linken”
angesetzt. Für Tauscher brachte der 8. Mai 1945 “auch die Befreiung vom
Nazi-Terrorregime”, für das Gebiet der späteren DDR von “Befreiung” zu
sprechen, sei aber ein “Irrtum”. Der CDU-Chef kritisierte, dass der interne
Streit im Heimatverein öffentlich gemacht worden sei, bevor “man miteinander
geredet” habe. Außerdem hätte sich der Verein in den vergangenen Monaten in
einer Weise politisch betätigt, “die ihm nicht zukommt”.
Vereinschef Rudolf Mach wies diesen Vorwurf gestern zurück, gab aber zu
bedenken, “dass Themen, mit denen sich der Heimatverein beschäftigt,
politische Züge haben können”. Bei der Ausgestaltung der Gedenkfeiern zum 8.
Mai in der Gemeinde sei der Heimatverein “kein Akteur”, so Mach. Für ihn sei
es der Tag der Befreiung vom Nazi-Regime. Die Bewertung dessen, “was danach
kam”, führe zu einer politischen Debatte. Hier Position zu beziehen, sei
nicht Sache des Heimatvereins, würde ihn vielmehr vor eine “Zerreißprobe”
stellen.