Senat, Polizei und innenpolitische Experten der Stadt sind empört über ihre Brandenburger Kollegen. Die Vorsitzende des Verfassungsschutzausschusses im Abgeordnetenhaus, Heidemarie Fischer, äußerte gestern ihr Unverständnis, dass das Nachbarland einen brisanten Ermittlungsvorgang gegen die Neonazi-Szene öffentlich debattiere. Die SPD-Politikerin sagte, sie sei «äußerst verärgert» über Schuldzuweisungen, wonach Berliner Dienststellen angeblich für die Enttarnung eines Brandenburger Verfassungsschutz-Zuträgers aus der rechten Szene verantwortlich sind.
Innenverwaltung und Polizeiführung wollten den Vorgang nicht kommentieren. Sicherheitskreise befanden aber die Vorwürfe der Potsdamer Behörden, eine vor Tagen durchgeführte Razzia im Marzahner Heim der Neonazi-Gruppierung «Weiße Arische Bruderschaft» sei für sie überraschend gekommen «als an den Haaren herbeigezogen». Berlins Verfassungsschutz habe schon vor Wochen offiziell erklärt, den Druck auf die Szene zu erhöhen. Zu dem Zeitpunkt hätte Brandenburg auf den V‑Mann hinweisen müssen.
Bei der Razzia verhinderten Berliner Beamte ein Konzert der Gruppe «White Aryan Rebels». Festgenommen wurde auch Tilo S., mutmaßlicher Kopf der Band. Durch Indiskretionen wurde er als Brandenburger V‑Mann enttarnt.
«Irritiert» zeigte sich Grünen-Experte Volker Ratzmann über V‑Mann S. Wenn Band-Texte u. a. zum Mord an Michel Friedman und Rita Süssmuth aufriefen, sei zu prüfen, ob er sich strafbar mache. Ratzmann will den Sinn von V‑Leuten generell thematisieren.
Aus Sicherheitskreisen hieß es, das Strafrecht gelte auch für V‑Leute. S. dürfte Kompetenzen überschritten und Straftaten begangen haben. Der Haftbefehl gegen den 27-jährigen besteht weiter. Wie die Berliner Morgenpost erfuhr, sollen bei der Durchsuchung seiner Wohnung große Mengen belastenden Materials gefunden worden sein, darunter Musik mit rechtsradikalen Texten und Hakenkreuzfahnen.
Der Innen- und Verfassungsschutzausschuss des Parlaments wird sich nach der Sommerpause mit dem Thema befassen. CDU-Innen-Experte Roland Gewalt will klären, wie beide Länder ihre Zusammenarbeit optimieren können. Sein FDP-Pendant Alexander Ritzmann fordert eine Klärung der Schuldfrage. Brandenburg sieht weiterhin die Schuld bei den Berlinern.
Für den innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Sven Petke, ist es ein «Skandal», wenn Potsdam nicht aus Fahrlässigkeit, sondern wissentlich nicht über die Aktion informiert wurde. Das Brandenburger Innenministerium meinte, es hebe nicht die Stimmung, wenn der Vorgang um den V‑Mann schneller den Medien als den zuständigen Brandenburger Stellen bekannt sei. Landtags-Innenausschuss-Chef Christoph Schulze (SPD) lehnte Forderungen ab, die Kosten für den Schutz des enttarnten V‑Mannes Berlin aufzuerlegen.
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