KLEINMACHNOW. Hunderte von Kleinmachnower Eigenheimbewohnern in der einstigen Sommerfeld-Siedlung sind weiter im Unklaren darüber, wem ihre Immobilie eigentlich gehört. Denn die für Mittwoch erwartete Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die dortigen Eigentumsverhältnisse wird es nicht geben. Die Streitparteien in dem Präzedenzfall haben sich überraschend außergerichtlich geeinigt. Der Kläger, Besitzer eines Einfamilienhauses am Brodberg, zahlt nach eigenen Angaben “eine Summe deutlich unter dem Verkehrswert der Immobilie” an den Berliner Bauunternehmer Christian Meyer, der die Entschädigungsansprüche für fast die gesamte Sommerfeld-Siedlung von der Jewish Claims Conference (JCC) übertragen bekommen hatte. Meyer gibt im Gegenzug seinen Rückübertragungsanspruch für dieses Grundstück auf.
Nach amtlichen Angaben sind 897 Fälle allein in der Kleinmachnower Siedlung ungeklärt. Die Grundstücke gehörten dem jüdischen Unternehmer Adolf Sommerfeld, der 1933 vor den Nazis aus Deutschland fliehen musste. Die JCC hatte vor Jahren pauschal die Rückübertragung der Sommerfeld-Siedlung gefordert, aber nicht alle Nachweise fristgerecht eingereicht.
Im konkreten Fall hatte das Verwaltungsgericht Potsdam eine Rückübertragung für rechtens gehalten. Dagegen war der langjährige Eigentümer vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen. Die Bundesrichter warfen in der Verhandlung die Frage auf, ob die Rückübertragung von Grundstücken, die der Eigentümer selbst über eine Siedlungsgesellschaft veräußert hat, rechtlich zwingend sei. Auch der Anspruch gilt aus formalen Gründen als fraglich. Urteilen können sie nun erst, wenn wieder ein Fall aus Kleinmachnow zu ihnen kommt. Das kann bald sein: Meyers Anwalt Stefan Minden kündigte an, dass er nun vergleichbare Fälle zunächst vor das Potsdamer Verwaltungsgericht bringen wird.
Positives Urteil im Kleinmachnower Restitutionsprozess verhindert
Anwohnerin nimmt nach Vergleich die Revision beim Bundesverwaltungsgericht zurück und verhindert Rechtssicherheit für Siedlungsbewohner
KLEINMACHNOW Tragische Wendung im Streit um die Sommerfeld-Siedlung in Kleinmachnow: Heute wollte das Bundesverwaltungsgericht eigentlich ein Grundsatzurteil verkünden, ob die Grundstücke nun zurückgegeben werden müssen oder nicht. Doch gestern hieß es plötzlich: Der Termin fällt aus. Die jetzige Bewohnerin eines Hauses in der Straße “Am Brodberg” hatte letzte Woche ihre Revision zurückgenommen. Das Gericht kann das bereits vorbereitete Grundsatzurteil nun nicht verkünden. Es wäre für die Bewohner von Kleinmachnow äußerst positiv gewesen.
Insgesamt geht es um rund 1000 Grundstücke, die die Jewish Claims Conference (JCC) 1995 zurückverlangte, weil es sich um ehemals jüdisches Eigentum handelte. Der jüdische Architekt und Bauunternehmer Adolf Sommerfeld hatte das Gelände ab 1930 parzelliert und über seine Siedlungsgesellschaft verkauft. Im April 1934 emigrierte er, nachdem SA-Männer sein Wohnhaus überfielen.
Als die JCC mit ihrem Rückgabeanspruch zunächst keinen Erfolg hatte, trat sie diesen kostenlos an den Berliner Geschäftsmann Christian Meyer ab. Nach MAZ-Informationen sollte er im Erfolgsfall einen Teil seiner Einnahmen an die JCC abgeben, bei Misserfolg hätte er die Prozesskosten tragen müssen. Im Musterfall “Am Brodberg” hatte Meyer in der ersten Instanz beim Verwaltungsgericht Potsdam Erfolg. Die Richter ordneten die Rückgabe des Grundstücks an. Doch die betroffene Hauseigentümerin ging in die Revision zum Bundesverwaltungsgericht. Dort fand am 24. November die mündliche Verhandlung statt.
Anschließend kontaktierte Meyer die Eigentümerin, deren Eltern das Haus 1933 gekauft hatten und zu DDR-Zeiten nach West-Berlin geflohen waren. Sie kam 1990 zurück und wohnt seitdem in dem Einfamilienhaus. Meyer bot ihr nun an, auf seine Herausgabeklage gegen Zahlung einer günstigen Summe zu verzichten. Die Frau, die nicht wusste, wie der Prozess enden würde, ging darauf ein. Sie ist derzeit zwar als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen, wollte aber Sicherheit haben. Sie schloss den Deal, ohne ihren Berliner Anwalt Gunnar Schnabel zu konsultieren. Dieser hätte ihr allerdings auch nicht abgeraten. Was Schnabel und seine Mandantin nicht wussten: Sie hätten den Prozess am Bundesverwaltungsgericht auf jeden Fall gewonnen. Die Richter des zuständigen achten Senats waren entsetzt, als die Rücknahme der Revision bei ihnen aus dem Fax-Gerät kam. Sie hatten schon drei Wochen an der Entscheidung gearbeitet und wollten mit einem Grundsatzurteil den jetzigen Bewohnern der Sommerfeld-Siedlung für immer Rechtssicherheit geben.
Sie hätten ihr Urteil auf eine Klausel gestützt, die der Gesetzgeber 1998 ins Vermögensgesetz einfügte. Danach sind Rückgabeansprüche unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen, wenn das Grundstück einst von einer Siedlungsgesellschaft verkauft wurde. Sie hätten damit das Verwaltungsgericht Potsdam korrigiert, das die Klausel nicht anwenden wollte. Hätte das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil verkünden können, hätte Meyer in allen rund 1000 Fällen keine Chance auf Rückgabe der Grundstücke gehabt. Nach der Rücknahme der Revision bleibt das für ihn positive Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam bestehen. Nun wird er wohl weitere Eigentümer aus Kleinmachnow auffordern, ihm den vermeintlichen Herausgabeanspruch abzukaufen. Bis jetzt hat er schon rund 150 derartige Vergleiche abgeschlossen.
Anwalt Gunnar Schnabel rät jedoch dringlich, auf solche Angebote nicht einzugehen. “Wir müssen nun neue Fälle vor das Bundesverwaltungsgericht bringen, damit dieses doch noch die Rechtslage klarstellen kann.” Bis zur endgültigen Klärung kann das aber noch Jahre dauern.
Urteil zu Kleinmachnow verhindert
Vergleich in letzter Minute blockiert grundsätzliche Klärung jüdischer Restitutionsansprüche
Kleinmachnow/Leipzig – Im Streit um ehemals jüdisches Eigentum in Ostdeutschland ist ein entscheidender Durchbruch verhindert worden: Bevor heute das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Urteil in einem Vermögensstreit um jüdisches Altvermögen in der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung verkünden konnte, haben sich die Parteien außergerichtlich geeinigt.
Aufgrund der Einigung ist die Revision gegen ein früheres Urteil zurückgenommen worden, die den Fall erst vor das Bundesverwaltungsgericht gebracht hatte. Somit blieb das für heute angekündigte und mit Spannung erwartete Grundsatzurteil aus. Es war der erste Fall aus dem Sommerfeld-Komplex – mit ursprünglich fast 1000 Einzelfällen einer der größten deutschen Vermögensprozesse – der überhaupt am Bundesverwaltungsgericht verhandelt wurde.
„Das Urteil hätte Signalwirkung gehabt”, bedauert der Berliner Rechtsanwalt Gunnar Schnabel, der die Interessen einer Kleinmachnower Grundstücksnutzerin vertrat. Denn in der Verhandlung Ende November habe es „eindeutige Hinweise des Gerichts gegeben”, dass eine Restitution nicht möglich sei. Es sei, so Schnabel, „eindeutig zum Ausdruck gebracht” worden, dass es keine pauschalen Ansprüche auf jüdische Vermögenswerte gebe, wenn sie von Siedlungsfirmen zu marktüblichen Preisen verkauft wurden. Genau dies war in Kleinmachnow der Fall. Dort war es bis zum Frühjahr 1933 die Siedlungsgesellschaft des jüdischen Architekten Adolf Sommerfeld, die die Parzellen verkauft und bebaut hatte.
Als das Potsdamer Verwaltungsgericht im Vorjahr in der Sache zu entscheiden hatte, befürchtete es einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot, wenn zwischen jüdischem Betriebsvermögen und Privatbesitz unterschieden wird: Es ordnete die Rückübertragung des strittigen Kleinmachnower Grundstücks an. Rechtsanwalt Schnabel legte Revision ein und war nach den „eindeutigen Signalen” der Bundesrichter zuversichtlich, dass eine Restitution nun ausgeschlossen wird.
Der Fingerzeig sei so deutlich gewesen, dass der Antragsteller auf Rückübertragung „offenbar eine Entscheidung des Gerichts verhindern wollte”. Daher habe der Berliner Immobilienentwickler Christian Meyer der heutigen Nutzerin einen Vergleich angeboten. „Es ist verständlich, dass meine Mandantin nach jahrelanger Unsicherheit darauf einging”, so Schnabel gestern. Sie zahle eine Ablöse, im Gegenzug verzichte Meyer, auf seine Restitutionsansprüche. Diese hatte er von der Jewish Claims Conference (JCC) übernommen. Dieser Kompromiss verhindert das für heute erwartete Grundsatzurteil der Bundesrichter. Allein in der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung werden Grundstücksnutzer weiter auf Rechtsfrieden für noch über 600 Fälle warten.
Auch das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (Barov) hatte auf ein Urteil der Leipziger Bundesrichter gehofft. „Wir hätten gern eine Entscheidung gehabt”, sagte Barov-Sprecherin Ellen Händler gestern gegenüber den PNN. In der Behörde liegen fast 900 noch immer ungeklärte Fälle dieser Art aus den neuen Bundesländern.