(BI Freie Heide) Wittstock-Ruppin: Der Traum von der Freien Heide ist heute zerplatzt wie eine Seifenblase. Noch vor Antritt seines Urlaubs gab Bundesverteidigungsminister Struck heute bekannt, dass das Wittstocker Bombodrom nun doch wieder in Betrieb genommen werde. Damit diskreditierte er den zehnjährigen Protest der Bürgerinitiativen Freie Heide und Freier Himmel, die sich für eine zivile Nutung des 144 qkm grossen Areals nördlich von Berlin eingesetzt hatten. Struck gab damit seinen persönlichen Grundsatz auf, die Weiternutzung von ehemaligen Anlagen der Sowjetarmee und GUS-Truppen auf dem Territorium der DDR nicht wieder militärisch zu nutzen. Der Umfang der Nutzung des Bombenabwurfplatzes soll den Bürgerinnen und Bürgern noch vorgelegt werden.
Nach einer Meldung des Nordkuriers will das Kabinett in Mecklenburg Vorpommern nun auf landespolitischer Ebene klagen. Welche Ansatzpunkte in die Klage aufgenommen werden, soll nun eine Arbeitsgruppe klären. Benedikt Schirge von der Bürerinitiative Freie Heide bestätigte, daß nun eine nächste gerichtliche Runde anstehe. In den nächsten Tagen soll beraten werden, wie man den Protest gegen diese Entscheidung in die Öffentlichkeit trägt. Das Hauptproblem sieht Schirge darin, dass sich die Bundesregierung über die Köpfe der Bürger hinwegsetzt und letztendlich doch nur im eigenen Interesse handelt.
Kurz vor 12 Uhr berichtete heute Antenne Brandenburg (RBB) über die Entscheidung des Ministers und interviewte dazu eine Sprecherin der Initiative Pro Bundeswehr. Diese befürwortete die Entscheidung Strucks und sprach ihre Hoffnung aus, dass nach 10 Jahren endlich der Wirtschaftsstandort Wittstock gesichert werde. Pro Bundeswehr ist eine Wittstocker Initiative, die in erster Linie aus Reservisten und Kleinunternehmern besteht.
Benedikt Schirge: “Wittstock wurde für den Fall der Wiederbelebung des Bombodroms eine eigene Garnision versprochen. Die Leute von Pro Bundeswehr hoffen nun schon seit 10 Jahren auf blühende Landschaften. Passiert ist bisher nichts”
Klagen, Kompromisse und ein Trick: “Kanzler-Knick”
Landesregierung erwägt rechtliche Möglichkeiten gegen das Bombodrom
(Nordkurier, Michael Seidel) Schwerin. Die politischen Schlachten um das Bombodrom in der Kyritz/Ruppiner Heide scheinen längst geschlagen. Dennoch soll auf landespolitischer Ebene weiter gekämpft werden. Das Kabinett hatte sich am Dienstag auf einen Plan für eine eventuelle Klage gegen den erwarteten Errichtungs-Bescheid des Bundesverteidigungsministeriums verständigt. Eingereicht ist die Klage indessen noch längst nicht. Vorerst hat eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Ressorts der Landesregierung lediglich geprüft, wo es Ansatzpunkte zur Klage gäbe. Denn unklar ist vorerst, wer den Bescheid wohl erhalten wird: Die betroffenen Landkreise Mecklenburg-Strelitz und Müritz, die betroffenen Gemeinden oder gar das Land Mecklenburg-Vorpommern. Danach aber, so interpretieren es die Juristen der Landesregierung, müsste sich richten, wer gegenüber dem Bund klageberechtigt ist. Ist das Land in den Bescheid eingezogen, kann es selbst aktiv werden. Bezieht er sich allein auf die Kreise oder gar die Gemeinden, kann das Land sie lediglich “moralisch” oder mit rechtlichem Beistand unterstützen — die Klage müssten sie jedoch selbst verfechten. Juristisch unstrittig war nach Nordkurier-Informationen in der Arbeitsgruppe, dass lediglich zwei Möglichkeiten offen stünden: Entweder man stützt sich auf die Landesplanung für die Raumordnung der Region oder auf die regionalen Raumordnungsprogramme. Beide wurden in der ersten Hälfte der neunziger Jahre erstellt — jeweils unter formaler Beteiligung des Bundesverteidigungsministeriums. Das aber hatte seinerzeit keinerlei Absichten erkennen lassen, die Region in der jetzt vorgesehenen Form nutzen zu wollen, weder in dem einen noch in den anderen Verfahren. Dagegen wurden Klagen, die sich auf umwelt- oder naturschutzrechtliche Aspekte stützen, als chancenlos verworfen.
Geheime Strategie
Innenminister Gottfried Timm (SPD) will sich in der Sache bisher nicht äußern, weil er dem Bund nicht die Strategie des Landes vor der Zeit offenbaren will. Immerhin auf einen grundsätzlichen Standpunkt ließ er sich gegenüber unserer Zeitung ein: “Es kann nicht sein, dass jemand, der in Beteiligungsverfahren seine Absichten verbirgt, rechtlich besser gestellt wird als jemand, der sich aktiv beteiligt hat.”
Darauf also würde die Landesregierung Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), der seinerzeit allerdings noch Bundestagsabgeordneter war, wohl “festzunageln” versuchen. Der Vorteil von Kompromissen wird erwogen. Denn würde der Crashkurs gegenüber Berlin in Form von Klagen gewählt, so die Befürchtung einiger, könnte sich Berlin “bockbeinig” stellen und sich auf gar keine Kompromisse mehr einlassen.
Das sieht Timm anders: Hier gehe es um eine ganz wesentliche Frage fürs Land und die Regierung sei in der Pflicht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. “Da dürfen atmosphärische oder gar parteipolitische Erwägungen zwischen Bund und Land keine Rolle spielen.”
Wo die eigentlichen Machtkämpfe ausgetragen werden und wer dabei am längeren Hebel sitzt, haben unterdessen dem Vernehmen nach die Betreiber von “Land Fleesensee”, dem bislang größten touristischen Projekt im Land, demonstriert: Sie wandten sich persönlich an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), stießen ihn gewissermaßen mit der Nase auf die durch den Fluglärm bedrohten massiven Investitionen, an denen schließlich auch der Bund erheblich beteiligt war, und drohten mit Abzug aus Mecklenburg-Vorpommern. Ergebnis: Die Kanzler-Zusage, dass die Tiefflieger, selbst wenn sie entgegen allen Protesten kommen, um das Land Fleesensee großräumig herum fliegen werden. Man nennt diese Flugroute inzwischen schon den “Kanzler-Knick”.
Schwarzer Tag für Kyritz-Ruppiner Heide
Berliner und Brandenburger Landesvorstände von BÜNDNIS 90/Die Grünen: Entscheidung
Strucks für Luft-Boden-Schießplatz umwelt- und wirtschaftspolitisch verheerend
(Grüne Brandenburg) Die Landesvorstände von BÜNDNIS 90/Die Grünen Brandenburg und Berlin haben sich
schwer enttäuscht über die Entscheidung von Bundesverteidigungsminister Peter Struck
(SPD) gezeigt, die Kyritz-Ruppiner Heide wieder militärisch zu nutzen. Sie
bewerteten diesen Schritt als umwelt- und wirtschaftspolitisch verheerend.
“Heute ist ein schwarzer Tag für die Menschen in der Kyritz-Ruppiner Heide und für
Brandenburg” sagte die brandenburgische Landesvorstandssprecherin MARIANNE GEHRKE
nach dem Bekanntwerden. Sie äußerte zudem ihr Missfallen über die Zurückhaltung des
Landes im Streit um den Luft-Boden-Schießplatz. “Der frühere Bombodrom-Gegner und
heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck hat die berechtigten Interessen der
Anliegergemeinden und damit Landesinteressen der Parteiräson gegenüber Struck
geopfert.” “Die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide ist durch nichts zu
rechtfertigen”, sagte der Berliner Landesvorsitzende TILL HEYER-STUFFER. “Zudem
stellt sich die Frage, bei welchen Einsätzen der Bundeswehr die Techniken zum
Einsatz kommen sollen, deren Training hier geplant ist.”
“Durch den Luft-Boden-Schießplatz droht der gesamten Region ein nicht wieder gut zu
machender wirtschaftlicher Schaden”, sagte MARIANNE GEHRKE. Für die in den
vergangenen Jahren entstandene regionale Tourismusbranche in Mecklenburg-Vorpommern
und Brandenburg ist der Luft-Boden-Schießplatz e
ine Katastrophe. Zahllose
Arbeitsplätze stehen nun auf dem Spiel. Private und öffentliche Investitionen werden
zunichte gemacht.”
“Den Anwohnern der Kyritz-Ruppiner Heide, die zu DDR-Zeiten jahrzehntelang unter
sowjetischen Tiefflügen zu leiden hatten, und ihren erholungssuchenden Gästen ist
die Wiederaufnahme von Tiefflügen nicht zuzumuten”, sagte MARIANNE GEHRKE. “Wir
richten unsere Hoffnung nun darauf, dass Klagen der Anrainergemeinden das unsinnige
Militärprojekt doch noch verhindern”, sagte MARIANNE GEHRKE. BÜNDNIS 90/Die Grünen
rufen dazu auf, Protestaktionen gegen den Luft-Boden-Schießplatz zu unterstützen.
“Dabei sind nach unserer Auffassung auch Aktionen zivilen Ungehorsams
gerechtfertigt.”
Schönen Urlaub, Herr Struck! Rot-Grüner Wortbruch beim Bombodrom
(PDS Brandenburg) Anlässlich der heute verkündeten Wieder-Inbetriebnahme des umstrittenen Bombenabwurfplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock erklärt der Landesgeschäftsführer Thomas Nord:
Verteidigungsminister Peter Struck wollte vor seinem Urlaub noch die unangenehmen Dinge vom Tisch bekommen. Er hat die Entscheidung für die Wieder-Inbetriebnahme des Bombodroms gefällt. Wahrscheinlich wird er seine Ferien nicht in der Kyritz-Ruppiner Heide verbringen. Unter Tieffliegern erholt es sich bekanntlich nicht gut.
Das Bombodrom wird kommen und die Koalitionäre hoffen, dass ihr Wortbruch in der Sommerpause möglichst untergeht. Die Liste der rot-grünen Prominenz, die mit der Freien Heide Wahlkampf gemacht hat, ist lang: Verteidigungsminister Peter Struck selbst, sein Vorgänger Rudolf Scharping, die Grünen-Politiker Renate Künast und Fritz Kuhn, Winfried Nachtweih und andere. Mit der heutigen Entscheidung haben diese Politiker von SPD und Grünen nicht nur eine weitere Voraussetzung für den weltweiten Einsatz der Bundeswehr geschaffen, sondern auch Demokratie und Glaubwürdigkeit von Politik in diesem Land einen Bärendienst erwiesen.
Die Wieder-Inbetriebnahme des Bombodroms ist vor allem wirtschaftspolitisch unsinnig — Milliarden Euro sind privat und öffentlich in die touristische Entwicklung der Region investiert worden und werden jetzt entwertet. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern können jedoch auf diese wirtschaftliche Entwicklung nicht verzichten.
Das Schweigen der Brandenburger Landesregierung spricht Bände. Sie hat damit schon in der Vergangenheit ihr stillschweigendes Einverständnis mit der militärischen Nutzung zur Kenntnis gegeben. Diese Landesregierung ist offensichtlich nicht bereit, die Interessen ihrer eigenen Bürger gegenüber dem Bund zu vertreten. Dass es auch anders ginge, hat die Regierung Mecklenburg-Vorpommerns bewiesen. Erst vorige Woche hatte das dortige Kabinett erneut das Vorhaben abgelehnt und juristischen Widerstand angekündigt. Die Brandenburger PDS wird auch weiterhin die Bürgerinitiativen Freie Heide und Freier Himmel im Kampf gegen die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide unterstützen.