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Struck: Tornados dürfen bald Bomben in die Heide werfen

Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Gemein­den in der Witt­stock­er Region fürcht­en um den Touris­mus und wollen klagen.

(SZ vom 1.7.2003, von Arne Boeck­er) — Das Bom­bo­drom in der Kyritz-Rup­pin­er Hei­de nahe
Witt­stock ste­ht kurz vor der Genehmi­gung. Tor­na­dos der Bun­deswehr sollen
kün­ftig Übungs­bomben auf das 144 Quadratk­ilo­me­ter große Gelände im
Norden
Bran­den­burgs wer­fen dürfen. 

Mit dieser Entschei­dung würde sich Vertei­di­gungsmin­is­ter Peter Struck
(SPD)
über die Grü­nen hin­wegset­zen, die sich gegen die mil­itärische Nutzung
aus­ge­sprochen haben. 

Weil das angren­zende Meck­len­burg-Vor­pom­mern Ein­bußen im Tourismus
fürchtet,
erwägt die SPD-PDS-Regierung unter Har­ald Ringstorff (SPD) eine Klage
gegen
die Bundesregierung. 

Am Mon­tag protestierte die aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern angereiste
Bürg­erini­tia­tive „Freier Him­mel“ vor dem Berlin­er Reich­stag mit einer
„Oben-ohne“-Demo gegen das Bom­bo­drom. Auch an der Müritz in Rech­lin kam
es
zu ein­er „Oben-ohne“-Demonstration.

Ein Schrift­stück aus dem Schw­er­iner Innen­min­is­teri­um, das der
Süddeutschen
Zeitung vor­liegt, lässt kaum Zweifel: Jagdbomber wer­den kün­ftig über die
Hei­de fliegen. Meck­len­burg-Vor­pom­merns Innen­min­is­ter Got­tfried Timm
(SPD)
referiert einen an ihn adressierten Brief des Verteidigungsministers.

Der
lasse „vom Inhalt her in der Tat eine kün­ftige mil­itärische Nutzung o.g.
Region erkennen“. 

Rein­hold Robbe (SPD), Vor­sitzen­der des Vertei­di­gungsauss­chuss­es im
Bun­destag, hat schon vor Monat­en ein­er Bürg­erini­tia­tive mit­geteilt, dass
er
„über­haupt keine Alter­na­tive zur Inbe­trieb­nahme“ sehe. Seine offizielle
Entschei­dung will Vertei­di­gungsmin­is­ter Struck noch im Juli verkünden. 

Zu DDR-Zeit­en hat­ten die Sow­jet­trup­pen die Kyritz-Rup­pin­er Hei­de als
Bomben­ab­wurf­platz genutzt. Jet­zt will die Bun­deswehr dort etwa 1700
Einsätze
pro Jahr fliegen, alle mit nicht-schar­fer Munition. 

Zwei Argu­mente führen die Mil­itärs ins Feld. Zum einen ent­laste das
Bom­bo­drom die Schieß­plätze im nieder­säch­sis­chen Nord­horn und im
bayerischen
Siegen­burg. Zum anderen erlaube die Weitläu­figkeit des Platzes, Manöver
mit
mehreren Maschi­nen zu fliegen und Übungs­bomben aus großer Höhe
auszuklinken.
Dies erhöhe Qual­ität und Flex­i­bil­ität der Ein­sätze, sagt ein Sprecher
des
Verteidigungsministeriums. 

Bun­destags­frak­tion und Parteirat der Grü­nen hal­ten das Bom­bo­drom für
verzicht­bar. Es find­et sich sog­ar im rot-grü­nen Koali­tionsver­trag – wenn
auch mit der weichen For­mulierung, eine „kurzfristige Über­prü­fung der
mil­itärischen Pla­nung“ vorzunehmen. 

„Das Min­is­teri­um hat die Ein­satzbere­itschaft der Luft­waffe nie
angezweifelt
“, wun­dert sich Win­fried Nachtwei, Obmann der Grü­nen im
Vertei­di­gungsauss­chuss. Ein aus dem Jahr 1992 stam­mendes Konzept zur
Nutzung
der Übungsplätze in Nord­horn und Siegen­burg kalkuliert mit 4200
Einsätzen
pro Jahr. 

Diese Zahl wurde nie erre­icht; so kam man im Jahr 2000 nur auf 2050
Übungs­flüge. Nachtwei ver­mutet Sparzwänge hin­ter der
Wiederinbetriebnahme
des Bom­bo­droms. Die Bun­deswehr könne einen Teil jen­er Ein­sätze nach
Bran­den­burg rück­ver­lagern, die sie bish­er in den USA fliege. 

Die SPD-CDU-Regierung Bran­den­burgs hält sich mit Kri­tik zurück. Der
Schieß­platz brächte eine 800-Mann-Gar­ni­son in den strukturschwachen
Kreis
Ost­prig­nitz-Rup­pin. Die SPD-PDS-Regierung in Schw­erin bangt dage­gen um
den
Touris­mus, im Nor­dosten eine der weni­gen Branchen mit ras­an­tem Zuwachs. 

Die beliebte Müritz-Region mit ihrem Nation­al­park gren­zt nördlich an das
Bom­bo­drom. In Schw­erin fürchtet man, dass der Lärm niedrig fliegender
Bomber
die Besuch­er ver­schreckt. Kom­munen rund um Witt­stock haben angekündigt,
gegen das Bom­bo­drom zu kla­gen. Auch die Landesregierung
Meck­len­burg-Vor­pom­merns scheint diesen Weg gehen zu wollen. 

Eine Arbeits­gruppe unter Fed­er­führung von Innen­min­is­ter Got­tfried räumt
ein­er Klage gute Chan­cen ein. 

Ein Mei­n­ungs­bild im Kabi­nett hat ergeben, dass die Mehrheit der Minister
vor
Gericht ziehen will; einen förm­lichen Beschluss gibt es noch nicht. 

Poli­tisch wäre die Klage ein äußerst ungewöhn­lich­er Schritt: Die
Regierung
Ringstorff ist in Berlin bish­er nicht als aufmüp­fig aufgefallen.

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