(MAZ, Rüdiger Braun) POTSDAM Sollten die Karlsruher Verfassungsrichter das bundesweite Verbot von Studiengebühren für das Erststudium am Mittwoch kippen — und danach sieht es aus -, will zumindest Baden-Württemberg sofort ein Gesetz entwerfen, nach dem Studenten vom ersten Semester an zur Kasse gebeten werden. Die Neuregelung könnte laut Stuttgarter Wissenschaftsministerium ab 2007 greifen. 500 Euro pro Semester hat Minister Peter Frankenberg (CDU) vorgeschlagen. Die staatlichen Mittel reichten zur Finanzierung der Hochschulen nicht mehr aus, rechtfertigt er den Vorstoß von sechs unionsgeführten Bundesländern vor dem obersten Gericht.
Allein Baden-Württemberg verspricht sich Gebühreneinnahmen von etwa 168 Millionen Euro im Jahr, die zweckgebunden den Unis zukommen sollen. Und zusätzliche Gelder haben bundesweit alle Hochschulen bitter nötig. Ihre Unterfinanzierung beläuft sich auf inzwischen vier Milliarden Euro jährlich, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Union im Bundestag, Katherina Reiche (CDU).
“Brandenburg wird auf keinen Fall zum Vorreiter bei Studiengebühren”, teilt eine Sprecherin des von der CDU-Ministerin Johanna Wanka geführten Wissenschaftsministeriums in Potsdam mit. Andererseits gibt es im Hause Wanka auch keine grundsätzliche Abneigung gegen Studiengebühren. “Frau Wanka hat Sympathien für ein ganz spezielles Modell”, heißt es. Eine Grundfinanzierung des studentischen Lebensunterhaltes müsse gesichert sein. Bafög und Elternfreibeträge sollten dafür zusammengefasst werden.
Zur Finanzierung des Studiums sei ein Kredit denkbar, mit dem die Gebühren bezahlt werden. Dabei seien 500 Euro pro Semester “eine Variante”. Brandenburg dürfe jedenfalls keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Bundesländern haben, die dank Studiengebühren ihre Hochschulen besser ausstatten könnten. Laut Wanka-Ministerium könnte ein neues Gesetz frühestens 2006 vorliegen.
Zumindest Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der gleichzeitig SPD-Landeschef ist, dürfte sich solchen Überlegungen nicht in den Weg stellen. Vergangene Woche war er heftig von Studenten kritisiert worden, weil er sich beim Neujahrsempfang der Universität Potsdam geweigert hatte, noch einmal einen SPD-Beschluss vom August 2004 zu unterschreiben, in welchem sich die Partei gegen Studiengebühren ausspricht.
“Der Ministerpräsident hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass der allgemeine Trend auf Studiengebühren zuläuft”, erklärte SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness. Platzeck selbst sei jedoch kein Verfechter von Studiengebühren. “Er hat aber Sympathie für Modelle mit nachgelagerten Gebühren.” Besser Verdienende trügen zur sozialen Gerechtigkeit bei, wenn sie einen Teil von dem zurückgeben würden, was ihnen das Studium gegeben habe, sobald sie im Berufsleben stünden. Die SPD lehne aber Modelle ab, die vor allem die Eltern belasteten. “Das kann wirklich zu Gerechtigkeitsproblemen führen”, sagt Ness. Über die mögliche Höhe nachgelagerter Gebühren gebe es noch keine konkreten Vorschläge.
Gerd-Rüdiger Hoffmann, hochschulpolitischer Sprecher der PDS-Fraktion im Landtag, stellt noch einmal klar, dass seine Partei gegen Studiengebühren ist. Das von anderen Parteien vorgebrachte Argument, Gesellen müssten für ihre Meisterausbildung auch zahlen, mag er nicht gelten lassen: “Für mich ist der Bezugspunkt ein anderer. Wenn Pisa etwas gelehrt hat, dann dass der Anteil von Studierenden aus sozial schwachen Schichten geringer wird.” Gerade Brandenburg, wo die Neigung zu studieren gering sei, sollte auf die Einführung von Gebühren verzichten.
Welche Folgen Studiengebühren haben werden, ist umstritten. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) warnt eindringlich davor. Schon jetzt koste ein Studium durchschnittlich 40 000 Euro. Kämen noch weitere Gebühren hinzu, würden Kinder aus einkommensschwachen Familien vom Studium abgeschreckt. Ihr Anteil an allen Studenten sank dem Deutschen Studentenwerk zufolge seit 1982 bereits von 23 Prozent auf 13 Prozent, während der Anteil der Studierenden aus einkommensstarken Familien von 17 auf 33 Prozent anstieg. Nur acht von hundert Kindern aus ärmeren Haushalten studieren heute noch.
Der Baden-Württemberger Wissenschaftsminister Frankenberg will das so nicht gelten lassen. Die Gebühren sollen sozialverträglich sein. Ein von Frankenberg erstelltes Papier sieht vor, 30 Prozent der Studenten von der 500-Euro-Gebühr aus sozialen Gründen zu befreien. Zudem könnten Einkommensschwache die Studiengebühren durch zinsgünstige Kredite finanzieren, die dann später abhängig vom Einkommen getilgt würden.