(RÜDIGER BRAUN) POTSDAM Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) hält die Einführung grundständiger Studiengebühren in Brandenburg noch in dieser Legislaturperiode, also bis 2009, für “denkbar”. Die von unionsgeführten Bundesländern vorgeschlagenen 500 Euro pro Semester nannte die Ministerin gestern “eine Orientierungsgröße”. Wann frühestens Gebühren erhoben werden könnten, wollte Wanka nicht sagen. Brandenburg werde aber “auf jeden Fall nicht Vorreiter” sein. Die CDU werde den größeren Koalitionspartner SPD “nicht drängeln”.
Die SPD hatte sich im August 2004 in einem Beschluss gegen die Einführung von Studiengebühren ausgesprochen. Allerdings hatte sich Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzender Matthias Platzeck beim Neujahrsempfang der Universität Potsdam vom Parteibeschluss distanziert. Nach dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts forderte er eine bundeseinheitliche Regelung für die Erhebung von Gebühren.
Für die Einführung von Studiengebühren müssten die Rahmenbedingungen stimmen, erklärte Wanka. “Niemand darf wegen der Gebühr vom Studium abgehalten werden.” Gebühren seien nur sinnvoll, wenn das Geld an die Hochschulen gehe. Mit Gebühren müssten zum Beispiel mehr Lehrpersonal und eine bessere Ausstattung von Laboren finanziert werden. Entscheidend sei schließlich auch, wie sich der Bund verhalte. Eine Anpassung der Ausbildungsförderung sei unumgänglich. “Es ist ganz logisch, dass die Bundesregierung mit der veränderten Situation umgehen muss”, so Wanka.
Wanka, die derzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) ist, erklärte, Studierengebühren wären Thema der nächsten Sitzung des Gremiums im März. Die Länder müssten sich dann mit der Zweckbindung von Gebühren und mit deren Sozialverträglichkeit auseinandersetzen. Ziel müsse sein, die Mobilität der Studierenden nicht zu behindern.
“Es ist keine einheitliche Regelung erforderlich”, betonte Wanka im Gegensatz zu Ministerpräsident Platzeck. Dies sage das Urteil des Zweiten Senats “ganz eindeutig”. Auch unterschiedliche Regelungen an Hochschulen innerhalb eines Bundeslandes hält Wanka für möglich. Die Ministerin erwartet jetzt eine Veränderung der Hochschullandschaft. Gebühren schafften neue Möglichkeiten des Wettbewerbs und der Profilierung der Hochschulen. Ein kurzfristiger Effekt der Einführung von Studiengebühren könne die Abwanderung von Studenten an gebührenfreie Hochschulen sein. Langfristig könne dies durch Qualitätsverbesserung der Hochschulen mit Gebühren ausgeglichen werden.
Der parlamentarische Geschäftsführer der brandenburgischen SPD, Christoph Schulze, betonte, dass seine Partei Studiengebühren nicht wolle: “Wir werden aber um eine Erhebung nicht herumkommen”, sagte er. Die SPD werde darauf drängen, durch ein entsprechendes Stipendiensystem oder durch Befreiungsmöglichkeiten auch Kindern aus weniger wohlhabenden Elternhäusern weiterhin ein Studium zu ermöglichen.
Laut dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Thomas Lunacek hat sich die CDU-Fraktion im Landtag noch nicht positioniert. “Wenn man die internationale Entwicklung anschaut, kann man sich Studiengebühren nicht grundsätzlich verschließen”, sagte Lunacek. “Brandenburg sollte jetzt keinen Sonderweg gehen, sondern sich im Kontext der anderen Bundesländer bewegen”, forderte der Fraktionschef.
Grundsätzlich offen für Studiengebühren ist der Rektor der Universität Potsdam, Wolfgang Loschelder. Loschelder legt allerdings Wert darauf, dass sie sozialverträglich gestaltet werden. Zudem müsse jede einzelne Hochschule autonom über Gebühren entscheiden dürfen. Richtig eingesetzte Studiengebühren kämen den Studenten selbst zugute. Diese könnten so auch eine gute Lehre einfordern.
Gelassen reagierten Mitglieder des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) der Universität Potsdam. “Das Urteil bedeutet ja nicht die zwangsweise Einführung von Studiengebühren”, sagte der hochschulpolitische Sprecher Arne Karrasch. Es werde schon seit Jahren über die Einführung von Studiengebühren debattiert, ohne entsprechende Pläne umzusetzen.
Brandenburgs Hochschulen könnten bei insgesamt 40 000 Studenten mit einer Gebühr von 500 Euro pro Semester rund 40 Millionen Euro im Jahr zusätzlich einnehmen. Vom Land bekommen sie jährlich rund 210 Millionen Euro.