Der Tag vor Gericht
(MAZ, 23.7) Das Verfahren gegen den Mann, der den Asylbewerber Orabi Mamavi geschlagen
und beleidigt hat, ist abgeschlossen. Mamavi, der diese Woche nach Togo
abgeschoben wird, durfte miterleben, wie Marko D. seinen Tag vor Gericht
hatte. Er durfte miterleben, wie sowohl Richterin als auch Staatsanwalt
deutlich machten, dass fremdenfeindliche Straftaten in Rathenow streng
abgeurteilt werden, um neue Straftäter abzuschrecken.
Marko D. gehört nicht der rechtsextremen Szene in Rathenow/Premnitz an. Wäre
er aber tatsächlich nahe am Vollrausch gewesen, hätte er sich zumindest für
seine Schläge, die Mamavi ernsthaft verletzt haben, entschuldigen können.
Das hat er unterlassen — und so bleibt am Ende doch ein fader Nachgeschmack.
Fast hätte der Staatsanwalt auf seinen Hauptzeugen Mamavi verzichten müssen.
Denn Abschiebungs- und Prozesstermin drohten sich zu überschneiden. Wäre das
Verfahren nur wenige Tage später gewesen, hätte Mamavi nicht dabei sein
können. Die Kreisverwaltung war nicht bereit, mit der Abschiebung zu warten.
Fast hätte diese Haltung dazu geführt, dass aus dem Rathenower Kreishaus ein
falsches Signal gesendet worden wäre.
Täter verurteilt, Opfer vor Abschiebung
Abgelehnter Asylbewerber aus Togo wurde überfallen. Sein Peiniger erhielt
eine Bewährungsstrafe
(Tagesspiegel, 23.7.) Rathenow. “Ihr Scheiß-Neger! Was wollt ihr hier? Geht zurück in eurer Land.
Was macht ihr hier für eine Scheiß-Arbeit?” Dieser verbalen Beleidigung
folgten drei Faustschläge ins Gesicht von Orabi Mamavi, einem 41 Jahre alten
Asylbewerbers aus Togo. Er wurde am Auge schwer verletzt und traute sich
seit dem Vorfall am 23. Dezember vergangenen Jahres aus Angst nicht mehr
allein auf die Straße.
Gestern musste sich der 26-jährige Schläger Marko D. aus Rathenow vor dem
Amtsgericht in seiner Heimatstadt für die Tat verantworten. Der Prozess
dauerte nur wenige Stunden, Marko D. wurde wegen Körperverletzung und
Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die Strafe
wurde für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss der Arbeitslose
500 Euro an den Verein “Weißer Ring” zahlen.
Das Gericht folgte damit den Anträgen der Staatsanwaltschaft und des als
Nebenkläger im Prozess aufgetretenen Asylbewerbers. Orabi Mamavi nahm das
Urteil ohne äußerlich sichtliche Regung entgegen.
Seit neun Jahren lebt er als Asylbewerber in Rathenow, nachdem er als
Angehöriger einer Oppositionspartei in seinem Heimatland nach eigenen
Angaben gefoltert worden war.
Doch die Stunden seines Aufenthaltes in der sicheren Fremde sind gezählt.
Kommenden Donnerstag will ihn die Ausländerbehörde des Landkreises Havelland
nach Ablehnung des Asylantrages abschieben. Der Kirchenkreis Kyritz und der
Verein Opferperspektive haben beim Petitionsausschuss des Landtages einen
Aufschub der Abschiebung beantragt. Sollte der Ausschuss den Antrag
ablehnen, will der Verein einen neuen Antrag stellen.
“Er muss bei der Rückkehr nach Togo mit seiner Verhaftung rechnen”, sagte
Kay Wendel vom Verein Opferperspektive. “Außerdem sollte ein Bleiberecht
eine Wiedergutmachung dafür sein, was er in neun Jahren Rathenow von
rassistischen Tätern erlitten hat.”
Schon 1997 ist Mamavi von rechtsextremistischen Tätern angegriffen worden.
Seitdem habe er ständig unter Angst gelebt, so dass er jetzt eine Therapie
benötige. Das Verfahren zu der Tat im Jahre 1997 wird auf Drängen des
Vereins Opferperspektive am 10. August eröffnet. “Wir können endlich Beweise
für die Tat vorgelegen”, erklärte Wendel. Die erste Vernehmung des Togolesen
ist für den 10. August vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt aber wäre er, wenn es
nach dem Willen der Ausländerbehörde geht, schon längst in Afrika.
Das gestern gesprochene Urteil soll abschreckend wirken, sagte die
Richterin. Rathenow gilt seit Jahren als Ort fremdenfeindlich motivierter
Angriffe auf Ausländer. Der Angeklagte selbst hatte im Prozess den Vorwurf
einer rechtsextremistischen Gesinnung zurückgewiesen. “Ich war im Vollrausch
und hatte einen Filmriss”, sagte der junge Mann.
Am 23. Dezember habe er zusammen mit einem Kumpel ab 19.15 Uhr bis zu 20
Flaschen Bier und einige Mixgetränke getrunken. Ein Gutachter rechnete einen
Alkoholgehalt von 6,21 Promille aus. Das sei unglaubwürdig, erklärte das
Gericht.
Orabi Mamavi wollte mit einem Freund am Morgen des 24. Dezember gerade mit
dem Schneeschieben auf einem Fußweg für einen Stundenlohn von einem Euro
beginnen, als die beiden grundlos beschimpft und angegriffen wurden. Sie
sind dem Angreifer hinterher gerannt. Sie konnten ihn festhalten und der
Polizei übergeben. Die Polizisten stellten bei ihren Befragungen keinen
Vollrausch des Täters fest.