(von Sven Kames, gekürzte Vorabveröffentlichung aus Der Rechte Rand #159, April 2016) Und am Ende gab es doch keine Party für Alexander Gauland. Mit allem Pomp wollte der Landes- und Fraktionschef der AfD im März diesen Jahres im Brandenburger Landtagsschloss seinen 75. Geburtstag feiern. Die Parlamentsverwaltung sagte die Feier ab: Es gebe keinen Bezug zur politischen Arbeit der Fraktion und im Landtag dürften keine Privatevents stattfinden.
Gut eineinhalb Jahre ist der AfD-Erfolg im September 2014 nun her, als die neue Partei aus dem Stand 12,2 Prozent der Stimmen errang und mit elf Mandaten in den Landtag einzog. Bisher konnte die AfD mit ihrer Politik kaum überzeugen. Eine Umfrage im März ergab, dass gerade einmal vier Prozent der brandenburgischen WählerInnen der Ansicht sind, die AfD habe im Bundesland schon etwas zum Besseren bewirkt. Sogar unter erklärten AfD-AnhängerInnen liegt dieser Wert bei desaströsen 14 Prozent. Die anhaltende Debatte zur „Flüchtlingskrise“ auf Bundesebene spielt der AfD gleichwohl in die Hände. Gleiche Umfrage: Satte 19 Prozent würden die AfD wählen, wenn Landtagswahlen anstünden.
Isolation durch Provokation
In der parlamentarischen Praxis isoliert sich die AfD derweil mit gezielten Provokationen. Gauland nennt Flüchtlingsheime in Landtagsdebatten „Brutstätten der Gewalt“ und FlüchtlingshelferInnen beschimpft er als „nützliche Idioten“. Nachdem in Nauen Neonazis eine als Flüchtlingsunterkunft vorgesehene Turnhalle niedergebrannt hatten, kommentierte Gauland, dass die „Verantwortung für solche Taten in erster Linie bei den Politikern der Altparteien“ liege.
Solchen Ausfällen ist es geschuldet, dass die gewohnheitsmäßig so genannten „Kartellparteien“ Distanz halten – keine gemeinsame Arbeit, keine Kooperation auf Fraktionsebene. Anträge der AfD werden abgelehnt; bei Debatten zu Flüchtlingsthemen haben die restlichen Parteien vereinbart, dass jeweils nur ein Abgeordneter im Namen aller vier Fraktionen auf Anträge der AfD antwortet. Dieser Umgang schmerzt die AfD reichlich, hat er doch sein Vorbild im Umgang des Landtags in Mecklenburg-Vorpommern mit der neonazistischen NPD. Die einzige erkennbare Ausnahme zum Abgrenzungskurs ist die ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig. Die Rechtsauslegerin ist inzwischen gefühlt häufiger bei AfD-Veranstaltungen als bei denen ihrer eigenen Partei anzutreffen.
Genauso, wie die AfD provoziert und pöbelt, will sie aber auch ankommen im landesweiten Politikbetrieb. Der Versuch, eine Geburtstagsparty im Landtag ausrichten, ist in diesem Sinne zu verstehen, genauso die dauernden Lamenti über angebliche Benachteiligungen. Die Abgeordneten versuchen auch außerhalb des Landtages eine Beteiligung durchzusetzen. Als der Landesjugendring eine Anmeldung des AfD-Abgeordneten Steffen Königer zu einem Workshop über Arbeit mit Flüchtlingsjugendlichen zurückwies, lief die Partei Sturm gegen den Jugendverband.
Die Partei „für den kleinen Mann“
Politisch versucht sich die AfD als Interessenvertretung des „kleinen Mannes“ zu profilieren, in Konkurrenz zur mitregierenden Linkspartei, in zwangsläufiger Feindschaft zu den oppositionellen Grünen und in Abgrenzung zur als linksgewendet verstandenen CDU. Wirtschaftsliberale Töne sind von der brandenburgischen AfD kaum zu vernehmen; zum Beispiel betont die Partei, dass man selbstverständlich zum gesetzlich verbindlichen Mindestlohn stehe. Die Abwahl Bernd Luckes auf Bundesebene zog in Brandenburg gerade einmal rund 30 Parteiaustritte nach sich und die AfD-Abspaltung „Alfa“ ist völlig bedeutungslos.
Hauptthemen sind die als solche identifizierten Sorgen des „kleinen Mannes“. Das war im Landtagswahlkampf 2014 vor allem die Kriminalität in den Regionen nahe der polnischen Grenze. Seit Sommer 2015 ist es die Ablehnung von Flüchtlingen. Zahlreiche Tiraden in Landtagsdebatten, dutzende parlamentarische Anfragen in immer neuen Variationen deuten darauf hin. Engagiert zeigt sich die frühzeitig von elf auf zehn Abgeordnete reduzierte Fraktion auch in der Formulierung von Anfragen zum Thema „Linksextremismus“. Auf der Suche nach möglichen Skandalen wird etwa gefragt, wie viele offene Haftbefehle es gegen „Linksextreme“ im Land gebe. Weil die Anfragen kaum fundiert sind, fallen die Regierungsantworten in der Regel einsilbig aus: „Im Land Brandenburg ist derzeit keine entsprechende Person gemeldet“. Die Mitarbeit der AfD-Abgeordneten in den Fachausschüssen beschränkt sich ebenfalls größtenteils auf provokante Nachfragen, die Detail- und Sacharbeit steht hintenan.
Die AfD auf der Straße
Weniger beachtet, aber für die AfD-Entwicklung immens bedeutsam: Die Partei hat sich seit dem Herbst 2015 als regelrechte Bewegungspartei den flüchtlingsfeindlichen Mobilisierungen im Bundesland angedient. Die Stellungnahmen für die Dresdener Pegidademonstrationen aus Brandenburg waren nur ein Anfangspunkt. Die Partei veranstaltet Aufzüge, geht Bündnisse mit rassistischen Initiativen ein, unterstützt durch Redebeiträge. Zwischen die rassistischen Straßenaktivitäten und die AfD passt kein Blatt. Wer kann schon genau sagen, ob zum Beispiel eine Demonstration im vergangenen Herbst in Prenzlau von der AfD oder den extrem rechten „BB-Patrioten“ veranstaltet wurde – beide warben auf ihren Kanälen dafür, Neonazis nahmen massenhaft teil, am Rande wurde der Hitlergruß gezeigt. Hauptredner und Einheizer: AfD-Parlamentarier Andreas Kalbitz. Im Spreewald beteiligen sich AfDlerInnen fleißig an den Aufmärschen der Initiative „Zukunft Heimat“, deren stilistische und womöglich auch personelle Verquickung mit der verbotenen Neonazigruppe „Spreelichter“ Gegenstand mancher Presseartikel war. Schaden tut’s nicht, im Gegenteil. Bei den Bürgermeisterwahlen in Lübbenau im März holte der vorneweg mitdemonstrierende AfD-Kandidat Marian von Stürmer satte 34 Prozent der Stimmen.
Am rechten Rand
Verbiegen muss sich die AfD für solche Bündnisse nicht. Formelle Bekenntnisse gegen Rechtsextremismus sind billig zu haben. Aber Gaulands Diktum „Wer früher in NPD oder DVU war, darf bei uns nicht Mitglied werden“, gilt im Ernstfall dann doch nicht. Dass der 22-jährige Fraktionsmitarbeiter Alexander Salomon jahrelang NPD-Mitglied war, wurde nach Bekanntwerden zunächst abgestritten. Als dann Beweise vorlagen, schwenkte Gauland um: „Herr Salomon war im Alter von 15 oder 16 Jahren in der NPD. Ich finde es nicht richtig, ihm das ein Leben lang vorzuhalten.“ Auch andere Fraktionsmitarbeiter sind einschlägig bekannt, aber nicht Gegenstand von öffentlichen Kontroversen. Lion Edler etwa, Mitarbeiter in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, ist nebenbei eifriger Autor für das neu-rechts-libertäre Blatt „eigentümlich frei“. Mit der AfD schwappen neu-rechtes Personal, Sprachduktus und Argumentationslinien in die Brandenburger Politik.
Diejenigen Abgeordneten, die ein nennenswertes politisches Vorleben haben, sind zumeist der extremen Rechten nicht fern gewesen: Andreas Galau („Republikaner“), Sven Schröder („Pro Deutschland“), Rainer van Raemdonck, Thomas Jung (beide „Die Freiheit“), Steffen Königer („Bund Freier Bürger“, Redakteur „Junge Freiheit“). Eine Auflistung der Verstrickungen des Abgeordneten Andreas Kalbitz in die extreme Rechte würden den Rahmen dieses Textes sprengen. Zuletzt hatte er erst nach massiver öffentlicher Kritik und den üblichen Leugnungs- und Kleinredepirouetten den Vorsitz beim eindeutig extrem rechten „Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit e.V.“ niedergelegt. Gauland referiert seit der Wahl immer wieder bei einschlägigen Rechtsaußenvereinen, wie der Berliner „Bibliothek des Konservatismus“, bei einer „Friedenskonferenz“ des Compact-Magazins und bei der „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ in Hamburg. Von der Abgeordneten Birgit Bessin ist kein politisches Vorleben bekannt, sie tritt seit 2015 jedoch ebenfalls als Exponentin des äußersten rechten Flügels der Partei in Erscheinung, etwa anhand ihrer Kontakte zum Organisationsteam der Dresdener Pegida oder als Unterzeichnerin der „Erfurter Resolution“ für einen Rechtsschwenk der Partei.
„NPD light“
Für die Unterstützung der Straßenpolitik ist die Potsdamer Landtagsfraktion eine Basis. Dort gibt es eigens abgestellte Referenten für Veranstaltungen. Mitarbeiter Jean-Pascal Hohm ist gleichzeitig Landeschef der „Jungen Alternative“ und selbst Organisator entsprechender Aufmärsche. Hinzu kommen etliche als „Bürgerdialoge“ genannte Saalveranstaltungen. Die Wahlkreisbüros der Abgeordneten helfen zusätzlich beim Strukturaufbau, genauso die 180 kommunalen Mandate (davon 39 auf Kreisebene), die die Partei seit den Kommunalwahlen im Mai 2014 hält. Die AfD ist inzwischen flächendeckend im Land mit Kreisverbänden vertreten. Die Brandenburger Fraktion bemüht sich gleichzeitig um Anerkennung bei und Abgrenzung zu den „Kartellparteien“, dient sich rassistischen Straßenprotesten an, baut Strukturen aus. Solange das „Flüchtlingsthema“ zieht, bleibt die Partei wohl erfolgreich – als Protestkatalysator, als faktische „NPD light“, für die eine tatsächliche Grenzziehung nach Rechtsaußen inopportun ist.
Gaulands politische Karriere im Landtag Brandenburg wird wohl in nicht allzu ferner Zukunft enden. Er wolle sich lieber 2017 in den Bundestag wählen lassen, wenn die Gesundheit es denn zulasse, verkündete er kürzlich, auf Landesebene erneut anzutreten schloss er aus. Als „Kronprinz“ für seine Nachfolge im Landesverband wird Hardliner Andreas Kalbitz gehandelt, der seit November auch Vizechef des Landesverbandes ist. Eine Mäßigung der Brandenburger AfD ist dementsprechend nicht zu erwarten.