Die zunehmende Annäherung des „Bürgerbündnisses Havelland e.V.“ an extrem rechten Ausdruck und extrem rechter Symbolik schreitet offenbar von Versammlung zu Versammlung fort. Nach der „Reichsgründungsfeier“ am 21. Januar 2017 und dem Gedenken an den vermeintlichen „deutschen Völkermord“ am 14. Februar 2017 stellt die im Rahmen der heutigen Abendveranstaltung der Vereinigung erstmals öffentlich als neues Erkennungszeichen gezeigte so genannte „Lebensrune“ einen weiteren Meilenstein auf dem Weg nach ganz Rechtsaußen dar.
„Lebensrune“ als neues Identifikationssymbol
Bereits seit dem 23. Februar 2017 nutzt die rechte Vereinigung Bürgerbündnis Havelland e.V. auf seinem Socialmedia-Profil im Internet statt des bisher verwendeten sechszackigen schwarzen Sternes die Rune in ihrem Logo. Im Zuge einer darauf im Netz entbrannten Diskussion, verfasste der Vereinsvorsitzende Christian Kaiser ein kurzes Statement, demnach es sich bei dem neueingefügten Symbol um die so genannte „Lebensrune“ („Man“-Rune) handele. Diese sei offenbar bewusst gewählt worden, weil sie angeblich „ein Zeichen des Deutschen Volkes seit über 2.000 Jahre(n)“ darstelle. Eine Begründung die allerdings höchst zweifelhaft erscheint, da sich tatsächlich weder im „Heiligen Römischen Reich (Deutscher Nation)“, welches als erstes deutsches Staatengebilde vom 10. Jahrhundert bis 1806 existierte, noch im „Deutschen Kaiserreich“ (1871 bis 1918) Belege für die Nutzung dieser Rune finden. Erst im nationalsozialistischen „Dritten Reich“ (1933 bis 1945) ist eine breite Verwendung der „Lebensrune“ belegbar. Dort wurde sie beispielweise in der „NS Frauenschaft“ und in der Hitlerjugend (HJ) sowie (gemeinsam mit der „Todesrune“) als genealogisches Symbol in Todesanzeigen oder auf Grabanlagen verwendet. Der auffällig breiten Verwendung der Rune im Nationalsozialismus dürften dabei vor allem ideologische Motive zu Grunde liegen. Es sollte eine historische Kontinuität zwischen der (nationalsozialistischen) deutschen „Volksgemeinschaft“ und seiner vermeintlichen germanischen Wurzeln konstruiert werden.
Das vielfach kaum historische Quellen zum Runen-Alphabet sowie zu den Germanen im Allgemeinen vorlagen, störte dabei offenbar wenig. Es wurde einfach auf das Wissen ideologisch bequemer Scharlatane zurückgegriffen. Ein Beispiel hierfür ist der Österreicher Guido von List (1848–1919). Er gilt als „Erfinder“ der „Lebensrune“. List, der auch als Vorkämpfer der völkischen Bewegung und Begründer der rassistisch-okkultistischen Ariosophie angesehen wird, orientierte sich dabei weniger am wissenschaftlichen Stand der Sprachforschung zu den historisch verbürgten Runenalphabeten, sondern erfand mit seinem „Armanen-Futhark“ einfach sein eigenes Runen-ABC. Diesem lieferte List auch gleich seine ausgedachten esotherischen Deutungen mit. In der „Lebensrune“ bzw. „Man-Rune“, sah er beispielweise das „geheiligte Zeichen der Fortpflanzung des Menschengeschlechtes“. Sein Armanen-Futhark sowie seine Runendeutung wurden später von der so genannten „Thulegesellschaft“, von denen einzelne Mitglieder wiederum einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Parteisymbolik der NSDAP hatten, übernommen.
Die heutige Verwendung des Begriffs „Lebensrune“ hat somit nicht nur eine eindeutige Tendenz, sondern kann auch als ein Indiz für die Öffnung des „Bürgerbündnisses Havelland e.V.“ gegenüber völkischen Ideologien, mindestens aber Ideologiefragmenten angesehen werden.
Stagnation am extrem rechten Rand
Ein neues Publikum hat sich die Vereinigung damit jedoch bisher noch nicht erschlossen. Zu den Versammlungen des rechten „Bürgerbündnisses Havelland e.V.“ kommen konstant – so auch heute wieder – ca. 25 Personen. Neben Mitgliedern und Sympathisanten der veranstaltenden Vereinigung sind dies auch Einzelpersonen der Untergruppe „NS Havelland“ sowie aus Berlin angereiste Akteure der extremen Rechten. Letzt genannte können dem Spektrum des „BÄRGIDA e.V.“ sowie der „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ zugeordnet werden. Beide Vereinigungen werden vom Verfassungsschutz des Landes Berlin beobachtet. Im aktuellen Berliner Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2015 werden sowohl „BÄRGIDA e.V.“ als auch die „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ als islamfeindliche Mischszenen im Bereich des Rechtsextremismus erwähnt.
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