ANSDAPO – gewalttätige rechte Kameradschaftsstruktur
Die Kameradschaft „Alternative Nationale Strausberg Dart‑, Piercing- und Tattoo-Offensive“ wurde 1998 von Rene Berger gegründet, um die vorher eher als lose Cliquen ansäßigen Nazis in Strausberg zu organisieren. Unterstützung bekam er dabei von Daniel Hermann. Beide konnten dabei auf eine große Zahl Jugendlicher aufbauen, die bereits rechtes Gedanken gut hatten und Linke, Migrant*innen und vermeintlich Andersdenkende regelmäßig angriffen. Auch das linke Zentrum Horte, Vereinsräume des Alternatives Jugendprojektes 1260 e.V. war zu diesem Zeitpunkt öfter Ziel von Angriffen aus dem Spektrum dieser rechten Jugendlichen.
1998 kam Berger gerade aus dem Gefängnis frei, in dem er seit 1994 wegen des Mordes an Hans Georg Jakobson saß. Als Haupttäter wurde er zu 8 Jahren Haft verurteilt, die beiden damaligen Neonazis und Mittäter Henry Günther und Thomas Domke zu jeweils 6 Jahren. Während seiner Haft wurde Berger durch die Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene (HNG) betreut. Bereits 1998 kam Berger – offiziell wegen guter Führung – jedoch wieder frei und begann prompt mit dem Aufbau rechter Strukturen in der Region. Seine damalige Partnerin Ilona Hermann, Mutter der Neonazis Daniel und Kay Hermann stellte die gemeinsame Wohnung für Nazi-Treffen zur Verfügung. Die Wohnung lag in Strausberg Vorstadt. Das Eckhaus in der Bahnhofstraße/Ernst-Thälmann-Straße wurde auch Jahre darüber hinaus von Nazis bewohnt. Die Aktivitäten der frischen Kameradschaft waren vielfältig. So beteiligten sich u.a. Rene Berger an einem Infostand der NPD in Strausberg, in dem er als Ordner auftrat. Auch Konzerte wurden organisiert, wie im November 1998. Hier waren Nazis der Berliner Blood&Honour Strukturen vor Ort, zu denen Berger und Hermann Kontakte aufgebaut hatten. Der Erlös des Abends ging an die HNG.
Die Nazis sammelten und trafen sich an verschiedenen Orten in Strausberg Vorstadt und nutzen auch die Jugendclubs „PIO“ und „Domizil“ als Anlauf- und Treffpunkte. In den folgenden Jahren beteiligten sich regelmäßig Nazis aus dem ganzen Landkreis und Städten wie Eberswalde, Fürstenwalde oder Eisenhüttenstadt an Angriffen in Strausberg – meist mit verschiedenen Schlagwaffen ausgerüstet. Dies zeigt zum einen, welche Strahlkraft die ANSDAPO im Landkreis Märkisch-Oderland hatte, aber auch, wie vernetzt die Neonazis waren. Ein besonderer Fokus muss hierbei auf die Kontakte zur Berliner Band Landser gelegt werden, die zu diesem Zeitpunkt schon als kriminelle Vereinigung eingestuft wurden.
Die ANSDAPO trat sehr elitär auf und Anwerber mussten stets ein Aufnahmeritual über sich ergehen lassen. Dies führte zwar dazu, dass die Mitgliederzahl relativ gering war, dafür die Mitglieder aber oft steile Gewalt- oder neonazistische Karrieren vorweisen konnten. Wie Falco Hesselbarth, dessen Mutter Liane Hesselbarth für die DVU kandidierte, oder Björn Zander, der seit 1995 mehrere gewalttätige Übergriffe und Raube zu verantworten hat und schon mehrmals in Haft saß. Als Symbolik nutzte die Kameradschaft eine gelb eingefärbte schwarze Sonne. Der Schriftzug ANSDAPO wurde in Frakturschrift geschrieben. Im Laufe der Zeit haben sich die ANSDAPO-Mitglieder und ihr Umfeld vielfältigen Merchandise mit der Symbolik bedruckt und angeeignet. Ansonsten traten die sie im Stiefelnazi- und Skinheadstyle der 90er Jahre auf.
2004 nahmen mehrere Mitglieder der ANSDAPO an Aktionen des Märkischen Heimatschutzes (MHS) teil, dessen damaliger Ansprechpartner der Strausberger Sebastian Schmidtke war.
2005 kam das Verbot der ANSDAPO wegen der geistigen Nähe zum Nationalsozialismus [1]. Es folgten 19 Hausdurchsuchungen, sowie eine Zellendurchsuchung des bereits inhaftierten Zanders. Gefunden wurden Waffen (auch eine Schusswaffe), Propagandamaterial und Datenträger [2]. Kurz vor dem Verbot versuchte die ANSDAPO die Kameradschaft noch in eine Vereinsstruktur zu überführen, was dann nicht mehr gelang. 2008 wurde das Verbot rechtskräftig.
Weiterbetätigung nach dem Verbot der ANSDAPO
Das Verbotsverfahren und die damit verbundene Repression hielt die Nazis nicht davon ab, ihr altes Schema fortzuführen. 2008 überfielen die Nazis den Jugendclub Strausberg Vorstadt, der zu diesem Zeitpunkt in Trägerschaft der Alternativen Jugendprojektes 1260 war. Unter den Angreifern waren Sven Wartmann, Daniel Hermann, Kay Hermann und Falco Hesselbarth – alles ehemals Aktive der ANSDAPO. Auch tauchte im Zeitraum 2008/2009 eine CD der Gruppe „Projekt 8.8“ unter dem Titel „Unter blutrotem Banner“ auf, auf der neben diversen Hakenkreuzfahnen auch das Logo der ANSDAPO zu finden ist.
Dennoch konnte im Folgenden eine Abnahme der Aktivitäten und gewalttätigen Angriffe beobachtet werden. Die Mischung aus Repression, aber auch das älter werden und Familiengründungen wirkte. Neben einem langen Vorstrafenregister hatten viele mittlerweile auch Familien und Kinder, welche auch Teil der neonazistischen Subkultur wurden. Einige Akteure verschwanden aber auch von der Bildfläche.
Auch wenn bei den Razzien beim Verbotsverfahren viel Merchandise beschlagnahmt wurde, hatten die Nazis keine Probleme sich ihr Kleidungsrepertoire einfach wieder anzuschaffen. Über den MHS hatten sie Kontakte Christian Banaskewicz, der immer wieder verschiedene neonazistische Versände betrieb. Shirts und Co druckte Banaskewicz selbst im Textildruck Eberswalde in der Freienwalder Straße 80a. Über den Textildruck Eberswalde, der verschieden Merchandise für Rechtsrock-Bands druckte, konnten die Nazis hier alles mit ihren Logos bedrucken. Falco Hesselbarth posiert verschiedene Male als Model für die Kleidung, die Banaskewicz online verkauft. Heute dient die Adresse des ehemaligen Textildrucks in Eberswalde als Impressum für den Online-Versand von der Neonazi-Band „Exzess“.
Rene Berger gehörte zu denen, die das Verbot schlichtweg ignorierten und weiterhin mit Pullovern und T‑Shirt in der Öffentlichkeit auftrat, auf denen das verbotene Logo der ANSDAPO mit Schriftzug zu sehen war. In der Zwischenzeit waren ehemalige Mitglieder der ANSDAPO auch immer wieder als Security in der Stadt Strausberg oder bei Dorffesten der umliegenden Dörfer eingesetzt. So trat Daniel Hermann nicht nur bei Dorffesten in Zinndorf auf, wo er mittlerweile hingezogen ist, sondern auch bei Feiern der Stadt Strausberg im Auftrag der Firma „One Security“.
Da die ANSDAPO sich auch regelmäßig im öffentlichen Raum traf oder Privatwohnungen nutzte, konnte das Verbot den Treffpunkten nichts anhaben. Einer dieser Orte bildete der Hof von Daniel Hermann in Zinndorf. Dieser wurde nicht nur zum „Herrentag“ regelmäßiges Ziel von gemeinsamen Ausflügen, auch zu anderen Anlässen fanden sich dort immer wieder Neonazis ein, teilweise reisten diese auch überregional an. Auch an den gemeinsamen Fahrten nach Berlin, um gemeinsam mit Michael „Lunikoff“ Regener einen trinken zu gehen, hat sich bis heute wenig geändert. Außerdem waren und sind die Nazis regelmäßig in ihrer Stammkneipe in Strausberg Vorstadt anzutreffen — heute unter dem Namen “Gaststätte zur Endstation” und immer noch Anlaufpunkt für die Nazis. Hier konnten sie auch aktiv junge Neonazis an werben. Um Dominik Schiöberg und Kevin Jenning gab es eine Gruppe von ca. 5 Personen, die dem Jungsturm angehörten. Der sogenannte Jungsturm sollte die Jugendorganisation der ANSDAPO sein und trat mit einem ähnlichen Logo auf. Aufmerksam machte die Jugendorganisation von sich, als sie unter Beteiligung von Rocco Meihs eine antifaschistische Gedenkkundgebung stören wollten. Dominik Schiöberg versuchte sich nach seinem Schulabschluss als Security und begann eine Ausbildung. Wie andere Neonazis auch, arbeitete er bei „One Security“. Nachdem seine neonazistischen Aktivitäten öffentlich gemacht wurden, musste er die Ausbildung abbrechen und wurde Fleischer. Mittlerweile arbeitet er gemeinsam mit Kevin Jenning im REWE Supermarkt in Rehfelde. Rocco Meihs arbeitet als Krankenpfleger in Strausberg.
Wiederbelebung der ANSDAPO als AO Strausberg
Seit 2015 agieren ehemalige Mitglieder der ANSDAPO und des „Jungsturm“ unter dem Namen „AO Strausberg“. Wie schon die ANSDAPO sie als vermeintliche Rocker auf, tragen Kutten und Motorradbekleidung. Auf diesen findet sich auch das ehemalige Logo der ANSDAPO, nun mit AO Strausberg in Frakturschrift. Am Skinhead-Outfit hat sich bei den Mitgliedern seit den 90er Jahren meist wenig verändert. Es zeigen sich enge Vernetzungen zu weiteren rechten und neonazistischen Gruppierungen. Bei den rechten BraMM-Demonstrationen 2015 kamen die Mitglieder geschlossen und traten martialisch auf. Auf der von Lars Günther (heute Brandenburger MdL für die AfD) organisierten rassistische Demonstration im Dezember 2015 in Strausberg Vorstadt stellte die AO Strausberg die erste Reihe [3]. Mit dabei waren Kevin Jenning, Tino Burkart, Markus Hickstein, Rene Berger, Rocco Meihs, Dominik Schiöberg und weitere. Björn Zander fuhr den Lautsprecherwagen. Dass die AO bei der Demo eine tragende Rolle einnahm, hängt mit ihren Kontakten nach Bad Freienwalde zusammen. Schon bei den Kundgebungen, die Lars Günther in Bad Freienwalde organisierte, vermittelte Robert Gebhardt Kontakte in die organisierte Naziszene, die dort Ordner*innen stellt. So dann auch in Strausberg. Gebhardt war selbst mit einigen anderen Nazis aus Bad Freienwalde bei der Demo anwesend. Gebhardt als Kader der Kameradschaft Märkisch-Oder Barnim (KMOB) pflegte schon lange vorher Kontakte mit Strausberger Neonazis. 2010 organisierte die KMOB nicht umsonst eine ihrer Demos auch hier in Strausberg.
Auch nahmen Zander und zwei weitere an einer rassistischen Demonstration in Frankfurt (Oder) im Februar 2016 teil [4]. Die rassistischen Mobilisierungen dieser Zeit scheinen der Startpunkt für eine erneute straffe Organisation der Nazis gewesen zu sein, die seit dem Verbot der ANSDAPO nicht mehr als nach außen offen erkennbare Struktur auftraten. 2016 kam es durch Björn Zander zu einem Angriff auf einen alternativen Jugendlichen in der Strausberger Altstadt. [5]
Auffällig ähnlich der ANSDAPO ist auch die Nähe zur rechten Musikszene, wie sie in Strausberg durch die Neonazi-Band „Exzess“ rund um Tobias Vogt gegeben ist. Es ist davon auszugehen, dass die Bandmitglieder Daniel Köhring und Patrick Alf, die beide ihre Jugend in Strausberg und Umgebung verbracht haben, im Fahrwasser der ANSDAPO politisiert wurden. Übrigens schmückte das Demo-Album von Exzess aus dem Jahre 2009 eine Schwarze Sonne auf dem Cover. Das Alf 2008 für die DVU antrat, zu der die ANSDAPO enge Verbindungen hatte, muss da kein Zufall sein. Auch zu Enrico Hoffmann alias Onkel Spider haben die Mitglieder der AO gute Kontakte. Exzess warb 2016 damit, sich bei Hoffmann das Bandlogo tätowieren zu lassen. Sein Studio „Final Solution“ liegt in Grünheide bei Erkner. Hoffmann tauchte auch bei den rassistischen Mobilisierungen 2015/16 in Strausberg auf.
2017 sind mehrere Mitglieder der AO Strausberg, darunter erneut Björn Zander, auf dem „Rock gegen Überfremdung“ in Themar dabei [6] . Außerdem machte die AO Strausberg 2017 Saalschutz und Getränkeverkauf bei einem Konzert der rechten Band „Feuer Frei“. In dieser ist Kai Hasselmann aus dem Barnim aktiv. Andere Mitglieder kommen auch aus dem Barnim und treten mit Kutten der Bruderschaft Barnimer Freundschaft auf. Auch dies ist eine Verbindungslinie der ANSDAPO zur heutigen AO. Hervorzuheben ist hier insbesondere die Nähe zu Patrick Krüger. Dieser ist nicht nur Teil von Barnimer Strukturen wie der „Sturmgruppe 44“ in der auch Hasselmann aktiv ist, sondern er besitzt direkte Kontakte nach Strausberg und Umgebung. Eine enge Freundschaft hegt er mit dem in Eggersdorf wohnenden Marcel Thorn. Dieser wiederum steht mit der AO Strausberg in Kontakt. Dass Krüger aber direkt nach Strausberg Kontakte hat, zeigen seine Anwesenheit bei Konzerten und freundschaftlicher Umgang mit Exzess. Auch er war bei einer BraMM Demonstration anwesend.
Die AO besitzt in Strausberg Vorstadt Räumlichkeiten, wo sie kleinere Feiern und Konzertabende durchführen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Ort auch als Lager für den eigenen Merch in Form von T‑Shirts und Kutten genutzt wird.
Das einheitliche Auftreten als Gruppe der gleichen Personen mit dem gleichen Logo weisen neben den ähnlichen Aktivitäten stark darauf hin, dass es sich bei der AO Strausberg um eine Nachfolgeorganisation der ANSDAPO handelt. 2018 tauchten Mitglieder der AO Strausberg mit T‑Shirts mit der Aufschrift „20 Jahre AO Strausberg“ auf, wobei sich hier wohl eher auf das Gründungsdatum der ANSDAPO bezogen wird. Auch an anderer Stelle verwiesen die Mitglieder der AO auf das Jahr 1998, so wird zu der Buchstabenkombination AO SRB auch gerne die 98 dazu gefügt. Entgegen der früheren ANSDAPO sind die Kameraden der AO weniger auf öffentlich wirksame Aktionen aus und fröhnen stärker dem NS-Lifestyle. Dennoch ist diese Gruppe nicht zu unterschätzen, wie der Angriff 2016 durch Björn Zander zeigte. Immerhin gehören ihr mehrfach verurteile Gewalttäter und Mörder an.
Zuletzt waren Mitglieder der AO Strausberg vermutlich beim dezentralen „Heldengedenken“ in Form eines Fackelmarsches des III.Weg im November 2020 in Strausberg dabei. Hier ist zu vermuten, dass sich aufgrund der gemeinsamen politischen Ziele auch personelle Überschneidungen ergeben.
Unklar ist, warum der Verfassungsschutz und das Land Brandenburg, denen diese Parallelen und Aktivitäten auch bekannt sind, bisher nicht aktiv werden und die AO Strausberg als Nachfolgeorganisation der ANSDAPO verbieten. Vielleicht ist hier der Schutz von V‑Männern wichtiger als das Durchgreifen gegen gewaltbereite Neonazis?
[1] https://www.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=218298
[2] https://www.pnn.de/ueberregionales/schlag-gegen-rechtsextreme-kameradschaft-hatte-ansdapo-kontakte-zur-dvu/22407330.html
[3]https://inforiot.de/lars-guenther-rechter-netzwerker-verschwoerungstheoretiker/
[4] https://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/24524347853/in/album-72157664739496581/
[5] https://inforiot.de/bericht-der-borg-zum-angriff-auf-einen-alternativen-jugendlichen-in-strausberg/
[6] https://exif-recherche.org/wp-content/uploads/2017/12/063–15.07.2017-Themar.jpg
[7] https://inforiot.de/iii-weg-inszeniert-heldengedenken-in-strausberg/