Gegen die Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstands — Nazis entgegentreten!
Antifaschistische Demonstration am 24.9.2005 um 15.30 Uhr am Hauptbahnhof Potsdam
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(KP Berlin) Am Abend des 6. August wurden sechs Flüchtlinge von fünf Personen beschimpft und beleidigt. Darauf wichen sie den Nazis auf das Gelände des
Asylbewerberheims aus, aber diese verfolgten sie, schlugen einen Mann zu
Boden
und traten ihn krankenhausreif. Potsdam ist während dieses Sommers zum
Schauplatz massiv ansteigender Neonazi-Gewalt geworden. Hintergrund der
Eskalation ist die enge Zusammenarbeit von Nazis aus Potsdam und Berlin. Als
im
April dieses Jahres eine Serie von Strafprozessen gegen militante
FaschistInnen
mit einer Verhandlung wegen eines Brandanschlags auf ein antirassistisches
Konzert in Königs Wusterhausen begann, sahen sich antifaschistische
ProzessbesucherInnen erstmals mit einer Mixtur aus 30 bis 50 “Freien
Nationalisten” und Nazi-Hools konfrontiert, von denen sie an den folgenden
Prozesstagen regelmäßig fotografiert, bedroht und auch angegriffen wurden.
Diese Nazi-Gruppe ist seitdem für eine Reihe von Überfällen auf
AntifaschistInnen, MigrantInnen und alternative Jugendliche im Potsdamer
Stadtgebiet, aber auch in Berlin verantwortlich.
Die Potsdamer Mischung
Während der Babelsberger Live-Nacht am 21. Mai wurden alternative
Jugendliche
von einem zehnköpfigen bewaffneten Nazimob durch den Stadtteil gejagt und
geschlagen. Am 11. Juni griffen gegen Mitternacht etwa 20 Nazis die
verbliebenen BesucherInnen des HipHop-Festivals “Ghettogether” am Schlaatz
an.
Nachdem ein angekündigter Angriff auf das antirassistische Stadionfest am
18.
Juni zunächst ausgeblieben war, wurden abends in einer Straßenbahn zwei
Besucher von etwa 15 Nazis attackiert, wobei einem Opfer ein Zahn
ausgeschlagen
wurde. Nachdem sie die Notbremse gezogen hatten fielen aus einer Straßenbahn mitten in der Stadt ebenfalls etwa 15 Rechte am 3. Juli über zwei Erwachsene her, zerschlugen eine Bierflasche auf dem Kopf des einen, sprangen auf dem
Ohnmächtigen herum und verletzten den zweiten schließlich mit der
abgeschlagenen Flasche im Gesicht, wobei sie seine Halsschlagader nur knapp
verfehlten. Eine umfangreiche Chronologie der Übergriffe, aus der hier nur
ein
Ausschnitt beschrieben wurde, findet sich auf der Website des Vereins
Jugend
engagiert in Potsdam.
Die TäterInnen gehören alle dem selben Personenkreis an, dessen Angehörige
sich
hauptsächlich aus der “Anti-Antifa Potsdam”, den verbotenen Berliner
Kameradschaften “Tor” und “BASO” (Berliner Alternative Süd Ost) sowie einer
Reihe noch aus den 90er Jahren bekannten Potsdamer Nazischlägern rekrutiert.
Diese Tendenz war spätestens seit dem letzten Jahr und dem Rechten-Aufmarsch
am
30. Oktober 2004 zu beobachten. Doch offenbar erst ihre regelmäßige
Mobilisierung zu den Naziprozessen führte zu dem Organisationsgrad, mit dem
die
Nazis zur Zeit in Potsdam auftreten. Ihre Namen und Strukturen sind
weitgehend
bekannt.
Die wichtigsten Figuren aus dem Kreis der Potsdamer NS-Verehrer sind die
Anti-
Antifa-Fotografin Melanie Witassek, Tom Singer, Robert Meyer, Oliver Kalies, Julia Müller, Sven Lisch, Daniel Kolibius, Enrico Paul, Benjamin Oestreich
und
Michael Gent.
Diese Leute haben beste politische und auch eine Reihe persönlicher
Verbindungen zur Berliner Kameradschaftsszene, speziell zu den Mitgliedern
der
verbotenen Kameradschaften “Tor” und “BASO”, die sich nun infolge des
Verbots
Potsdam zur Spielwiese erkoren haben. Besonders Oliver Oetzel alias Norman
Dietrich von der KS Tor nebst deren ebenfalls verbotener “Mädelgruppe” sowie Rene Bethage und Sebastian Glaser von der BASO zieht es regelmäßig hierher.
Aus
Berlin sind weiterhin Gabriel Landgraf, Betreiber der Website “Berliner
Infoportal”, Sebastian Schmidtke vom “Märkischen Heimatschutz” und der
ehemalige Potsdamer Danny Leszinski, der inzwischen wegen des Überfalls auf
das
Vereinshaus des Chamäleon e.V. an Silvester 2003 verurteilt wurde,
regelmäßig
dabei.
Zu dieser unappetitlichen Mischung gesellen sich obendrein eine Reihe
altbekannter Nazischläger aus den 90er Jahren, von denen allgemein
angenommen
worden war, dass sie sich im kriminellen Milieu breitgemacht und zumindest
in
politischer Hinsicht nicht mehr von Belang seien. Dazu gehören der
inzwischen
schwer gealterte Marcus Schiller, Sebastian Tornow, Matthias Rettcke und
André
Obst. Zusammengehalten wird dieser Haufen anscheinend von dem Willen,
Potsdam
mittels ordinärer Straßengewalt zu einer “national befreiten Zone” zu machen -
ein Anliegen, dass hier zum Glück schon einmal scheiterte.
Konformisten als Rebellen
Auffällig ist seit einiger Zeit die teilweise bizarre, offenbar dem linken
Dresscode der 90er Jahre abgekupferte Antifa-Kostümierung, mit der die
“Autonomen Nationalisten” seit einiger Zeit versuchen, subkulturelle
Anbindung
an Jugendliche zu finden, die von der objektiven Hässlichkeit und
archaischen
Grobschlächtigkeit des bekannten Naziskins eher abgeschreckt werden. Leider
sind sie mit dieser Art “systemoppositionellem Chic” nicht ganz erfolglos,
jedenfalls zieht die “Anti-Antifa Potsdam” Rekruten unter HipHoppern und
geht
unerkannt und unbehelligt z. B. im Waschhaus ein und aus, das ansonsten eher
von alternativem und studentischem Publikum frequentiert wird. Aber auch die
identitäre Kollektiv-Ideologie, mit der sie sich als Alternative zu dem von
niemandem geliebten Kapitalismus ausgeben, wurde sprachlich der linken
Rhetorik
angepasst: “Antikapitalismus”, “Antistaatlichkeit”, “revolutionäre
Perspektive”
und Anti-Hartz-Protest sind mühelos in der völkischen Ideologie integriert.
Den
hiesigen Anti-Hartz-Demos sind die Potsdamer Nazis zwar ausgewichen, dafür
fuhren sie aber nach Magdeburg. Dort war es den Nazis durch überregionale
Mobilisierung gelungen, diese Demos zu dominieren und teilweise zu
vereinnahmen.
Deutlicher als zuvor ist solchen Umklammerungsversuchen zu begegnen mit der
Klarstellung des unvereinbaren Widerspruchs zwischen autoritärer
Volksgemeinschaftsideologie und emanzipativer Gesellschaftskritik.
Die Gewalttätigkeit, mit der die Nazis zur Zeit in Potsdam vorgehen und auf
die
andernorts inzwischen zugunsten gesellschaftlichen Raumgewinns zumindest
teilweise verzichtet wird, scheint eine Art Kompensation für ihre politische
Bedeutungslosigkeit in der Stadt zu sein. Ganz sicher sind die
“Anti-Antifas”
nicht einmal mit Wahlerfolgen der DVU in Zusammenhang zu bringen. Ihre
Gefährlichkeit besteht vielmehr einerseits natürlich in ihrer unmittelbaren
Brutalität gegenüber einzelnen, andererseits zeigen sie sich aber auch als
zeitgemäßer Prototyp der blind und ohnmächtig um sich schlagenden,
ideologisch
größenwahnsinnig gemachten Bande von Frustrierten, der mit der sich
ausweitenden gesellschaftlichen Krise noch zu bedrohlicher
gesellschaftlicher
Attraktivität kommen könnte.
Preußens Gloria
Der staatlicherseits inszenierte Aufstand der Anständigen, der schon seinem
Anspruch und seiner Diktion nach eine Unverschämtheit gewesen ist, hat sich
im
Kampf gegen den Neonazismus erwartungsgemäß blamiert. Die Regierenden gaben
sich mit durchsichtiger Motivation als Zeremonienmeister eines
gesellschaftlichen Unmuts, der sich aber schon inner- und unterhalb der
Ebene
kommunaler Verwaltung nirgends recht regen wollte. Die mit den Mitteln
moderner
Reklame und professionellen Managements aufgeführten Massenkundgebungen
gerieten intendiertermaßen selbst zu
“Deutschland-einig-Vaterland”-Aufmärschen.
D
ie Zivilgesellschaft, eine aus Altlinken und SozialarbeiterInnen notdürftig
zusammengestoppelte Vogelscheuche gegen rechts, stand auf und setzte sich
wieder.
Die staatliche Alimentierung einiger lokaler Initiativen, die tatsächlich
mühsam und teilweise erfolgreich Arbeit gegen den Rechtsextremismus leisten
oder wenigstens den Opfern der Nazis Betreuung zukommen lassen, wird
inzwischen
Schritt für Schritt eingestellt.
Das offizielle Potsdam, das zu jeder Gelegenheit seinen irren Stolz auf die
hier angeblich herrschende preußische Toleranz heraushängen lässt, zeigt
beispielhaft, wie ein antifaschistischer Aufstand zur Rettung des
touristischen
Images auszusehen hat: von der Ignoranz bis zur Verharmlosung der Nazis, von
der Ursachensuche bei den Opfern bis zur Verwischung und Verkehrung des
Täter-
Opfer-Verhältnisses, von der Denunziation der Linken bis zur
Kriminalisierung
antifaschistischen Widerstands tauchen die Elemente staatlichen Umgangs mit
dem
Problem rechtsradikaler Gewalt wie alte Bekannte aus den frühen 90er Jahren
wieder auf. Die völlig übertriebenen SEK-Einfälle in die Räumlichkeiten des
Chamäleon e.V., das Hausprojekt Zeppelinstraße 25 sowie in weitere Objekte
zeugen davon.
Als das Totschweigen der Eskalation der Nazigewalt angesichts der
Verhältnisse
in Potsdam nicht mehr möglich war, nahmen Polizei und Staatsanwaltschaft
einen
leichtverletzten Neonazi zum Anlass, fünf Jugendliche des versuchten Mordes
zu
bezichtigen. Aus diesem selbsterdachten Mordversuch erfanden sie das
Schreckbild eines überhand nehmenden Linksextremismus, dem nur mit
strengster
Repression zu begegnen sei — ein im Lichte der unzweideutigen Sprache, die
allein die Statistik spricht, geradezu verrücktes Phantasma.
Die Lokalpresse
nahm dieses Konstrukt dankbar auf und schmückte es in eigener Initiative
phantasiereich aus, wobei dem Potsdamer Naziterror nur eine Rolle als Teil
einer von links in Gang gesetzten “Gewaltspirale” zufiel. Eine der fünf
beschuldigten AntifaschistInnen sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft,
zwei
andere sind nur auf Kaution auf freiem Fuß.
Was gemeint sein muss, wenn Preußen von Toleranz sprechen, zeigt das
schreiende
Missverhältnis, in dem dieser Repressionsexzess zum Umgang mit den Nazis
steht,
die an dem äußerst brutalen Überfall auf die zwei Erwachsenen am 3. Juli
beteiligt waren. Die Polizei fasste zwar einige der Täter, deren U‑Haft
wurde
jedoch außer Vollzug gesetzt. Sie sehen sich lediglich mit dem Vorwurf einer
schweren Körperverletzung belastet.
Die antifaschistische und alternative Linke der Stadt sorgte bislang dafür,
dass Potsdam im Vergleich zu den braunen no-go-areas des überregional
berüchtigten Brandenburger Umland eine weitgehend ruhige und sichere Insel
für
die üblichen Zielgruppen rassistischer und rechtsradikaler Gewalt geblieben
ist. Diese Situation ist durch die Ereignisse der vergangenen Monate einer
bedrohlichen Gefährdung ausgesetzt.
Wir sind jedoch fest entschlossen, dies nicht zuzulassen. Wir werden nicht
dulden, dass Nazis sich eine Hegemonie auf den Straßen und in den
kulturellen
Einrichtungen schaffen, dass MigrantInnen, Obdachlose oder nach welchen
Kriterien auch immer sich in den Augen der Faschisten als “undeutsch”
ausweisende Menschen sich in den Stadtvierteln nicht mehr sicher bewegen
können. Es ist höchste Zeit für eine antifaschistische Demonstration!
Antifa heisst Angriff!
Faschisten bekämpfen!
Eine Initiative von: AK Antifa Potsdam, Kritik & Praxis [KP] Berlin.
Unterstützt durch: Antifaschistische Linke Potsdam, Antifa Friedrichshain,
AJAK / U7, Naturfreunde jugend Berlin, Opferperspektive e.V., AG
Antifaschismus Uni Potsdam, Jungdemokratinnen/Junke Linke Brandenburg,
Antifa Aktion Potsdam AAPO, Bündnis Madstop, Antifa A&K Göttingen.
Repression in Berlin
Spendenaufruf
Am Morgen des 6. Juli ließ die neugegründete SOKO “Links-Rechts-
Auseinandersetzungen” der Berliner Polizei ihre maskierten Kollegen vom
“Mobilen Einsatz-Kommando” (MEK) von der Leine. Diese drangen in insgesamt
15
Wohnungen und Büros in Berlin und dem Umland ein, schlugen Wohnungs- und
Zimmertüren ein und verletzten einen Unbeteiligten. Nachdem die
Bewohnerinnen
gefesselt auf dem Boden lagen, überließ das MEK die Wohnungen den
LKA-Kollegen,
von denen die Wohnungen durchsucht und zwei Dutzend PCs, Klamotten, ein Auto
und vieles andere mehr beschlagnahmt wurden.
Dieser seit Jahren umfangreichste Repressionsschlag gegen Antifas in Berlin
wurde mit Ermittlungen wegen “gemeinschaftlicher gefährlicher
Körperverletzung”
an zwei Nazis begründet, die angeblich Opfer einer antifaschistischen
Attacke
geworden seien. Ein Überwachungsvideo des Ostbahnhofes, auf dem nicht
identifizierbare S‑Bahnfahrer zu sehen sind, dient dabei als
Belastungsmaterial.
Am Tag nach den Hausdurchsuchungen kam es zu einer Solidemo in
Friedrichshain,
auf der Teilnehmerinnen von Bullen angegriffen und mit Tonfas
niedergeschlagen
wurden. 18 Antifas wurden festgenommen.
Die von der Repression betroffenen Antifas brauchen jetzt vor allem eins:
Solidarität!
Ermittlungsverfahren sind teuer: Anwältinnen wollen bezahlt, Wohnungstüren
ersetzt werden. Spendet auf das Solikonto, kommt zu den Solipartys für die
Betroffenen.
Spendenkonto für Soliarbeit
Klaus Schmidt
Kontonummer: 20610–106
Postbank Berlin
BLZ 100 100 10
Stichwort: EA, 6 Juli
Julia muss aus dem Knast raus!
Spendenaufruf
Nunmehr seit über zwei Monaten sitzt Julia aufgrund eines haltlosen Vorwurfs
im
Knast. Dieser lautet: “Versuchter Mord”. Ihr wird von der Staatsanwaltschaft
Potsdam vorgeworfen am 18. Juni 2005 an einer angeblichen Schlägerei
beteiligt
gewesen zu sein, in dessen Verlauf ein junger Rechter vermeintlich zu
Schaden
kam. Zwei Tage nach diesem Geschehen wurde Julia nach der Ausstellung eines
Haftbefehls festgenommen. Dann wurde ihr bei dem ersten Haftprüfungstermin
vom
Gericht nahegelegt sich zu den Anschuldigungen zu äußern. Nur weil sie von
ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat sitzt sie bis heute im
Gefängnis.Wir verurteilen diese Gesinnungsjustiz und fordern die sofortige
Freilassung von Julia.
Doch diese Unterstützung kostet Geld. Daher benötigen wir dringend Spenden
auf
folgendes Konto:
Kontoinhaber: Rote Hilfe e.V. Potsdam
Kreditinstitut: Postbank Stuttgart
BLZ: 600 100 70
Kontonummer: 151907703
Verwendungszweck: Knastsoli
Termine rund um die Demo
16.09.05
17.09.05
DnB-Soliparty im Black Fleck
24.09.05
Aftershowparty mit Konzert und Disko (achtet auf Ankündigungen.)
29.09.05
Ab 21 Soli-Tresen mit Vokü in der Köpi (Köpenickerstr. 137, Berlin, am Ostbahnhof)
30.09.05
Solikonzert und Disko im Archiv Potsdam
14.10.05
Ab 20 Uhr Punk-Konzert im Drugstore (Potsdamer Str. 180, Belrin, am U‑Bahnhof Bülowstraße)