Konferenz der Flüchtlingsinitiative Brandenburg
11. bis 12. Juni 2004
Potsdam
Friedrich-Ebert-Strasse 04
Straßenbahn 92 (Kirschallee)
Programm
Freitag
10 Uhr Pressekonferenz
12 Uhr Essen
13.15 Uhr Abschiebung/Legalisierung/Aufenthaltsrecht
(FIB, The Voice, FR Brandenburg, Kanak Attak)
Danach:
Situation der Flüchtlinge im Land Brandenburg
Podiumsdiskussion mit Anette Flade (Ausländerseelsorgerin Potsdam), FIB, Chipkarten-Ini, Initiative für Begegnung
Das neue Zuwanderungsgesetz / Die Asylprozedur im Land Brandenburg (Steffen Sauer, Anwalt)
Abendessen
Samstag
8.30 Uhr Frühstück
9 Uhr Regionale Schutzzone /“Lagertour-Kampagne“
(FIB, No Border Bremen, Alliance of Struggle)
11 Uhr Rassismus, Arbeit und Diskriminierung
Podiumsdiskussion (FIB, Elixir‑a, ARI, Opferperspektive)
12.30 Uhr Essen
14 Uhr Demonstration durch Potsdam
Asyl und Menschenrechte für Flüchtlinge
Die Flüchtlingsinitiative Brandenburg hat verschiedene Heime in Brandenburg besucht. Der Bericht ist katastrophal. Die Lebensbedingungen der Asylbewerber verschlechtern sich gravierend, die Zahl der Abschiebungen steigt rasant an und die alltäglichen rassistischen Übergriffe sind alarmierend. Asylbewerber sind Menschen, die von weit her aus ihren Ländern geflohen sind, aus konventionellen Gründen oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände wie Krieg oder Diktatur, aus Furcht vor Verstümmelung oder wegen Zugehörigkeit zu einer anderen politischen Ideologie. Sie befinden sich auf der Suche nach Schutz.
Die Asylbewerberheime
Nach dem Gesetz, welches die Asylantragstellung in Deutschland regelt, haben die Asylbewerber nicht das Recht, sich den Ort, an dem sie Leben wollen, auszusuchen. Außer in außergewöhnlichen Fällen wie ansteckenden Krankheiten bzw im Fall besonderer medizinischer Betreuung werden sie bestimmten Heimen zugewiesen. Der Transfer der Asylbewerber zu den verschiedenen Heimen wird gewöhnlich von der Ausländerbehörde des Landes entschieden. Das Recht auf die Wahl des Aufenthaltsortes ist ein fundamentales Menschenrecht, das vom deutschen Staat permanent mißachtet wird. Die meisten Asylbewerberheime liegen isoliert in Wäldern oder Industriegebieten. Die Öffentlichkeit zu erreichen wird dadurch schwierig,. Die meisten Heime waren früher Militärlager und sind in desolatem Zustand, mit verrosteten Toiletten ausgestattet, wo überall das Wasser durchsickert oder provisorisch zusammengezimmert. Wie im Gefängnis sind am Eingang Kameras installiert, um Ein- und Ausgänge zu registrieren und die Heime sind von Stacheldrahtzäunen und Schranken umgeben. In den Zimmern sind Asylbewerber auf weniger als vier Quadratmetern zusammengepfercht, es gibt keinerlei Intimität, da Heimleitung und Sozialarbeiter beliebig eintreten können ohne anzuklopfen. Regelmäßig werden Briefe geöffnet und wenn sich ein Asylbewerber beschwert, wird er vor Gericht zitiert oder zur Polizei gebracht. Dies alles ist Teil der Einschüchterung.
Aufnahmelager
Die Art und Weise der Befragung bei der Ankunft der Asylbewerber ist nicht sehr professionel, sondern diskriminierend und rassistisch , begleitet von einer schlechten Übersetzung und wirkt sich negativ auf den Asylantrag aus. Ein Großteil der Antragsteller wird sich im Nachhinein darüber bewußt, dass die beim Aufnahmegespräch notierten Angaben nicht wirklich dem entsprechen, was er oder sie gesagt hat. Die Methode der Befragungen sieht keine Berücksichtigung des traumatisierten Zustands der Flüchtlinge vor, es ist keinerlei Vorbereitung auf dieses Gespräch vorgesehen und die sog. Entscheider beziehen keine sozio-kulturellen Unterschiede mit ein, was gerade auf non-verbaler Ebene zu Missverständnissen führt.
Das neue Gesundheitsgesetz
Asylbewerber werden sehr schlecht medizinisch behandelt, außer in Fällen ansteckender oder akuter Krankheiten, bei Schmerzpatienten oder chronischen Krankheiten. Krankenscheine gibt es nur beim Sozialamt. Es ist gängige Praxis, dass sich das Sozialamt bei anhaltenden Beschwerden weigert, Krankenscheine für Spezialisten auszustellen. Die Situation der Asylbewerber: Trauma, Nachgrübeln über Familie und Angehörige im Herkunftsland, den oft schwierigen Fluchtweg und die unzulänglichen Lebensbedingungen in Brandenburg und Deutschland – all dies sind Faktoren, die krank machen. Diese Bedingungen rufen Krankheiten hervor, die von den Autoritäten oft nicht anerkannt oder berücksichtigt werden, da sie als für die Gesellschaft ungefährlich eingestuft werden.
Seit der Gesundheitsreform zahlen einige Asylbewerber 10 Euro Praxisgebühr und ebenfalls einen Beitrag zu Medikamenten in der Apotheke. Manche Ärzte geben ihnen verdorbene Medikamente oder solche, bei denen das Verfallsdatum abgelaufen ist, empfangen sie erst, nachdem alle Deutschen dran waren oder schicken sie nach Hause, mit der Aufforderung, später wieder zu kommen.
Einschränkung des Aufenthaltsrechts
Die Asylbewerber haben nicht das Recht gegen die von der Ausländerbehörde auferlegten Einschränkungen zu verstoßen. Wenn sie den Landkreis verlassen wollen oder müssen, so bedarf es einer Genehmigung zum „Verlassen des Bereiches der Aufenthaltsbeschränkung“. Meist erteilt die Ausländerbehörde diese Genehmigung nicht. Wenn ein Asylbewerber außerhalb der festglegten Zone angetroffen wird, zahlt er/sie eine empfindliche Geldstrafe und muss unter Umständen einige Zeit im Gefängnis verbringen. Dieses besondere Gesetz hat dazu geführt, dass die Polizei ihr Recht zur Personalienkontolle besonders bei Farbigen Menschen missbraucht. Auf Bahnhöfen, Zügen und Straßen werden die Leute, die nicht deutsch aussehen kontrolliert. Viele Asylbwerber werden als Drogenhändler kriminalisiert. 99% der Asylbewerber im Land Brandenburg leben von Sozialhilfe, da sie keine Arbeitserlaubnis haben. Die Sozialhilfe wird beim Sozialamt ausgegeben und besteht großteils aus Gutscheinen oder Chipkarten, mit denen man nur in bestimmten Geschäften und manchmal nur an einer bestimmten Kassen einkaufen kann. Die Leute finden dort nicht immer das, was sie brauchen und bestimmte Waren (Alkohol und Zigaretten) darf man nicht mit den Karten oder Gutscheinen erweben.
Arbeit
Obwohl es ein Gesetz gibt, demnach ein Asylbewerber nach einem Jahr arbeiten darf, wird es nicht angewendet. Etwa 99 % der Asylbewerber haben nur das, was sie zum Essen und Schlafen brauchen. Sie sind also regulär gezwungen, Sozialarbeit für einen Euro pro Stunde zu leisten oder können nicht mehr als zwei Stunden täglich arbeiten. In manchen Heimen sind die Menschen gezwungen, Sozialarbeit in der Stadt zu leisten.
Bildung
Es ist für einen Asylbewerber praktisch unmöglich, sich fortzubilden. Die Ausnahme bilden nur Kinder im schulpflichtigen Alter bis zur 10. Klasse. Diese Kinder, die unter dem selben Status und unter dem selben Dach wie ihre Eltern leben, haben keine Chance mit ihren Studien weiter zu kommen oder gar eine Berufsausbildung zu machen. Ihre Jugend wird verschenkt. Denn kein Asylbewerber darf studieren oder eine Ausbildung machen.
Rassismus
Zusätzlich zu all diesen bereits erwähnten Diskriminierungen und Einschränkungen werden täglich Asylbewerber verbal oder physisch angegriffen. Die Politiker haben hier Tür und Tor für die rassistische Öffentlichkeit geöffnet, die
denkt, dass die Ausländer ihnen die Arbeitsplätze und die Wohnungen wegnehmen würden und nur Steuern kosten.Zusätzlich sind Leute mit nicht deutsch wirkendem Äußeren „befremdlichen Blicken“ ausgesetzt.
Abschiebung
Um das Leiden der Asylbewerber zu krönen, sind sie ständig mit der möglichen Abschiebung konfrontiert, die täglich von der Ausländerbehörde praktiziert wird. Die Behörden zwingen sie, zu den jeweiligen Botschaften zu gehen um Ausreisepapiere zu unterschreiben, die ihre Abschiebung erleichtern. Im Zweifelsfall reduzieren sie das bereits geringfügige Taschengeld, ziehen Identitätspapiere ein und legen Blankopapiere zum Unterschreiben vor. Die Asylbewerber sind hier, weil ihr Leben in den Herkunftsländern bedroht ist!
Wir laden die Öffentlichkeit ein, am Kampf gegen die verschiedenen Formen des Rassismus und die Abschiebungen teilzunehmen , von denen fast alle Asylbewerber in Brandenburg bedroht sind. Wir haben beschlossen, am 11 und 12. Juni 2004 eine zweitägige Konferenz durchzuführen. Am 12 Juni gibt es zusätzlich noch eine Großdemonstration gegen Rassismus, Abschiebung und die sich verschlechternden Lebensbedingungen der Asylbewerber.
FLÜCHTLINGSINITIATIVE BRANDENBURG
EISENHARTSTR.13, 14469 POTSDAM
Tel./Fax: 0331 716499 oder 0177 5155195