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The Sound of the V‑Mann

Es sollte ein gelun­gener deutsch­er Abend wer­den. Ein­ge­laden wur­den die Kam­er­aden für den 20. Juli in einen Bik­er­club nach Berlin-Marzahn, um dort NS-Black-Met­all-Bands wie Magog und Toten­burg zu bejubeln. 


Für die Organ­isatoren, die Weiße Arische Brud­er­schaft, war es eine Möglichkeit, ihre Stel­lung in der Naziszene der Haupt­stadt zu fes­ti­gen und Geld zu ver­di­enen. Doch für die rund ein­hun­dert Recht­en, die der Ein­ladung fol­gten, entwick­elte sich der Abend anders als gedacht. Beamte des Berlin­er Lan­deskrim­i­nalamtes (LKA) been­de­ten unsan­ft das Konz­ert, kon­trol­lierten Ausweise und nah­men drei bekan­nte Neon­azis fest.

 

Zwei von ihnen haben sich über­re­gion­al einen Namen gemacht. Der 27jährige Toni Stadler mit Wohn­sitz in Cot­tbus und Lars Burmeis­ter aus Berlin. Der 33jährige Burmeis­ter kann auf eine zehn­jährige Neon­azikar­riere zurück­blick­en. Anfang der neun­ziger Jahre war er Berlin­er Lan­desvor­sitzen­der der mit­tler­weile ver­bote­nen Frei­heitlichen Deutschen Arbeit­er­partei (FAP). Immer wieder machte er mit recht­en Pro­pa­gan­daak­tio­nen von sich reden. Er trat in der Uni­form der FAP bei Gericht­sprozessen auf, 1992 griff er mit in ein­er Gruppe von Neon­azis im Pren­zlauer Berg in Berlin drei Punks an. Eines der Opfer ver­lor dabei 20 Prozent seines Augenlichts.

 

Burmeis­ter tauchte unter und wurde mit inter­na­tionalem Haft­be­fehl gesucht. Im August 1995 wurde er im nor­wegis­chen Oslo festgenom­men und nach Deutsch­land aus­geliefert. Später scheute der Neon­azi das Licht der Öffentlichkeit und wid­mete sich einem neuen Betä­ti­gungs­feld: recht­sex­tremer Has­s­musik. Die Berlin­er Ermit­tler gehen davon aus, dass Burmeis­ter maßge­blich für die CD »Noten des Has­s­es« des Neon­az­iband­pro­jek­ts White Aryan Rebels ver­ant­wortlich ist.

 

Auf der CD wird unter dem Mot­to »Diese Kugel ist für dich« Michel Fried­man, Rita Süss­muth und anderen Promi­nen­ten mit dem Tod gedro­ht. Darüber hin­aus find­en sich im CD-Bei­heft Fotos von zwei Beamten der Berlin­er Son­dere­in­heit Poli­tisch motivierte Straßenge­walt (PMS).

 

Erste Ermit­tlun­gen der Sicher­heits­be­hör­den gegen die Pro­duzen­ten der CD liefen ins Leere, obwohl sich die White Aryan Rebels in einem Naz­i­fanzine mit ihrer Mit­glied­schaft in mit­tler­weile ver­bote­nen Neon­azior­gan­i­sa­tio­nen brüsteten. Ange­blich fan­den 3 000 Exem­plare der CD einen reißen­den Absatz. Mit der Fes­t­nahme von Burmeis­ter und Stadler am 20. Juli woll­ten die Berlin­er Beamten offen­bar auch die Her­stel­lung und den Ver­trieb von weit­eren 3 000 Stück der CD verhindern.

 

Und einen V‑Mann des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes auss­chal­ten. Denn Stadler, den das Bran­den­burg­er Amt vor mehr als einem Jahr ange­blich ange­wor­ben hat­te, um Infor­ma­tio­nen über die Neon­aziszene in Guben zu beschaf­fen, machte sich im ver­gan­genen Jahr einen Namen als Liefer­ant für Nazipro­pa­gan­da aller Art.

 

Über seinen Laden »Top One« in Guben, der erst vor kurzem in »Hate­crime« umbe­nan­nt wurde, und einen gle­ich­nami­gen Ver­trieb bot er nicht nur Mer­chan­dis­ing­pro­duk­te der White Aryan Rebels an, son­dern auch indizierte CDs. Das Kalkül der Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chützer lautete: Wer bei »Top One« bestellte, sollte automa­tisch in den Dateien der Ermit­tler landen.

 

Schon 1997 wurde Stadler wegen der Ver­wen­dung ver­fas­sungswidriger Kennze­ichen in Berlin zu ein­er Geld­strafe verurteilt, und seit Anfang 2001 ermit­telte auch die Staat­san­waltschaft Cot­tbus gegen ihn und über ein Dutzend weit­er­er Rechter wegen des Ver­bre­it­ens recht­sex­tremer Pro­pa­gan­da. Wie viel Geld er für seine Infor­man­ten­tätigkeit erhielt, ist bis­lang nicht bekan­nt. Klar ist jedoch, dass seine Tele­fo­nan­schlüsse, sein Auto­kennze­ichen und sein Post­fach mit entsprechen­den Sper­rver­merken verse­hen waren.

 

Als Stadler im Mai dieses Jahres ins Fadenkreuz der Berlin­er Ermit­tler geri­et, hätte das auf­fall­en müssen, beschw­eren sich nun die Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chützer und wer­fen den Berlin­er Ermit­tlern vor, auch die Gespräche zwis­chen Stadler und seinem V‑Mann-Führer abge­hört zu haben. Nach diesen Abhör­maß­nah­men seien die Berlin­er Polizis­ten davon aus­ge­gan­gen, dass Stadler, Burmeis­ter und ein säch­sis­ch­er Neon­azi mit guten Verbindun­gen zu CD-Press­werken in der Slowakei und in Ungarn auf dem Konz­ert am 20. Juli in Berlin den Nach­druck der CD »Noten des Has­s­es« aus­liefern wür­den. Tat­säch­lich fan­den die Beamten bei den Haus­durch­suchun­gen bei Burmeis­ter und Stadler zwar jede Menge Pro­pa­gan­da­ma­te­r­i­al und auch CDs, jedoch nicht die zweite Auflage der »Noten des Hasses«.

 

Während Toni Stadler und Lars Burmeis­ter seit dem Konz­ert in Berlin in Unter­suchung­shaft sitzen, eskaliert der Stre­it zwis­chen den Berlin­er und den Bran­den­burg­er Sicher­heits­be­hör­den. Aus­sagen von LKA-Leuten in der Berlin­er Zeitung, wonach die Berlin­er ihren Bran­den­burg­er Kol­le­gen vorhiel­ten, der V‑Mann sei aus dem Rud­er gelaufen und die V‑Männer der Pots­damer Ver­fas­sungss­chützer seien maßge­blich für die hohe Anzahl rechter Straftat­en in Bran­den­burg ver­ant­wortlich, heizten den Stre­it an.

 

Die Bran­den­burg­er war­fen den Berlin­er Behör­den wiederum vor, dilet­tan­tisch vorge­gan­gen zu sein und ein »mit befre­un­de­ten Dien­sten« abge­sproch­enes Ver­fahren, um die Hin­ter­män­ner des Han­dels mit recht­sex­tremer Musik aufzudeck­en, ver­dor­ben zu haben. Weit­ere Beschw­er­den mussten sich die Berlin­er anhören, als bekan­nt wurde, dass Berlin­er Polizeibeamte auch die Woh­nung eines Gewährs­man­nes des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes durch­sucht hat­ten und dass bei der Berlin­er Jus­tiz ein Ermit­tlungsver­fahren wegen Strafvere­it­elung und wegen der Ver­bre­itung ver­fas­sungswidriger Pro­pa­gan­da gegen den V‑Mann-Führer von Stadler anhängig ist.

 

Doch der Vor­wurf, V‑Männer baut­en mit Geld vom Staat die Struk­turen erst auf, die die Ermit­tlungs­be­hör­den dann bekämpfen, lässt sich keineswegs auf Bran­den­burg beschränken, wie auch das NPD-Ver­botsver­fahren zeigt. Wed­er auf Berlin­er noch auf Bran­den­burg­er Art dürfte dem Geschäft mit der Has­s­musik ein Ende bere­it­et werden.

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