KLEINMACHNOW Die PDS-Fraktion forderte in der Sitzung der Gemeindevertretung
am Donnerstagabend den CDU-Abgeordneten Fred Weigert auf, sein Mandat
niederzulegen. Zuvor hatte die PDS gemeinsam mit SPD und Lokalunion/Pro
Kleinmachnow einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, um “Schaden von der
Gemeinde abzuwenden”. Thema: “Der Umgang Kleinmachnows mit dem 60. Jahrestag
der Befreiung vom Hitler-Faschismus.” Die CDU-Fraktion, der Weigert
angehört, versuchte vergeblich, die Debatte zu verhindern und kündigte an,
die “Dringlichkeit” rechtlich überprüfen zu lassen.
Wie berichtet, hatte Weigert in einem Brief an den grünen
Kreistagsabgeordneten und Vorstandskollegen im Heimatverein, Axel Mueller,
den Begriff “Befreiung” im Zusammenhang mit dem Kriegsende am 8. Mai 1945
als “verstaubte Ideologie” bezeichnet. Die Deutschen seien “im vorletzten
Teil des Europäischen Bürgerkriegs tragisch gescheitert” und sollten sich
nicht “als scheinbar reuige Sünder mit ihren Eroberern verbünden”, so
Weigert. Der CDU-Politiker berief sich auf einen Aufsatz des Historikers
Karl-Heinz Weißmann, den er zur Lektüre empfahl. Weißmann gilt als führender
Stratege der “Neuen Rechten” und ist Mitbegründer des umstrittenen Instituts
für Staatspolitik.
PDS-Fraktionschef Wolfgang Kreemke sieht in Weigerts Interpretation des
Faschismus “eine sehr große ideologische Nähe zu den Tätern dieser Zeit”.
Gefragt sei jetzt der CDU-Ortsverband Kleinmachnow, der sich von den
Äußerungen seines Mitglieds “distanzieren” müsse.
Das forderte auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Bernd Bültermann. “Wir
gehen aber nicht soweit, dass wir den Mandatsverzicht verlangen”, sagte er
gestern zur MAZ. Wenn Weigert sich freiwillig aus der Gemeindevertretung
zurückzöge, “würden wir das allerdings nicht bedauern”. Der Fraktionschef
sieht sich damit nicht im Widerspruch zum SPD-Ortsvorsitzenden Frank Nägele,
der bereits kurz nach Bekanntwerden des Weigertschen Briefes den Rücktritt
des CDU-Manns angemahnt hatte.
Vor einer “Skandalisierung” warnte der SPD-Landtagsabgeordnete und
Gemeindevertreter Jens Klocksin. Man sollte jetzt keine “alten Rechnungen”
begleichen. Er missbillige Weigerts Äußerungen “aufs schärfste”, lehne aber
ein “Tribunal” im Rahmen einer Parlamentssitzung ab. Auch die PDS sollte bei
ihren Vorwürfen “die Verhältnismäßigkeit” wahren.
Die Christdemokraten beteiligten sich nicht an der Debatte. “Das haben wir
bewusst getan, denn die Angelegenheit gehört nicht in die
Gemeindevertretung”, sagte CDU-Fraktionschef Ludwig Burkardt gestern zur
MAZ. Die PDS habe sich den Tagesordnungspunkt “erschlichen”, um eine
persönliche Diskussion innerhalb des Heimatvereins an die Öffentlichkeit zu
bringen. Ein Mandatsverzicht Weigerts komme nicht in Frage, so Burkardt.
Als Schlussredner der Debatte übte Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD)
scharfe Kritik an den Abgeordneten. Das “Krisenmanagement der Fraktionen”
habe nach den Vorfällen der vergangenen Tage versagt. “Ich kann nicht
glauben, dass die Gräben, die jetzt aufgebrochen sind, wirklich bestehen.
Wenn doch, dann habe ich große Sorgen, ob diese Gemeindevertretung die
großen Probleme lösen kann, die im Ort anstehen.”
Blasig forderte die Fraktionsvorsitzenden auf, in den nächsten Tagen
Konzepte vorzulegen, wie die Gemeinde den 8. Mai würdigen solle. Zu einem
Gespräch will der Bürgermeister in der kommenden Woche einladen.
Zuvor war im Kulturausschuss ein Streit darüber ausgebrochen, ob der
OdF-Platz (Opfer des Faschismus) der richtige Ort des Gedenkens sei.
Bedenken gibt es offenbar in der CDU. Und auch der Abgeordnete der
Wählergemeinschaft WIR, John Banhart, plädiert für eine Veränderung der
Gedenkkultur: “Der ritualisierte Antifaschismus geht mir auf die Nerven.”