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«Toleranz lässt sich nicht verordnen»

Pots­dam — Vor zehn Jahren wurde in Pots­dam das Moses-Mendelssohn-Zen­trum (MMZ) für €päisch-jüdis­che Stu­di­en gegrün­det — benan­nt nach dem Aufk­lär­er Moses Mendelssohn (1729 — 1786). Ein der Uni­ver­sität Pots­dam angegliedertes Insti­tut, dessen Forschungsin­ter­esse der Geschichte, Reli­gion und Kul­tur der Juden und des Juden­tums in Europa gilt. Mit dem Direk­tor, Prof. Dr. Julius H. Schoeps, der heute seinen 60.Geburtstag feiert, sprach Katrin Schoelkopf. 

Herr Schoeps, zehn Jahre Moses Mendelssohn Zen­trum in Pots­dam — eine Erfol­gs­geschichte oder eher ein har­ter Kampf der Behauptung? 

Julius H. Schoeps: Bei­des. Die Geschichte des Zen­trums ist begleit­et von Erfol­gen, aber auch von Finanzierung­sprob­le­men. Mit seinem inter­diszi­plinären Ansatz und seinen Spezial­ge­bi­eten wie «Jüdis­che Aufk­lärung» der Inte­gra­tion rus­sisch-jüdis­ch­er Zuwan­der­er» ist das Zen­trum mit seinen Forschun­gen in den ver­gan­genen zehn Jahren inter­na­tion­al bekan­nt gewor­den. Das war nicht immer ein­fach, aber let­ztlich haben wir uns durch­set­zen kön­nen. Ich bin dem Land Bran­den­burg sehr dankbar für seine Unter­stützung, doch der Kampf ums Geld ver­lei­det manch­mal die Freude an der Arbeit. 

Der Kan­zler hat eine Bil­dung­sof­fen­sive bei seinem Besuch in Pots­dam angekündigt. Die Förderung des Lan­des Bran­den­burg aber geht angesichts der schwieri­gen Haushalt­slage zurück. Was muss die Poli­tik tun, um das Bil­dungsange­bot nicht ver­flachen zu lassen? 

Das ist leichter gesagt als getan. Wenn ich mir zum Beispiel das Ange­bot der Uni Pots­dam anse­he, so hat sich dieses in den let­zten Jahren bis zur Unken­ntlick­eit verän­dert. Angelegt war die Uni­ver­sität einst auf 260 Pro­fes­suren, jet­zt sind es ger­ade noch 190. Es beste­ht dur­chaus Grund zu der Befürch­tung, dass der Sparzwang weit­ere Ein­schnitte notwendig macht. Das Land Bran­den­burg muss über­legen, ob es in der Aus­bil­dung kün­ftig Akzente set­zen will oder nicht. Ich halte es jeden­falls für prob­lema­tisch, das wenige Geld mit der Gießkanne auszugeben. Ein Kassen­sturz ist notwendig. Im Hin­blick auf die irgend­wann kom­mende Fusion Bran­den­burg-Berlin sollte die Bil­dungs­land­schaft in der Region neu geord­net wer­den. Ich kann mir vorstellen, dass man Stu­di­engänge zusam­men­legt, andere streicht. 

Das MMZ sieht auch einen Schw­er­punkt in der Aufar­beitung der Region­algeschichte, ins­beson­dere in den neuen Län­dern, und will der Poli­tik Hil­festel­lung geben, wie Frem­den­feindlichkeit ver­hin­dert wer­den kann. Wie bew­erten Sie die jüng­ste Forderung der Jun­gen Union, unter­stützt von CDU-Gen­er­alsekretär Thomas Lunacek, in Bran­den­burg das Amt der Aus­län­der­beauf­tragten abzuschaffen? 

Das ist Wahlkampf. Ich kann solche Vorschläge nicht sonderlich 

ernst nehmen. Wenn ein Land eine Aus­län­der­beauf­tragte braucht, dann Bran­den­burg, denn die Gefahren sind vorhan­den. Der Recht­sradikalis­mus ist mit­tler­weile nicht nur ein Prob­lem der Rän­der, son­dern der Mitte. Der Fall Mölle­mann zeigt, dass Anti­semitismus auch in etablierten Parteien anzutr­e­f­fen ist. 

Aus­län­der­feindliche und anti­semi­tis­che Über­griffe gibt es auch in Bran­den­burg. Sind von oben verord­nete Ini­tia­tiv­en wie das Hand­lungskonzept «Tol­er­antes Bran­den­burg» oder das Aktions­bünd­nis gegen Frem­den­feindlichkeit adäquate Mit­tel, dage­gen vorzugehen? 

Es ist bess­er als gar nichts, aber Tol­er­anz lässt sich nicht verordnen. 

Sin­nvoller als über Tol­er­anz zu reden, scheint mir, etwas gegen Jugen­dar­beit­slosigkeit zu tun. 

Mit der Vere­in­barung von 1990, Juden aus den Staat­en der ehe­ma­li­gen Sow­je­tu­nion als Kontin­gent­flüchtlinge aufzunehmen, sind 600 bis 700 Juden in jüdis­chen Gemein­den in Bran­den­burg gemeldet. Gibt es inzwis­chen jüdis­ches Leben in Brandenburg? 

Ja und Nein. Es gibt sechs jüdis­che Gemein­den in Cot­tbus, Frank­furt (O.), Königs Wuster­hausen, Oranien­burg, Bernau und Pots­dam. Aber es gibt bis heute keine einzige neu gebaute Syn­a­goge. Hier ist einiger Nach­holbe­darf. Ich wün­schte mir, Land, Kom­munen und der Zen­tral­rat der Juden wür­den enger zusam­me­nar­beit­en als bisher. 

Sie sind 1991 von Duis­burg nach Pots­dam gekom­men. Was gefällt, was miss­fällt Ihnen in der Stadt? 

Ich bin ein Pots­dam-Lieb­haber aus Pas­sion. So schnell werde ich die Stadt nicht ver­lassen, obgle­ich ich manch­mal erschreckt bin, wie 

die Stadt mit ihrem kul­turellen Erbe umge­ht. Ich denke da zum Beispiel an das hässliche Pots­dam-Cen­ter, den schreck­lichen Klotz Wil­helm-Galerie direkt vor dem Hol­län­dervier­tel oder das Ver­stellen der Sich­tachse am Glienick­er Horn. Auch beim The­ma Stadtschloss ist Pots­dam auf dem falschen Weg. Ich plädiere für einen mod­er­nen Bau mit his­torischen Zitat­en in der alten Kubatur. Das ist wesentlich span­nen­der als das Schloss so aufzubauen, wie es ein­mal war. Das zeugt nur von Einfallslosigkeit.

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