Susanne Havemann ist Mutter dreier farbiger Kinder. Sie will akzeptiert sein, und dass die Politik ein multikulturelles Klima schafft.
(Nicola Klusemann, PNN) Eigentlich wollte sie keine Kinder. Und nach der Geburt ihres Sohnes auf keinen Fall ein weiteres. Inzwischen hat Susanne Havemann vier Kinder und ihre Einstellung grundlegend geändert.
„Was habe ich von Luxus – großen Reisen, dicken Autos – wenn ich einsam sterbe, nichts mitnehmen kann und nichts von mir zurücklasse?“ Die 33-Jährige hat sich entschieden, der Nachwelt ihre Nachkommen zu hinterlassen. „Das ist mein Beitrag zum multikulturellen Zusammenleben.“ Ihre drei Töchter Adina (8 Jahre), Naome (6) und Aicha Johanna (4 Monate) sind farbig, ihre Väter Afrikaner. Das sei nicht immer leicht. Oft genug fange sie sich böse Sprüche ein, Leute starrten sie und ihren Freund aus Mali an. Dass sich Potsdam als tolerante Stadt verstehe, macht sie wütend. „Der Begriff Toleranz regt mich auf. Toleranz ist der Ignoranz ähnlich. Wer toleriert, beachtet nicht“, sagt Susanne Havemann, die einfach mit Mann und Kindern leben will und sich wünscht, dass die Menschen das akzeptierten. „Ich möchte angenommen sein.“
Ihr Luxus ist der Kinderreichtum. Die kleine Familie bewohnt eine MasoinetteWohnung in der Innenstadt. Auf dem blitzblanken Holztisch stehen gelbe Kerzen. Durch weiße Leinenvorhänge scheint die Augustsonne. Das ebenso weiße Sofa geht über Eck, ein niedrig angebrachtes schlichtes Regal schließt sich an, auf dem gerahmte Fotos stehen. Im Hintergrund surrt die Spülmaschine, das durch den Wasserstrahl bewegte Geschirr klappert rhythmisch beruhigend wie ein Metronom. Die ausgebildete Anstreicherin und umgeschulte Fremdsprachensekretärin lebt heute von Arbeitslosengeld II, Erziehungs- und Kindergeld. Sie hat gelernt, ihren Lebensstandard herunterzuschrauben. Über die Sozialreformen könne sie nicht meckern. Die kämen ihr zugute. Wenn man allerdings seinen Kindern ein bisschen was Besonderes bieten wolle, werde es knapp. Ihre ältere Tochter lerne zum Beispiel Akkordeon und Naome habe gerade mit Ballett angefangen. Neben den monatlichen Beiträgen kämen dann noch die Instrumenten-Ausleihe und das Tutu für die Prima Ballerina dazu. Da müsse man schon ganz schön rechnen, sagt Susanne Havemann, die sich wünscht, dass solche Sachen kostengünstig auch von städtischen Institutionen und nicht nur privat angeboten würden. Ähnlich heftig schlügen auch Ausflüge in die Hauptstadt zu Buche. „Selbst wenn Museumsbesuche manchmal kostenlos angeboten werden, kommt allein durch den Ticketkauf für die öffentlichen Verkehrsmitteln eine Summe zusammen, mit der ich einen Wochenendeinkauf bestreite.“ Die Tarife könnten schon familienfreundlicher gestaltet werden, findet die Hausfrau.
Grundsätzlich aber meint sie, dass Rot-Grün das Beste aus dem gemacht habe, was die Kohl-Regierung an „Bruchwerk“ hinterlassen habe. Auch fand sie die Haltung gut, die SPD und Bündnis 90/Grüne während des Irak-Krieges eingenommen hätten. Es sei richtig gewesen, keine deutschen Soldaten an den Kampfhandlungen zu beteiligen und sich nicht den Amerikanern unterzuordnen. Weil die Regierung so besonnen reagiert habe, könnten wir uns jetzt sicherer fühlen. „Wer weiß schon, ob die Bundesrepublik nicht anderenfalls schon ähnlich wie in London Ziel von Al Qaida-Anschlägen geworden wäre“, sagt die junge Frau.
Susanne Havemann bekennt klar Farbe. Am 18. September bekäme die SPD ihre Stimme, damit sie weitermachen könne. Sie wolle ein CDU-regiertes Land „mit der Merkel oben drauf“ aktiv verhindern.
Die allein erziehende Mutter wiegt ihr Jüngstes, die viermonatige Aicha, im Arm. Der Säugling ist nach einer kleinen Zwischenmahlzeit eingeschlafen. Dass sie auch nach der Erziehungszeit keine Arbeit finden wird, schätzt die 33-Jährige realistisch ein. Mit drei Kindern – ihr elfjähriger Sohn Carl-David lebt beim Vater – sei man einfach eine schwierige Arbeitnehmerin, die jederzeit ausfallen könnte. Dass aber ihr Freund keinen Job bekommt, trotz Jura-Studium und dreijähriger Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland, liege sicher auch an seiner Hautfarbe. „Es ist schade, dass viele immer noch so denken.“
Das Miteinander könnte leicht sein, wenn die Vorurteile nicht wären. Susanne Havemann hat deshalb einen ganz patenten Vorschlag: Statt nur Fremdsprachen in der Schule zu unterrichten, sollte man beispielsweise einen Besuch im Asylbewerberheim als Pflichtprogramm mit in die Schulstunde aufnehmen. „Nur wenn man sich mit den Fremden beschäftigt, lösen sich die Vorbehalte auf.“ Allgemein wünsche sich die Multikulti-Verfechterin von der großen Politik ein besseres Klima für ausländische Mitbürger. Die Bundesrepublik schmücke sich mit internationalen Beziehungen und bezeuge diese medienwirksam. Weltweit gebe es Spendenaktionen und Benefizkonzerte für hungernde Menschen in Afrika. Und wenn hier ein Afrikaner zu Gast sei, sei er nicht willkommen. „Das passt doch nicht zusammen.“ Ausländer, die ehrlich versuchten, hier in Deutschland etwas zu schaffen, sollten eine Chance bekommen. Das würde auch das Leben von Susanne Havemann erleichtern. Findet ihr Freund keine Beschäftigung, werde er womöglich zurück nach Mali gehen und ihre Familie werde auseinander gerissen. „Das kann doch keiner wollen.“