(Berliner Zeitung) SPREMBERG. Für die CDU scheint der Skandal um Egon Wochatz und dessen Treffen mit ehemaligen SS-Männern beendet. Der Kreisverband Spree-Neiße
entschied am Dienstag, dass Wochatz CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag
bleibt. Dieser hatte sich am 5. Juni, dem Vortag der D‑Day-Feiern in der Normandie, mit Veteranen einer Waffen-SS-Division in Spremberg getroffen. “Wir distanzieren uns aufs Schärfste von dem Treffen”, sagte CDU-Kreischef
Michael Haidan. Wochatz sei eine Missbilligung ausgesprochen worden. Er dürfe Fraktionschef bleiben, da das Treffen im Rahmen der Arbeit für die Kriegsgräberfürsorge erfolgt sei. “Der Mann sieht seinen Fehler ein”, sagte
CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek, und distanzierte sich vom Rechtsextremismus.
Wochatz hatte bestätigt, sich mehrfach mit den SS-Veteranen getroffen zu haben. Der Spitzenkandidat der Brandenburger Grünen, Wolfgang Wieland, forderte den CDU-Chef Jörg Schönbohm auf, gegen Wochatz ein Parteiausschlussverfahren einzuleiten. SPD-Landes-Geschäftsführer Klaus Ness
nannte die Rüge halbherzig. “Der Mann wusste, was er tut. Das ist keine Provinzposse, die die CDU-Führung dem Kreisverband überlassen sollte.” Dies schade der Glaubwürdigkeit der Politik. Auch PDS-Chef Ralf Christoffers
forderte härtere Konsequenzen, gerade weil sich Schönbohm als Innenminister “öffentlich als Vorreiter im Kampf gegen Rechtsextremismus darstellt”.
Neue Vorwürfe in Affäre um SS-Kontakte
(Tagesspiegel, Frank Jansen) Spremberg/Berlin — Die Affäre um die Kontakte des CDU-Politikers Egon
Wochatz zu ehemaligen SS-Männern weitet sich offenbar aus. Nach
Informationen der “Lausitzer Rundschau” hat auch der Spremberger
CDU-Kandidat bei den kommenden Landtagswahlen, Andreas Kottwitz, jahrelang
in Verbindung zu ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS und anderen deutschen
Kriegsteilnehmern gestanden. Kottwitz hat außerdem 1993 ein Buch mit dem
Titel “Spremberg ist Frontstadt” veröffentlicht, in dem am Anfang wie eine
Art Grußwort ein Zitat von Graf Schwerin von Krosigk steht, dem
Finanzminister des NS-Regimes. Am 7. Mai 1945, dem Tag vor der endgültigen
Kapitulation der deutschen Streitkräfte, sagte Krosigk, “wir verneigen uns
in dieser schwersten Stunde des deutschen Volkes und seines Reiches in
Ehrfurcht vor den Toten dieses Krieges, deren Opfer unsere höchste
Verpflichtung sind”. Schwerin wurde 1949 als Kriegsverbrecher zu zehn Jahren
Haft verurteilt.
Auf Anfrage des Tagesspiegel zögerte Kottwitz, sich von dem Zitat zu
distanzieren. “Aus heutiger Sicht sollte man überlegen, ob der Zitatgeber
der Richtige ist”, sagte der CDU-Landtagskandidat. Seine Kontakte zu
einstigen Soldaten der Waffen-SS nannte Kottwitz eine “rein
heimatgeschichtliche Sache”. Das Vorwort zur 3. Auflage von Kottwitz Buch
(Auflage 3000 Stück) hatte Wochatz verfasst. Der Chef der CDU-Fraktion im
Kreistag von Spree-Neiße steht wegen seiner Treffen mit SS-Veteranen in der
Kritik. Der CDU-Kreisvorstand sprach ihm Dienstag eine Missbilligung aus -
abtreten muss Wochatz aber nicht.
Abgeordnete gegen Frundsberg-Treffen
Fraktionen distanzieren sich gemeinsam
(LR) Einem Vorschlag von Birgit Wöllert (PDS) folgend, sind die Vorsitzenden
aller Fraktionen der Spremberger Stadtverordnetenversammlung am Montag im
Hauptausschuss miteinander darin übereingekommen, sich in einer gemeinsamen
Erklärung von Treffen ehemaliger SS-Veteranen wie der «Frundsberger» , die
im Juni in Spremberg zusammengekommen waren und Kränze auf dem
Ge-orgenbergfriedhof niedergelegt hatten, zu distanzieren.
Die Erklärung, die von allen Fraktionschefs und von Bürgermeister Dr.
Klaus-Peter Schulze unterzeichnet ist, wurde gestern veröffentlicht.
Darin heißt es: «Auch 59 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gibt es Mitmenschen, die einerseits
meinen, die Soldaten der Waffen-SS seien alle selbst Opfer gewesen,
anderseits aber ihre Kameraden ehren mit alten SS-Losungen auf
Kranzschleifen und mit Symbolen.»
Man wolle aber weder alte noch neue Nazis in Spremberg, denn dies sei eine
gastfreundliche Stadt: «Spremberger wollen nicht nur in die Welt reisen, sie
haben sie auch gern zu Gast. Das war beim begeisterten Empfang der
Folklorelawine zu erleben und das haben wir seit vielen Jahren mit unserem
politischen Engagement nachgewiesen. Erinnert sei hier an unseren Einsatz
für das Bleiberecht einer vietnamesischen Familie, an die jährlichen
Multikulturellen Stadtfeste und an unseren Aufruf zur Demonstration «Wehret
den Zuständen» am 27. Januar 2001 in Berlin. Wir haben aus der Geschichte
gelernt. Dazu stehen wir auch heute.»
Der Stadtverordnete Egon Wochatz (CDU), hatte wegen einer gleichzeitigen
Aufsichtsratssitzung der Altstadtsanierungsgesellschaft (ASG) Spremberg am
Montag nicht seinen Sitz im Hauptausschuss eingenommen. Wochatz war wegen
der zeitweiligen Teilnahme an einem Treffen von SS-Veteranen der
Frundsberg-Division in die Kritik geraten, das am Tag der Folklorelawine in
Spremberg stattgefunden hatte.
«Wie es jetzt steht, ist es fast untragbar»
Unverständnis über Wochatz Nähe zu SS-Veteranen
(LR) Der ehemalige Spremberger Bürgermeister Egon Wochatz (67) hat den Vorsitz
der CDU-Kreistagsfraktion bis zur weiteren Klärung niedergelegt, nachdem
bekannt geworden war, dass er mehrfach (zuletzt Anfang Juni) an Treffen
ehemaliger Angehöriger der SS-Division Frundsberg teilgenommen hatte — aus
«geschichtlichem Interesse» , wie er sagt. Weiterhin ist er aber
Vorsitzender und Mitglied einer ganzen Reihe von Gremien in Spremberg, die
sich nun mit der unangenehmen Außenwirkung ihres «Aushängeschildes» Egon
Wochatz konfrontiert sehen.
Vorstandsmitglieder des Seniorenbeirates der Stadt Spremberg beispielsweise
wollen das Thema in den nächsten Tagen unbedingt mit ihrem Vorsitzenden
Wochatz klären. «Wir wollen hören, was er dazu zu sagen hat und hoffen, dass
er zu diesem Gespräch bereit ist» , sagt Luise Bohne, Vorstandsmitglied des
Seniorenbeirates und Stadtverordnete (Vereinte Sozialgemeinschaft). «Ich
sage offen: So, wie es jetzt steht, ist es fast untragbar. Man muss solche
Kontakte nicht pflegen. Dafür fehlt mir das Verständnis, und Egon Wochatz
ist doch eigentlich ein kluger Mensch.»
Im Vorstand des Spremberger Ortsvereins vom Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge ist Egon Wochatz ebenfalls Mitglied. Auf den Volksbund
beruft er sich, um die ersten Kontakte mit den Frundsberg-Veteranen zu
erklären. Dabei sei es darum gegangen, mit Hilfe von Zeitzeugen noch
unbekannte Grablagen von Kriegstoten im Raum Kausche aufzufinden. Ob dieser
Kontakt eine regelmäßige Teilnahme von Egon Wochatz an Treffen der
«Frundsberger» rechtfertigt und von Seiten des Volksbundes gebilligt wird,
bleibt offen. Ruth Barnasch, die ehrenamtlichen Geschäftsführerin des
Spremberger Ortsverbandes und Bundesverdienstkreuzträgerin, gibt es dazu
jedenfalls keine Aussage. Das Telefonat ist kurz: «Herr Wochatz ist ein
Vorgesetzter von mir, da nehme ich überhaupt keine Stellung. Im Übrigen bin
ich jetzt krank und möchte nicht gestört werden. Auf Wiederhören.»
Der Unternehmer und CDU-Abgeordnete Frank Meisel, im Fremdenverkehrsverein
einer der Stellvertreter des Vorsitzenden Egon Wochatz, nimmt dagegen kein
Blatt vor den Mund: «Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht, als ich das
gelesen habe. Ich kann es nicht nachvollziehen, ich kann Egon Wochatz
Motive nicht verstehen. Das kann so nicht sein, und wenn er zu diesen
Treffen steht, dann distanziere ich mich von ihm.&
raquo; Meisel fürchtet auch,
dass das touristische Ansehen der Stadt Spremberg unter den schlechten
Schlagzeilen leiden könnte, die Egon Wochatz derzeit weit über Brandenburg
hinaus macht. Das Thema müsse im Vorstand des Fremdenverkehrsvereines
unbedingt angesprochen werden, man müsse Gewissheit über Wochatz Haltung
und Absichten haben, sagt Meisel. Ehemalige Waffen-SS-Angehörige zu
empfangen, die in Spremberg Kränze niederlegen, oder gar (wie von Wochatz
1998 versucht) Gedenksteine für die Frundsberg-Division aufstellen zu
wollen, das passe mit einem Christdemokraten und ehemaligen Bürgermeister
dieser Stadt jedenfalls nicht zusammen.
Auch die Spremberger PDS-Fraktionsvorsitzende Birgit Wöllert sparte gestern
im Gespräch mit der RUNDSCHAU nicht an Kritik über Wochatz neuerliche
Annäherung an die Waffen-SS-Veteranen: «Es ist nichts Neues, dass wir uns
gegen diese Geisteshaltung von Egon Wochatz immer klar positioniert haben
und dass wir in einem unvereinbaren Gegensatz zu ihm stehen, was die
Betrachtung des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkrieges betrifft.»
Wenn es nun also wieder über die Person Wochatz sein müsse, distanziere sie
sich auch diesmal deutlich davon. Allerdings, so Birgit Wöllert, sei es viel
wichtiger, dass man einer Geisteshaltung entgegentrete, die nicht nur
Wochatz zu eigen scheint. «Wir haben immer versucht, dass die
Stadtverordnetenversammlung gemeinsam gegen die Restauration eines solchen
Denkens auftritt. Wenn uns das gelingt, dann halten wir auch einen Egon
Wochatz in Spremberg aus.» Egon Wochatz selbst wollte gestern keine weitere
Stellungnahme zu den Treffen mit den Frundsberg-Veteranen abgeben. Dies sei
so mit dem Kreisvorsitzenden der CDU, Michael Haidan, abgesprochen. Zunächst
wolle man sich CDU-intern über eine öffentliche Erklärung verständigen.