“Es herrscht Ruhe” hieß es letztens auf dem Gremium der toleranten Stadt Rathenow, angesichts rückgehender Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund. Jedoch wurde Wachsamkeit angemahnt, da diese Ruhe offenbar nur trügerisch sei.
Und tatsächlich, Ende Mai, vorwiegend an den Feiertagen und den Wochenenden, kam es wieder zu Übergriffen und Aktivitäten durch die nach wie vor gewaltbereite rechtsextreme Szene. Am Himmelfahrtstag kam es so gleich zu mehreren Gewalttätigkeiten durch Rathenows braune Jugend. Im Rathenower Ortsteil Semlin wurden mehrere Jugendliche zusammengeschlagen, eine 15 Jährige wurde mit einer Flasche
beworfen und erlitt durch das berstende Wurfgeschoss Schnittwunden am Arm, einem anderen Jugendlichen wurde sein Palästinensertuch entrissen und vor seinen Augen angezündet.
Die Polizei ging hier zum Teil dazwischen und nahm in einigen Fällen Anzeigen auf. In Rathenow selber krachte es hingegen am Haveltorkino. Ungefähr 50 Rechtsextremisten der Kameradschaft „Hauptvolk“ und deren Untergruppe „Sturm
27“ hatten zuvor an einer Dampferfahrt auf dem extra angemieteten „MS Sonnenschein“ unternommen und waren dann, zum Teil sturzbetrunken, zu den vor der Anlegestelle aufgebauten Bierständen getorkelt. Dort kam es dann zu
einer größeren Schlägerei mit einer Rockergang, die jedoch zu keinen bekannt
gewordenen Anzeigen führte.
Die Rechtsextremisten zogen danach unbehelligt aber mit Polizeibegleitung weiter zu einer Gaststätte in der Jederitzer Straße. Hier kam es zu weiteren Übergriffen, auch durch einschlägig vorbestrafte rechte Gewalttäter, die
jedoch zu keinerlei Polizeieinsatz führten. Lediglich einige Anwohner, die gerade auf dem Nachhauseweg waren, wurden wohl von den Beamten angesprochen, sich doch einen anderen Weg zu suchen.
In einem recht schmalen Bericht zum Himmelfahrtstag resümierte die Polizei schließlich ganze acht Anzeigen, die wie üblich kaum genauer erläutert wurden – es herrscht halt Ruhe.
Drei Tage nach Himmelfahrt, am Sonntag, dem 23.05.2004, wurde eine dreiköpfige Gruppe mit teilweise „linksalternativen“ Outfit am Rathenower Nordbahnhof zunächst mit einer Flasche aus dem Auto von Danny A. beworfen und dann von den rechtsextremen Insassen angepöbelt. Der Rechtsextremist Sebastian K. schlug dann ohne weitere Worte und ohne Anlass einem 18
Jährigen mehrfach ins Gesicht, so dass dieser eine Kieferfraktur erlitt und ungefähr zwei Wochen in einer Neuruppiner Klinik behandelt werden musste.
Inzwischen wird im Fall A. und K., die schon einige Zeit der rechtsextremen Szene Rathenows angehören, auch in einer weiteren Sache ermittelt. Genau eine Woche nach dem Übergriff am Nordbahnhof fuhren die beiden
Rechtsextremisten in A.s Pkw mit laut tönenden Nazimusik durch Rathenow. Eine Anzeige wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen folgte.
Nur 24 Stunden später kam es an diesem Pfingstwochenende zu einem weiteren Zwischenfall mit rechtsextremem Hintergrund in Rathenow. Im Ortsteil Steckelsdorf hatte eine örtliche Sympathisantin zu einer Feier geladenen. Einige Partygäste konnten sich aber wie immer nicht beherrschen und fingen
mit einigen Steckelsdorfer Jugendlichen Streit an. Die zahlenmäßig überlegenden und überwiegend jugendlichen Rechtsextremisten verprügelten schließlich drei Steckelsdorfer, die zumindest eine Anzeige wegen
Körperverletzung erstatteten. Festgenommen wurden die Täter, durch die durchaus präsente Polizei aber nicht, stattdessen wurden sie unter deren Geleitschutz Stunden nach Partyende in die Stadt geleitet. Dabei kam es allerdings noch zu einer verbalen Auseinandersetzung an einer Tankstelle, die weiteren Anzeigen zu Ungunsten der Rechtsextremisten zur Folge hatten.
Eine weitere Anzeige, vermutlich gegen Unbekannt, läuft, wie unlängst im regionalen Polizeibericht zu lesen war auch gegen Schmierfinken, die ein Wohnhaus in der Rathenower Bahnhofstraße mit Hakenkreuzen und Schriftzügen
verunstalteten. Die Schmierereien sollen auch bereits entfernt worden sein, im Gegensatz zu anderen Nazitags in und um Rathenow.
Überhaupt tritt die Szene im Zeitalter der „Bekennershirts“ recht offen und plakativ auf. So existieren von den relevanten Gruppen und Kameradschaften „Sturm 27“ und „Hauptvolk“ T – Shirts, die zuletzt wieder Himmelfahrt
öffentlich zur Schau gestellt worden. Das „Hauptvolk“ hat sich sogar ein Wappen im Stil der „freien Nationalisten“ kreieren lassen, auf dem das Kürzel „HV“ von einem Schwert durchkreuzt wird. Sogar eine eigene Internetdomain gibt es jetzt von dieser Rathenower Kameradschaft. Die Seite,
die laut Denic.de, von Kameradschaftsführer Sandy A. als www.hauptvolk.de angemeldet wurde ist jedoch noch im Bau. Es herrscht halt Ruhe in Rathenow.