(LR) Drei junge Männer aus der rechtsradikalen Szene überfallen einen 16-jährigen
Cottbuser, werfen ihn zu Boden, treten auf ihn ein, einer von ihnen uriniert
auf den Körper des Opfers. Zehn weitere Jugendliche schauen zu, ohne
einzugreifen oder die Polizei zu alarmieren. Tatort: die Stadtpromenade, am
vergangenen Sonnabend um 17 Uhr.
Er erweckt den Eindruck, als könnte er immer noch nicht fassen, was ihm
passiert ist. Marcel L. steht am Spielplatz hinter der Hochhausscheibe an
der Stadtpromenade. Mit einem Arm zeigt er ins Gebüsch. “Hier ist es
geschehen.”
Die Vorgeschichte: Bereits am Dienstag traf er an diesem Platz einen der
späteren Täter und sagte zu ihm: “Verpiss dich.” Der junge Mann gehöre
nämlich zur rechtsradikalen Cottbuser Szene, und mit Rechten, sagt Marcel
L., wolle er nichts zu tun haben. Dieses “Verpiss dich” brachte sein
Gegenüber offenbar in Rage. Am Sonnabendnachmittag saß Marcel L. mit zehn
weiteren Jugendlichen auf dem Spielplatz, als der andere wieder aufkreuzte -
dieses Mal mit zwei Begleitern. “Sie sagten zu mir, ich solle mitkommen.”
Der 16-Jährige erklärt, vier Meter von der Bank am Spielplatz entfernt habe
ihm einer der Männer ins Gesicht geschlagen. Sie hätten ihm die Jacke
ausgezogen, ihn gegen einen Baum gestoßen und gerufen: “Knie nieder.” Einer
der Täter habe ihn daraufhin mit seinen Stiefeln zu Boden gedrückt und auf
ihn eingetreten, ein zweiter habe seine Hose geöffnet und auf den am Boden
Liegenden uriniert. “Als ich wieder aufstehen sollte, rannte ich einfach
davon, nach Hause” , sagt Marcel L. Als er am gleichen Abend ins Krankenhaus
kam, stellten die Ärzte bei ihm Prellungen am Schädel, am Knie und an den
Unterschenkeln fest.
Niemand rief die Polizei
Andere Jugendliche, die am Spielplatz saßen, bestätigen seinen Bericht. Doch
niemand von ihnen half ihm, niemand holte die Polizei, niemand will seinen
Namen nennen. Nur ein Mädchen kam als Zeugin mit zur Erstattung einer
Anzeige. Warum schritt keiner ein” “Ich werde mich nicht dazwischenhängen” ,
sagt ein 17-Jähriger, der die Tat beobachtete, gegenüber der RUNDSCHAU, “ich
mische mich nicht in Sachen ein, die mich nichts angehen.” Warum rief keiner
die Polizei” “Wenn man die anruft” , erklärt ein Mädchen, “kriegt man von
diesen Leuten selbst eins auf die Schnauze.”
Die Mutter des Opfers, eine 36-jährige Hausfrau, hatte davor offenbar keine
Angst. Sie fuhr noch am Sonnabend zur Stadtpromenade, kurz nach dem
Überfall, um die Täter zur Rede zu stellen. “Zuerst haben sie gelacht und
gesagt, sie hätten mit dem Überfall nichts zu tun. Als ich ihnen sagte, dass
wir Anzeige erstattet haben, rief einer: ‚Dann gehe ich eben noch mal in den
Knast, aber wenn ich wieder rauskomme, könnt ihr was erwarten.′”
Politischer Hintergrund
Gestern ermittelte die Cottbuser Kriminalpolizei die drei Tatverdächtigen:
einer 22 Jahre alt, die anderen 19 Jahre. Der Staatsanwalt prüft, ob er
einen Haftantrag stellen wird. Polizeisprecher Berndt Fleischer sagt: “Alle
drei sind uns von vorherigen Straftaten bekannt. Sie bezeichnen sich selbst
als rechts, sind geständig und bestätigen, die Tat habe einen politischen
Hintergrund.” Marcel L. wiederum sagt von sich: “Ich bin weder rechts noch
links. Ich will mich bloß von solchen Typen fernhalten.” Die Jugendlichen,
mit denen er an diesem Sonnabend am Spielplatz saß, sieht er inzwischen in
einem anderen Licht als früher: “Einige von ihnen stammen aus meiner Schule.
Freunde sind das nicht.”