Am heutigen Montag wurden zunächst einmal die Plädoyers der Staatsanwaltschaft, des
Nebenklägeranwalts und der Verteidiger gehört.
Peter Petersen, der Staatsanwalt, berichtete, dass es im Sommer letzten jahres zu
vielen Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken gekommen wäre. Der Auslöser
dessen wäre der sog. “Chamäleon-Prozess” gewesen. Am 18.06.05 habe es dann Gerüchte
gegeben, dass sich Nazis in der Potsdamer Innenstadt aufhielten. Die Angeklagten
hätten sich dann zur Verhinderung weiterer Übergriffe in Richtung des Nauener Tors
begeben. Aus der Gutenbergstarße kommend seien sie in Richtung Cafe Heider gelaufen, dabei hätten sie auf der anderen Straßenseite den Nebenkläger Benjamin Oestreich
gesehen, hiernach hätten sie sich vermummt, wären wieder zurückgelaufen und hätten
das Opfer verfolgt. Dabei hätte einer der Angeklagten mit einem Teleskopschlagstock
zuerst auf den Rucksack Oestreichs geschlagen, wobei eine Flasche zu Bruch ging und
hiernach auf den Kopf. Dadurch sei das Opfer zu Boden gegangen. Dort liegend hätten
laut Staatsanwaltschaft die Angeklagten auf ihr Opfer eingetreten. Die Angeklagte
Julia wäre erst später dazugestoßen, da sie sich zunächst mit dem Zeugen Troschke
unterhalten habe, dabei sei sie dann von Cindy Prause gesehen worden. Hiernach hätte
sich die Angeklagte Julia in einem sog. “Zeitfenster” zum Tatort begeben und dort
auf das Opfer eingetreten. Dabei hätten die Angeklagten P.B., R.D. und A.L. den
Nebenkläger “einer das Leben gefährdenden Behandlung” unterzogen. Die
Strafmaßforderung belief sich beim Staatsanwalt dann auf 1 Jahr und 3 Monate Haft für
Julia ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, zusätzlich die Zahlung von 300?
Schmerzensgeld, 1 Jahr ausgesetzt auf Bewährung für den Angeklagten P.B. und 400?
Schmerzensgeld, für den Angeklagten R.D. vier Wochen Dauerarrest und für den
Angeklagten A.L. eine Verwarnung und die Zahlung von 300? Schmerzensgeld, da sich
dieser geständig gezeigt habe und sich von der linken Szene sowie von Gewalt
distanziert habe. Das Hauptziel dieser Verhandlung nannte Petersen auch, den
Angeklagten klar zu machen, dass Gesinnung sich nicht in Köpfe einprügeln lasse, da
sonst die Polizei sich ja einfach einmal alle Rechten aufs Revier einladen würde um
sie einer solchen Behandlung zu unterziehen und danach die Linken.
Der Anwalt der Nebenklage folgte der Staatsanwaltschaft bei der Strafmaßbegründung
weitestgehend, forderte dann jedoch, dass alle Angeklagten nach Erwachsenenstrafrecht
verurteilt werden sollten. Die vom Staatsanwalt vorgeschlagenen Strafen empfand er
jedoch als zu niedrig, da in dem seiner Meinung nach vergleichbaren sog.
“Tram-Prozess” bedeutend höhere Strafen verhängt worden seien. Er forderte Strafen
von 2 Jahren für Julia, 2 Jahre und 6 Monate für P.B., 1 Jahr Haft für R.D. und 1 Jahr Haft für A.L.
Hiernach sprach Gysi, dieser berichtete von der Vorgeschichte dieses Vorfalls, über
den letzten Sommer und die vielfältigen Gewalttaten der Nazis. Dabei berichtete er
von dem Überfall auf das Haus der Angeklagten Julia und dem Überfall auf den
Angeklagten P.B. Er brachte vor, dass sein Mandant äußerlich nicht in das von den
Tatzeugen beschriebene Bild gepasst habe und von niemandem direkt belastet wurde. Er
berichtete weiterhin, dass die Untersuchungshaft das Leben seines Mandanten
verändert habe.
Dann gaben die Anwältin Schulze und der Anwalt von Klingräf ihre Plädoyers ab. Diese
bekundeten, dass die Verhängung von 4 Monaten Dauerarrest gegen ihren Mandanten eine
völlig verfehlte Bestrafung sei, da diese laut Jugendstrafgesetz dazu diene direkt
nach der Tat Konsequenzen dieser aufzuzeigen. Davon könne nach über einem Jahr keine
Rede mehr sein. Alle Zeugen hätten keine endgültige Identifizierung der Täter
vorgenommen. Für den Freispruch ihres Mandanten würde es ausreichen, wenn nicht
endgültig ausgeschlossen werden könnte, dass nicht noch mindestems eine Person später zum
Tatort dazugekommen sei. Die Identifizierung der Täter durch die Zeugin Meinelt sei
zudem fragwürdig, da diese noch nicht einmal habe aussagen können, ob die Täter nun
männlich oder weiblich gewesen seien. Objektiv hätte von Anfang an festgestellt
werden können, dass das Verletzungsbild des Opfers nicht übereingestimmt habe mit
den verschiedensten Zeugenaussagen. Desweiteren habe die Zeugin Meinelt ausgesagt und dies habe die Staatsanwaltschaft (StA) unter den Tisch fallen lassen, dass die Tätergruppe aus
Richtung der Hegelallee gekommen sei, nicht aus der Gutenbergstraße. Außerdem habe
keiner der Zeugen ausgesagt, dass zu den Tätern eine Person später hinzugekommen sei
und dann mit zugetreten hätte. Selbst das Opfer habe ausgesagt, dass nach der Tat
noch dunkel gekleidete Menschen dazugekommen wären.
Der Anwalt Lindemann, hielt hiernach der StA vor, dass diese auch verpflichtet
sei, entlastendes und nicht nur belastendes Material vorzutragen, demnach handele es
sich bei diesem Verfahren eindeutig um ein politisches. Der Angeklagte A.L., welcher
seinen Mandanten, den Angeklagten P.B., belastet habe mit einer Zeugenaussage habe
diese unter dem Eindruck der erlittenen Untersuchungshaft und der Schwere des
Vorwurfs gemacht. Niemand sonst habe seinen Mandanten belastet und da A.L. im
Gericht nicht bereit gewesen sei, Fragen zu beantworten, könne diese Aussage nicht
dazu benutzt werden, um seinen Mandanten zu verurteilen. Denn es sei ganz natürlich
dass der Angeklagte A.L. versucht habe die ihm vorgeworfene Tatbeteilung auf jemand
anderen abzuwälzen.
Der Anwalt Sauer gab danach an, dass das objektive Verletzungbild des Opfers nicht
im Geringsten vereinbar gewesen sei mit den gegenüber der Polizei und dem Gericht
gemachten Zeugenaussagen. Der Rucksack, den der Nebenkläger am Tatabend trug, sei zudem ungeeignet Schläge mit einem Teleskopschlagstock abzuhalten, es blieben also
objektiv nur 2 Verletzungen. Diese stellten von Anfang an keinen versuchten Mord da. Die Belastung seiner Mandantin durch u.a. die Zeugin Meinelt sei darauf zurückzuführen, dass diese unter den Tätern eine korpulente Person gesehen habe und dann später Julia auf dem Platz sah, daraus habe sie den Schluß gezogen, dass es Julia gewesen sein müsse, die an der Tat beteiligt war. Ein Zeitfenster wie von der
StA behauptet existiere zudem nicht. Die Zeugin Prause lief von Oestreich weg, als die Täter auf diesen zukamen, dann sah sie ca. 30–40m vom Tatort entfernt Julia im
Gespräch mit den Zeugen Troschke und Becker. Es habe also für seine Mandantin gar keine Zeit gegeben sich an der Tat zu beteiligen.
Nach drei Stunden Beratung, die eigentlich nur angesetzt war, damit das Gericht über
gestellte Anträge entscheidet, folgte dann überraschend das Urteil. Dieses sieht 6
Monate Haft ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung und zusätzlich die Ableistung von
50 Arbeitsstunden für den Angeklagten P.B. vor, für die Angeklagte Julia ebenfalls 6
Moante Haft ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung und für die Angeklagten R.D. und A.L
jeeweils eine Verwarnung, zusätzlich muss ersterer 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit
ableisten. In ihrer Urteilsbegründung folgte die Richterin weitestgehend der
Staatsanwaltschaft. Jedoch lässt die Art und Weise wie sich diese Begründung
zusammengeschustert wurde, ein politisches Verfahren vermuten. Alle vormaligen
“Entlastungszeugen” wurde so zu Belastungszeugen, zudem hatte beispielsweise niemand
der Zeugen, die allesamt unterschiedliche Angaben machten, gesehen wie zB eine
weitere Person zum Tatort dazukam und ebenfalls auf das Opfer eingetreten hat, was
das Geric
ht als erwiesen ansah. Auch die Einlassungen der Angeklagten R.D. und Julia
hielt sie für unglaubwürdige “Schutzbehauptungen”. Die Verteidigung lässt sich
weitere Rechtsmittel offen, eine abschließende Beurteilung des Verfahrens wird in den
nächsten Tagen veröffentlicht werden.