POTSDAM. V‑Männer im rechtsradikalen Milieu sorgen immer wieder für Debatten, wie weit die Geheimdienste bei der Bekämpfung des braunen Sumpfes gehen dürfen. Erst recht, da auch Straftaten der Zuträger offensichtlich nicht
prinzipiell tabu sind, wie der Fall des jetzt enttarnten Cottbusers Toni S. zeigt. Er ist nicht der erste, bei dem der Brandenburger Geheimdienst eine riskante Strategie verfolgte. Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren wurde der Neonazi Carsten S. alias Piato aus Königs Wusterhausen als V‑Mann enttarnt. Damals gab es Empörung, weil Piato wegen versuchten Mordes an einem nigerianischen Asylbewerber zu acht Jahren Haft verurteilt worden war. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hatte in der Urteilsbegründung festgestellt, die menschenverachtende Gesinnung von Carsten S. sei tief verfestigt. Ein Jahr vor seiner Verurteilung, hatte sich Carsten S. dem Brandenburger Verfassungsschutz als Informant angeboten. Der damalige Innenminister Alwin Ziel (SPD) holte sich die Rückendeckung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK). Piatos Informationen über den Aufbau rechtsradikaler, terroristischer Strukturen sollen von großem Wert gewesen sein, möglicherweise konnten dadurch sogar Anschläge verhindert werden. Andererseits soll Piato in diesen Strukturen auch selbst kräftig mitgemischt und andere angefeuert haben. Vermutlich durch eine Indiskretion aus Potsdamer Polizeikreisen wurde Carsten C. im Sommer 2000 enttarnt und dann durch ein Schutzprogramm in Sicherheit gebracht. Auch Andreas R. aus Cottbus musste 1996 mit einer neuen Identität versorgt werden, nachdem er als V‑Mann in der Rechtsradikalenszene aufgeflogen war. R. war ein Vertrauter des Anfang der 90er Jahre aktiven Anführers der Deutschen Alternative (DA), Frank Hübner, der Anfang 1996 nach einem Türkeiurlaub auf dem Flughafen Schönefeld festgenommen worden war. Er saß fünf Monate in Untersuchungshaft, weil er einen Auftragsmord an der Ex-Freundin eines Neonazi-Anführers bei Andreas R. in Auftrag gegeben haben soll, der damals schon V‑Mann war. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Cottbus gegen R. wurde vom Landgericht nicht zugelassen, es kam nie zum Prozess. Die Richter hielten Andreas R. vermutlich auch wegen seiner Rolle als Spitzel für unglaubwürdig. Im Spätherbst 1996 stand R. dann zusammen mit anderen Neonazis in Potsdam vor Gericht. Der Vorwurf: Weiterführung der im Dezember 1992 vom Bundesinnenminister verbotenen DA. R., damals schon untergetaucht, erschien mit drei Bewachern vor Gericht, danach verschwand er aus Brandenburg.
Der jetzt enttarnte V‑Mann Toni S. hat offenbar mit Billigung der Brandenburger Verfassungsschützer die CD “Noten des Hasses” der Neonaziband White Aryan Rebels als Zwischenhändler weiterverkauft. Auf dieser CD wird zum Mord an Prominenten aufgerufen, darunter Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrates der Juden. Friedman sagte, der Fall Toni S. zeige, dass die Richtlinien für den Einsatz von V‑Leuten in der rechten Szene nicht ausreichten. Ein V‑Mann, der Straftaten begeht, müsse ohne Wenn und Aber abgeschaltet werden. Das Ziel heilige hier nicht die Mittel. V‑Leute hätten auch in Vorständen der NPD nichts zu suchen, so Friedman.