Potsdam - Der AStA der Universität Potsdam, die Arbeitsgemeinschaft Antifaschismus an der Uni sowie der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs), der bundesweite Dachverband von Studierendenschaften, haben mit
Besorgnis den Artikel „Corpshauptstadt“ in den Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) vom 07.11.2005 - hier nachzulesen — zur Kenntnis genommen und verurteilen die unkritische Stellung der PNN und der Hochschulleitung zu der Potsdamer Studentenverbindung „Corps Masovia“ sowie ihrem Dachverband dem „Kösener Senioren-Convents Verband (KSCV)“ aufs Schärfste.
Mit den Schlagwörtern „Toleranz und Liberalität“ versucht sich das „Corps Masovia“ an der Universität Potsdam zu etablieren und als „ganz normale“ studentische Vereinigung salonfähig zu werden. Dabei werden zentrale Bestandteile des studentischen Verbindungswesens umgedeutet und verschwiegen: Das Knüpfen elitärer Netzwerke wird als „Austausch“ bezeichnet, der Rückgriff auf die Traditionen rechtfertigt
frauenfeindliche, herabwürdigende und patriarchale Verhaltensweisen – Frauen wird dabei lediglich zugestanden „hübsches“ Beiwerk zu sein, welches dazu dient die Männlichkeit der Verbindungsstudenten noch zu unterstreichen. Frauen sind – wie bei vielen anderen Verbindungen auch – als Mitglieder und auf vielen Veranstaltungen des Corps ausgeschlossen.
Unausgesprochen bleibt dabei, dass sich auch das Corps Masovia traditionell als „Männerbund“ versteht, in dem bestimmte Vorstellungen von „Männlichkeit“ wie Härte, Wehrhaftigkeit und Unterordnung unter die Gemeinschaft vermittelt werden sollen. Dazu zählt beim Corps Masovia als
„schlagende Verbindung“ auch die Tradition der Mensur: Sie ist ritueller Bestandteil und wird auch als vorzeigbarer Beweis gewertet, gewillt und in der Lage zu sein, im wörtlichen Sinne den Kopf für die Verbindung, das Vaterland oder andere übergeordnete Ziele hinzuhalten.
Besonders pikant sind Details, welche das Corpsleben in Potsdam betreffen: Bei einer Feier Mitte Juni bemerkten die Corpsstudenten offenbar nicht, dass sich im selben Haus Berliner und Potsdamer Rechtsextreme aufhielten. Im Nachhinein distanzierte sich das Corps von dem Vorwurf, Neonazis auf ihren Veranstaltungen zu dulden. Doch kam es
wenige Wochen später zu einem erneuten fragwürdigen Vorfall: Auf einer öffentlichen Semesteranfangsparty im Oktober schlug ein junger Potsdamer Neonazi im Haus der Verbindung alternative Jugendliche – die Polizei musste eine Eskalation verhindern.
Geschichtlich gesehen beruft sich das Corps Masovia auf seiner Homepage auf seine Königsberger Wurzeln und versucht diese auch in der Gegenwart wach zu halten – der Bezug zum Deutschen Reich und den alten Reichsgrenzen wird unkommentiert hergestellt. Das an der Homepage des Corps auch Studenten der Geschichtswissenschaft an der Uni Potsdam
mitgewirkt haben, spricht für sich. Ebenso fehlen in der Geschichte des Corps Masovia einige komplette Jahrzehnte – so wird ganz offensichtlich verschwiegen, dass der Dachverband des Corps Masovia, der Kösener Senioren Convents-Verband (KSCV) als einer der ersten Verbände Juden
ausschloss. Bereits 1921 präzisierte der KSCV durch Statutenänderung seine Definition dahingehend: „Ein Mischling soll als Jude gelten, wenn ein Teil seiner Großeltern getaufter Jude war oder sonst sich herausstellt, dass er jüdischer Abkunft ist.“ In einer Protokollnotiz wurde sogar explizit festgehalten, „nicht auf die Religion, sondern auf die Rasse abzustellen“.
Der AStA der Uni Potsdam und die Arbeitsgemeinschaft Antifaschismus an der Universität fordern die Hochschulleitung und die Leitung der Philosophischen Fakultät auf, umgehend die Hofierung des Corps Masovia
zu beenden und sich von studentischen Verbindungen im Allgemeinen zu distanzieren.