Unrecht nicht verschweigen
(MAZ, Dorothea von Dahlen) GLÖWEN — “Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie Menschen so etwas
tun können”, sagt Annekathrin Martinu und schaut Stirn runzelnd auf die
Baracke, die einst als Hauptwache des Lagers diente, in dem jüdische
KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und Fremdarbeiter eingekerkert waren. Noch
weniger kann sie verstehen, dass heute viele einfach die Augen angesichts
des Unrechts schließen, das sich von 1942 bis 1945 im Wald zwischen Glöwen
und Nitzow ereignet hat. Ein Grund für sie, der Geschichte des Arbeits- und
KZ-Außenlagers gemeinsam mit drei anderen Schülern der Wilsnacker
Gesamtschule genauer auf den Grund zu gehen und zu dokumentieren. Maria
Pöschel, Arne Sirrenberg und Ingo Schultz haben sich diese Aufgabe ebenso
zum Ziel gesetzt. “Das darf einfach nicht in Vergessenheit geraten”, sagen
sie.
Mit ihren Recherchen zum Außenlager sind die Jugendlichen schon weit
gediehen. Bei einem Besuch der KZ-Gedenkstätte in Sachsenhausen sammelten
sie Informationen darüber, unter welchen Bedingungen die Menschen im Lager
untergebracht waren und aus welchem Grunde man sie hergeholt hatte.
Ursprünglich wollten die Nazis auf dem Gelände eine Zündhütchenfabrik bauen,
was sie mit Hilfe der Zwangsarbeiter bewerkstelligen wollten. Doch sah die
Dynamit-Actiengesellschaft letztlich von dem Plan ab, eine Rüstungsfabrik zu
eröffnen. Stattdessen setzte man die Gefangenen dazu ein, im Werk Munition
und andere Kriegsbeute wie Motoren oder Flugzeugteile aufzubereiten.
Als die Lager Pionki und Stutthof aufgelöst wurden, schafften die Nazis auch
männliche und weibliche KZ-Häftlinge nach Glöwen. Jene litten große Not, da sie kaum zu essen
hatten. Einige von ihnen bettelten bei den Einheimischen sogar um
Kartoffelschalen, um ihren Hunger zu stillen. Das erfuhren die Schüler von
Augenzeugen, die zu jener Zeit noch Kinder waren und in Glöwen wohnten.
Ihr Wissen wollen die Schüler nun in einer Dokumentation zusammenfassen und
als Abschlussarbeit in der Schule präsentieren. Doch ihr Engagement reicht
noch weiter: Sie möchten sich mit Hilfe ihrer Lehrerin Ute Seeger dafür
einsetzen, dass ein Mahnmal am einstigen Lager aufgestellt wird. Mitarbeiter
der Gedenkstätte Sachsenhausen haben ihre Unterstützung zugesagt. Um einen
geeigneten Standort zu finden und sich generell ein Bild vom Lager machen zu
können, besichtigten die Schüler kürzlich das Areal bei Glöwen. Gerhard
Mielke von der Bundeswehr zeigte ihnen die letzten Überreste des
Außenlagers, so auch die Verwaltungsbaracke am Haupteingang. Sie
dokumentiert heute noch, wie gut das gesamte Objekt früher getarnt war. Denn
auf den Dächern der Gebäude wurden Grünflächen angelegt. Obgleich sie
intensiv danach gesucht hatten, vermochten die Streitkräfte der Alliierten
bei ihren Luftangriffen das Lager nicht auszumachen. Heute wird die Baracke
mit dem Grasdach übrigens von der Bundeswehr als Übungsobjekt genutzt.
Was einen möglichen Standort für den Gedenkstein anbelangt, so wurden die
Schüler fündig. Nach ihren Vorstellungen eignet sich ein Grünstreifen dicht
beim Eingang zu den Baracken, in denen die jüdischen KZ-Häftlinge
untergebracht waren, als Standort. Demnächst wollen sie mit Hilfe ihrer
Lehrerin die Formalitäten klären und die Behörden um eine Genehmigung zum
Aufstellen des Steins bitten. Der Akt als solcher soll an einem besonderen
Gedenktag im feierlichen Rahmen erfolgen. Ein genauer Termin steht noch
nicht fest.