(PNN 25.9.04) Das Amtsgericht verurteilte Lutz Boede von der Fraktion Die Andere im Vorjahr
nach zehn Verhandlungstagen und dem Anhören von annähernd 50 Zeugen wegen
übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Dies schien der
Staatsanwaltschaft zu milde. Boede wiederum fühlte sich zu Unrecht sanktioniert.
Beide
Seiten gingen in Berufung.
Seit dem 21. September rollt das Landgericht den Prozess nun neu auf. Das
Mitglied der Antiwehrpflicht-Kampagne hatte der Polizei vorgeworfen, ihre
Kompetenzen am 26. August 2001 nach Ausschreitungen anlässlich eines DFB-Pokalspiels
zwischen Fans von Babelsberg 03 und Hertha BSC erheblich überschritten zu
haben. Laut Boede hätten die an der sich daran anschließenden Räumung des
alternativen Wohnprojekts Rudolf-Breitscheid-Straße 6 beteiligten Ordnungshüter
Wohnräume verwüstet, Mobiliar absichtlich beschädigt, einen Plattenspieler
zertrümmert, Hausbewohner und ihre Freunde bei der Festnahme als “Zecken” und ”
Schlampen” betitelt. Zu allem Überfluss sollen die Polizisten in Polstermöbel
und den
Partyraum uriniert, sich an Bargeld aus der Hauskasse und Getränken bedient
haben. Kaum Zweifel hegten erste und zweite Instanz an der Übereifrigkeit der
Staatsdiener während der Räumung des bunten Hauses. Dazu spricht das während
der Verhandlungen mehrfach gezeigte – wenngleich sichtlich geschnittene
Polizeivideo – eine zu deutliche Sprache. Junge Leute werden brutal zu Boden
gestoßen,
ihre Hände auf den Rücken gefesselt. Wie Schlachtvieh liegen sie auf dem
Asphalt. Dass die Polizisten das Haus bei der Durchsuchung absichtlich
verwüsteten, gar die von Lutz Boede behaupteten Verfehlungen begingen, ist nach
Ansicht
von Staatsanwaltschaft und Gericht durch nichts bewiesen.
Am gestrigen dritten Tag der Berufungsverhandlung erinnerte sich der Student
Andreas S. (28), wie er sein Zimmer nach dem Polizeieinsatz vorfand: “Alle
meine Sachen waren auf dem Fußboden verstreut. Kaputt war nichts, aber aus der
Kasse für Kohlengeld, die ich in Verwahrung hatte, fehlten 200 Mark.” Augenzeuge
Karsten L. (29) kam während des Einsatzes zufällig am Ort des Geschehens
vorbei und beobachtete, wie eine junge Frau von einem Beamten als Schlampe
beschimpft wurde. Der Prozess wird fortgesetzt.