POTSDAM Brandenburgs Sicherheitsbehörden haben den Handel mit rechtsextremer Musik möglicherweise stärker beeinflusst als bekannt.
Der ehemalige Brandenburg-Sektionschef der verbotenen militanten Skinhead-Organisation “Blood & Honour”, Sven Sch. aus Potsdam-Mittelmark, soll dem brandenburgischen Landeskriminalamt (LKA) zugearbeitet haben. Sch. hatte vor drei Jahren das größte deutsche Skinhead-Konzert organisiert und besitzt inzwischen ein landesweites Vertriebsnetz für “patriotische Musik”, wie er sie bezeichnet. Dies wäre der zweite Fall einer Musik-Kooperation zwischen Staat und Neonazis. In der V‑Mann-Affäre um den enttarnten Agenten des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Toni S. aus Guben, hatte sich zuvor herausgestellt, dass auch dieser Spitzel eine Schlüsselfunktion im neonazistischen Musikhandel innegehabt hatte.
In einem internen Bericht des sachsen-anhaltinischen Landeskriminalamts vom 10. Dezember 2001 heißt es, Sch. sei “als Informant für das LKA Brandenburg geführt” worden. Die Echtheit des von Neonazis im Internet veröffentlichten Dokuments steht außer Zweifel. Die Staatsanwaltschaft Halle hat gestern bestätigt, dass das Papier Teil ihrer Ermittlungsakte gegen Sch. sei. Sprecher Klaus Wiechmann schloss nicht aus, dass einer der 37 Mitbeschuldigten von Sch. oder einer ihrer Anwälte das Dokument veröffentlicht hat, um den Brandenburger zu denunzieren. Sollte dies die Absicht gewesen sein, war sie erfolgreich. Auf der Internet-Seite wird Sven Sch. als “bezahlter ‚Stricher des Staates” verhöhnt. Racheakte angestachelter Szene-Mitglieder gegen ihn sind nicht auszuschließen.
Der 23-Jährige hat gegenüber der MAZ gestern jede Zusammenarbeit mit dem LKA bestritten. Er habe nur einmal Kontakt zu der Behörde gehabt: vor eineinhalb Jahren, damals sei er als Beschuldigter vorgeladen worden. “Ich habe nie für die Polizei gearbeitet und werde es nie tun”, sagte Sch. Zudem sei es schwer vorstellbar, dass er mit dem LKA kooperiere, während gleichzeitig die Staatsanwaltschaft Halle gegen ihn wegen des Verdachts ermittle, die Arbeit von “Blood & Honour” trotz des Vereinsverbots im Untergrund fortgeführt zu haben, argumentierte Sch. Indirekt Unterstützung erhielt er von Innenminister Jörg Schönbohm. Der CDU-Politiker wies Verdächtigungen über eine neuerliche V‑Mann-Affäre in Brandenburg vehement zurück. “Was da berichtet wird, ist falsch”, sagte Schönbohm.
Ungereimtheiten bleiben dennoch. In dem Vermerk des Magdeburger LKA wird Sch. ausdrücklich nicht V‑Mann genannt, sondern Informant. Im Gegensatz zu Vertrauenspersonen werden diese “Tipgeber” nicht vom Staat bezahlt. Informanten und Polizeibeamte kooperieren auf einer informellen Ebene.