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V‑Mann-Affäre: Aus Fehlern nichts gelernt

Andreas Müller ist unab­hängiger PDS-Kan­di­dat, der im Wahlkreis Märkisch-Oder­land/Barn­im II ein Direk­t­man­dat errin­gen will. Einen Namen hat sich der 41-jährige Emslän­der aber als Jugen­drichter in Bernau gemacht. Harte Urteile gegen Neon­azis und öffentlich­es Ein­treten gegen Recht­sex­trem­is­mus haben ihn bun­desweit bekan­nt gemacht. Über den V‑Mann-Skan­dal sprach mit ihm Igor Göldner. 

 

 

Herr Müller, ein neuer Skan­dal um einen mit Steuergeldern bezahlten V‑Mann des Ver­fas­sungss­chutzes, der als Neon­azi in der Musik­szene in Straftat­en ver­wick­elt war, sorgt für Aufre­gung. Wie beurteilen Sie diesen Fall?

 

Müller: Wir hat­ten Mitte 2000 in Bran­den­burg den Fall “Pia­to”. Der wegen Mord­ver­suchs an einem Asyl­be­wer­ber verurteil­ter Neon­azi Carsten S. hat jahre­lang dem Ver­fas­sungss­chutz als V‑Mann gedi­ent. Er hat­te Gele­gen­heit, Jugendliche mit seinen men­schen­ver­ach­t­en­den Gedanken zu bee­in­flussen. Für Bran­den­burg war das kon­trapro­duk­tiv. Im neuesten Fall kommt her­aus, dass der möglicher­weise bere­its vorbe­strafte V‑Mann Toni S. zwei Jahre lang Chef eines Szeneladens in Guben war, wo 13‑, 14- und 15-Jährige ihre Bomber­jack­en und recht­sradikalen CDs kauften. Der Ver­fas­sungss­chutz hat aus der Affäre “Pia­to” nichts gel­ernt. Die machen genau das Gle­iche weiter. 

 

Aber muss der Ver­fas­sungss­chutz nicht auch solche Risiken in Kauf nehmen, um an die Hin­ter­män­ner in der recht­sex­tremen Szene heranzukommen?

 

Müller: Nach meinem Dafürhal­ten nicht. Im gün­stig­sten Fall ist der Ver­fas­sungss­chutz nach ein­er solchen Aktion vielle­icht an zwei Hin­ter­män­ner der Szene herangekom­men. Aber zeit­gle­ich ist über Jahre recht­sex­tremes Gedankengut in viele Köpfe gebracht wor­den. Der Nutzen, V‑Leute einzuschleusen, ste­ht in keinem Ver­hält­nis zum Erfolg. 

 

Als Jugen­drichter haben Sie sich mit harten Urteilen vor allem gegen junge Neon­azis einen Namen erwor­ben. Macht sich der Staat mit V‑Mann-Pan­nen dieses Kalibers nicht lächerlich?

 

Müller: Ja. Ich füh­le mich als Richter, der jahre­lang gegen recht­sex­treme Ten­den­zen kämpft, an der Nase herumge­führt. Ich weiß nicht mehr, was man noch machen soll: Ein­er­seits haben wir das Tol­er­ante Bran­den­burg, das gegen Recht­sex­trem­is­mus und Frem­den­feindlichkeit vorge­ht. Ander­seits hat man den Ein­druck, dass der Recht­sex­trem­is­mus in Bran­den­burg mit dem Ein­satz von V‑Leuten erst richtig aufge­baut wird. Jed­er Richter muss sich inzwis­chen fra­gen, welch­er Zeuge oder Angeklagte ist als V‑Mann tätig. Dadurch gerät die Jus­tiz in die Bre­douille. Das empört mich. 

 

Muss die Arbeit mit V‑Leuten nach der Ent­tar­nung und Ver­haf­tung von Toni S. generell neu beurteilt werden?

 

Müller: Die Par­la­men­tarische Kon­trol­lkom­mis­sion des Land­tags muss alle V‑Leute nach ein­er Kosten-Nutzen-Rech­nung über­prüfen. V‑Leute, die Straftat­en began­gen haben oder kurz davor ste­hen, müssen von den Behör­den sofort abgeschal­tet werden. 

 

Unter welchen Umstän­den hal­ten Sie den Ein­satz von V‑Leuten für gerechtfertigt?

 

Müller: Dass V‑Leute notwendig sind, will ich nicht verneinen. Es muss aber klargestellt wer­den, dass über bezahlte V‑Leute nicht ein einziger Jugendlich­er mit recht­sex­tremen Vorstel­lun­gen infil­tri­ert wer­den darf. 

 

Wer trägt die Ver­ant­wor­tung für die V‑Mann-Skan­dale?

 

Müller: Schlam­pereien in einem so hochsen­si­blen Bere­ich darf es nicht geben. Wenn der V‑Mann mit dem Segen von Ver­fas­sungss­chutz und Innen­min­is­teri­um in seinem Laden recht­sradikale Gesin­nung ver­bre­it­en kon­nte oder zum Mord an Per­sön­lichkeit­en des öffentlichen Lebens aufrufen sollte oder aufgerufen hat, sind für mich Kon­se­quen­zen nötig. Dann muss zumin­d­est der dafür zuständi­ge Leit­er der Ver­fas­sungss­chutz­abteilung, Herr Wegesin, zurück­treten. Er hat dann aus dem Fehler mit “Pia­to” Carsten S. nichts gel­ernt. Ob gegebe­nen­falls auch der Innen­min­is­ter per­sön­liche Kon­se­quen­zen ziehen muss, dürfte davon abhängig sein, inwieweit er von den Vorgän­gen Ken­nt­nis hatte.

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