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V‑Mann-Affäre: Piato war Waffenhändler

Ein ehe­ma­liger V‑Mann des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes hat während sein­er Dien­stzeit mit Waf­fen gehandelt.


Bran­den­burg hat schon wieder eine V‑Mann-Affäre. Carsten Szczepan­s­ki wurde in der vorigen Woche vom Amts­gericht Pots­dam wegen Waf­fenbe­sitzes zu ein­er Geld­strafe in Höhe von 1 800 Euro verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die ehe­ma­lige Führungs­fig­ur der recht­en Szene aus Königs Wuster­hausen bei Berlin einige Zeit im Besitz eines Repetiergewehrs war, das er später an Uwe M., den Sänger der Neon­az­iband Prois­senheads weit­er­verkaufen wollte. Der Waf­fend­eal fand im Som­mer des Jahres 2000 statt, kurz vor der Ent­tar­nung des promi­nen­ten NPDlers. 

 

Szczepan­s­ki war in der recht­en Szene kein bloßer Mitläufer. Er gehörte jahre­lang dem Bran­den­burg­er Lan­desvor­stand der NPD an und er gab eines der ältesten und mil­i­tan­testen Naz­i­hefte, Unit­ed Skins, her­aus. Auch zur Führungsriege der so genan­nten nation­al­rev­o­lu­tionären Zellen und zur Organ­i­sa­tion Blood & Hon­our soll er gehört und rechte Großver­anstal­tun­gen in Bran­den­burg organ­isiert haben. Szczepan­skis Arbeit war erfol­gre­ich, Königs Wuster­hausen gilt bis heute als Hochburg mil­i­tan­ter Neonazis. 

 

Vor sieben Jahren war er vom Landgericht in Frankfurt/Oder wegen ver­sucht­en Mordes an einem nige­ri­an­is­chen Asyl­be­wer­ber zu ein­er Frei­heitsstrafe von acht Jahren verurteilt wor­den. Ob er schon vor der Tat für den Ver­fas­sungss­chutz arbeit­ete oder erst in der Unter­suchung­shaft ange­wor­ben wurde, ist nicht klar. Sich­er ist, dass Szczepan­s­ki seit 1994 für das bran­den­bur­gis­che Lan­desamt arbeit­ete und dafür 70 000 Mark kassierte. Seine Haft­strafe brauchte er nur teil­weise abzusitzen, er kam schließlich auf Bewährung frei. Nach Angaben der Staat­san­waltschaft läuft die Bewährungszeit noch. 

 

Mit sein­er Ent­tar­nung im Som­mer des Jahres 2000 wurde ein­mal mehr die Ver­strick­ung der Sicher­heits­be­hör­den mit der extremen Recht­en deut­lich. Kurz zuvor wurde der Thüringer Neon­azi Thomas Dienel ent­tarnt. Zwis­chen 1995 und 1998 kassierte er für seine Infor­ma­tio­nen 25 000 Mark vom Lan­desamt für Ver­fas­sungss­chutz, mit denen er nach eige­nen Aus­sagen Pro­pa­gan­da­ma­te­r­i­al für die Naziszene finanzierte. 

 

Szczepan­s­ki lebt seit sein­er Ent­tar­nung an einem unbekan­nten Ort und wurde mit viel Aufwand und Geld vom Staat mit ein­er neuen Iden­tität aus­ges­tat­tet, um ihn vor Racheak­ten sein­er ehe­ma­li­gen Kam­er­aden zu schützen. Im Gerichtssaal erschien er mit ein­er Son­nen­brille und einem falschen Bart. Ob ihm die neue Iden­tität nach der Verurteilung wegen Waf­fenbe­sitzes noch nützt, ist fraglich. Die Jus­tiz muss dem­nächst entschei­den, ob der Waf­fend­eal nicht ein Ver­stoß gegen die Bewährungsaufla­gen war und Szczepan­s­ki wieder ins Gefäng­nis muss. 

 

Dass ein V‑Mann jet­zt auch noch im Waf­fen­han­del mit­mis­cht, bringt den bran­den­bur­gis­chen VS erneut in die Schlagzeilen. Inner­halb weniger Monate ist es der zweite Fall eines V‑Manns, über den der Ver­fas­sungss­chutz die Kon­trolle ver­loren hat. 

 

Im Som­mer machte der Guben­er Toni Stadtler Schlagzeilen. Er wurde in Berlin festgenom­men und ist inzwis­chen vom Berlin­er Landgericht zu ein­er Bewährungsstrafe verurteilt wor­den, weil er mit recht­sex­tremen CDs gehan­delt hat­te. In den Song­tex­ten war unter anderem zum Mord an Rita Süß­muth und Michel Fried­man aufgerufen wor­den. Toni Stadtler behauptete, er habe den CD-Han­del mit dem Wis­sen des Ver­fas­sungss­chutzes betrieben. Nach der Ansicht des Gerichts trägt der Ver­fas­sungss­chutz eine Mitschuld an der Ver­bre­itung von rechter Propaganda. 

 

Sei­ther wird in Bran­den­burg darüber disku­tiert, ob V‑Männer Straftat­en bege­hen dür­fen oder nicht. Der Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) will so genan­nte »szene­typ­is­chen« Straftat­en tolerieren, weil er meint, den Recht­sex­trem­is­mus son­st nicht wirkungsvoll beobacht­en zu können. 

 

Ver­ant­wortlich für das, was die V‑Leute immer wieder anricht­en, will man indes nicht sein. Zur Verurteilung von Toni Stadtler meinte Schön­bohm, er habe die »Weisun­gen seines Quel­len­führers mis­sachtet und sich durch eigen­mächtige Aktio­nen straf­bar gemacht«. 

 

Auch zum Ver­fahren gegen Szczepan­s­ki find­et der ehe­ma­lige Berlin­er Innense­n­a­tor markige Worte. Der Ein­druck, »das von einem kar­ri­ere­ori­en­tierten Staat­san­walt forcierte Ver­fahren habe Züge eines Schauprozess­es gegen den bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutz in sich getra­gen«, so Schön­bohm, sei nur schw­er zu entkräften. 

 

Bran­den­burgs Gen­er­al­staat­san­walt Erar­do Raut­en­berg teilte die Mei­n­ung Schön­bohms nicht, wonach man V‑Leuten »szene­typ­is­che« Straftat­en durchge­hen lassen solle. Wenig später bekam Raut­en­berg offen­bar einen Maulko­rb ver­passt. Es sei vere­in­bart wor­den, dass sich Bran­den­burgs Chefan­kläger nicht mehr zu dieser Frage äußert, hieß es aus der Press­es­telle des Jus­tizmin­is­teri­ums von Bar­bara Riech­stein (CDU).

 

Genützt hat das nur wenig. Ende Novem­ber befassten sich der Gen­er­al­bun­de­san­walt Kay Nehm und alle 25 deutschen Gen­er­al­staat­san­wälte auf ein­er inter­nen Arbeit­sta­gung in Karl­sruhe mit der Frage. Sie befan­den im Gegen­satz zum Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um ein­hel­lig, dass V‑Leuten des Ver­fas­sungss­chutzes keine »ein­satzbe­zo­ge­nen Straftat­en« erlaubt seien. Bran­den­burgs Innen­min­is­teri­um zeigte sich davon allerd­ings unbeein­druckt. Man sehe kein­er­lei Handlungsbedarf. 

 

Nun fordert die PDS im Pots­damer Land­tag den Rück­tritt Schön­bohms. Unter anderem begrün­det sie das mit den V‑Mann-Skan­dalen. Der Antrag ist wegen der Mehrheitsver­hält­nisse im bran­den­bur­gis­chen Par­la­ment freilich ohne Chance. Doch die SPD, die stärk­ste Partei im Land, die mit Schön­bohms CDU die Lan­desregierung stellt, ver­traut nach dem Waf­fend­eal eines V‑Manns dem früheren Bun­deswehrgen­er­al nicht mehr bedin­gungs­los. Möglicher­weise wer­den die Vorgänge nun im zuständi­gen Gremi­um des Land­tages geprüft, wie es die PDS lange fordert. 

 

Anders als Toni Stadtler kon­nte sich Carsten Szczepan­s­ki bei seinem Waf­fengeschäft nicht auf den Segen des Ver­fas­sungss­chutzes berufen, vielmehr hat­te wohl die Behörde die Kon­trolle über ihn ver­loren. »Er durfte lediglich Infor­ma­tio­nen aus der Szene abschöpfen und an den Ver­fas­sungss­chutz weit­er­leit­en«, erk­lärte Heiko Hom­burg, der Sprech­er des Innen­min­is­teri­ums. Das hat ja bestens geklappt.

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