POTSDAM. Nun hat es auch noch einen unbescholtenen Familienvater getroffen. Die Affäre um den V‑Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes, der kürzlich durch Indiskretionen nach einer Razzia in Berlin aufgeflogen ist, nimmt immer größere Ausmaße an. Wie erst jetzt bekannt wurde, durchsuchten die Berliner Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt (LKA) parallel zu der Razzia am 20. Juli in Marzahn auch das Haus eines unbeteiligten Mannes in Brandenburg.
Zu nächtlicher Stunde stürmten Beamte einer Spezialeinheit des Berliner LKA das Haus in einem Ort nahe Potsdam. Der Familienvater und seine Frau gingen dabei zu Boden. Obwohl der Mann immer wieder beteuerte, nicht der Gesuchte zu sein, kehrten die Beamten in der Wohnung das Unterste zuoberst. Ursache der peinlichen Panne: Die Berliner Fahnder glaubten in dem Mann den Personenführer des in Berlin festgesetzten V‑Mannes Tino S. vor sich zu haben, gegen den sie ebenfalls im Zusammenhang mit dem Vertrieb der rechtsextremen CD «Noten des Hasses» und mit der Neonazi-Musikszene in der Region ermitteln.
Bei der seit Monaten andauernden Observierung von Tino. S. hatten die Berliner Fahnder auch Gespräche des V‑Mannes mit seinem Personenführer beim Brandenburger Verfassungsschutz mitgeschnitten. Mit Hilfe der Handynummer des V‑Mann-Führers glaubten sie, dessen Adresse herausbekommen zu haben. Doch das Mobiltelefon war aus Sicherheitsgründen auf den Namen des unbeteiligten Familienvaters gemeldet, der freiberuflich für den Verfassungsschutz arbeitet. Er besetzt die Deckadresse und leitet eingehende Post an das Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz weiter.
«Die Panne ist nur passiert, weil die Berliner Behörden ihr Vorgehen nicht mit den zuständigen Potsdamer Stellen abgestimmt haben», hieß es gestern aus Brandenburger Sicherheitskreisen. Die Berliner seien «wie Raubritter ins Umland eingefallen», wetterte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Dierk Homeyer. Er warf den Ermittlungsbehörden in der Hauptstadt Dilettantismus und Unprofessionalität vor und forderte Aufklärung auf höchster Ebene.
Verwundert beobachtete man auch im Brandenburger LKA die Geschehnisse. Es gehöre zum guten Ton, dass sich die Staatsanwaltschaften bei solch länderübergreifenden Aktionen vorher absprechen, hieß es dort. Allerdings gibt es für solche Absprachen aber offenbar keine eindeutigen Regelungen. «Sie sind nicht zwingend vorgeschrieben», bestätigte Rolf Grünebaum, Sprecher der Brandenburger Generalstaatsanwaltschaft, gestern.
Berliner Justizkreise weisen die Vorwürfe empört von sich, wonach sie nachts das Haus eines unbescholtenen Bürgers gestürmt hätten. Vielmehr hätten sechs Berliner Kriminalbeamte — in Westen mit leuchtendem Polizeiaufdruck — an der Tür geklingelt. Als ihnen von einem Mann geöffnet wurde, hätten sie sich sofort als Beamte zu erkennen gegeben, wonach von innen versucht worden sei, die Tür zuzuschlagen. Deshalb sei der Mann, der sich hinter der Tür verborgen hatte, aus Gründen des Eigenschutzes zunächst zu Boden gebracht worden.
Auch sonst sehen sich die Berliner Ermittler im Recht. Da sie in dem Haus den als Straftäter eingestuften V‑Mann-Führer vermuteten, hätten sie einen Durchsuchungsbeschluss bei der Staatsanwaltschaft beantragt und erhalten. Dies entspreche der Strafprozessordnung und rechtfertige die Aktion.
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