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V‑Mann-Führer wird nicht angeklagt

COTTBUS/POTSDAM Das Landgericht Cot­tbus hat gestern den Schlusspunkt unter die Affäre um den
Neon­azi und krim­inellen V‑Mann Toni S. geset­zt, der im Auf­trag des
Ver­fas­sungss­chutzes Tausende — teil­weise zum Mord aufrufende — Neonazi-CDs
pro­duziert und ver­trieben hat­te. Auf Vorschlag der Staatsanwaltschaft
Cot­tbus stellte das Gericht das Ver­fahren gegen den beamteten V‑Mann-Führer
des Guben­er CD-Händlers S. wegen geringer Schuld ein. 

Der Geheim­di­en­st­mi­tar­beit­er mit Tarn­na­men Dirk Bar­tok sei sich eines
Verge­hens nicht bewusst gewe­sen, als er die straf­baren Hand­lun­gen seines
V‑Mannes Toni S. duldete, begrün­dete Gerichtssprecherin Susanne Beck­er die
Entschei­dung. An der Ver­fas­sungss­chutzschule sei solch­es Agieren als legal
gelehrt wor­den, erläuterte Beck­er den so genan­nten Ver­bot­sir­rtum, der den
V‑Mann-Führer entschuldigt. Zugle­ich stellte das Gericht klar, dass seine
Entschei­dung für kün­ftige ver­gle­ich­bare Fälle “kein Freib­rief” für den
Ver­fas­sungss­chutz sei. Immer­hin seien Her­stel­lung und Vertrieb
recht­sex­tremer Ton­träger geeignet, den falschen Ein­druck zu erweck­en, in der
Bun­desre­pub­lik werde eine rechtsstaatswidrige innen­poli­tis­che Entwicklung
geduldet. 

Die Fol­gen der Gericht­sentschei­dung für die Arbeit des Verfassungsschutzes
sind unklar. “Welche Kon­se­quen­zen sich für den Ein­satz von V‑Leuten ergeben,
kann ich noch nicht abschätzen”, so der Land­tagsab­ge­ord­nete Dierk Homeyer,
der die CDU in der Par­la­men­tarischen Kon­trol­lkom­mis­sion (PKK) zur
Überwachung des Geheim­di­en­stes ver­tritt. “Was entsch­ieden wurde, ist so
schw­er­wiegend, dass sich die PKK ern­sthaft mit dem The­ma befassen muss.”
Möglicher­weise müssten V‑Leute abgeschal­tet wer­den, da sie nicht mehr
szene­typ­isch agieren dür­fen und ihnen somit auch Pro­pa­gan­dade­lik­te verboten
sind. Dadurch beste­ht möglicher­weise eine größere Gefahr der Enttarnung. 

Das Innen­min­is­teri­um müsse “seine Leute so weit unter Kon­trolle bringen,
dass so etwas nicht wieder passiert”, forderte PKK-Chef Christoph Schulze
(SPD). Da V‑Leute auch schon bish­er keine Straftat­en bege­hen durften, habe
sich durch die Gericht­sentschei­dung jedoch nichts Grund­sät­zlich­es geändert. 

Das Innen­min­is­teri­um hat seine Recht­sauf­fas­sung inzwis­chen korrigiert.
“V‑Personen dür­fen keine Straftat­en bege­hen. Dies gilt ins­beson­dere für
solche Straftat­en, die dem Delik­t­bere­ich der poli­tisch motivierten
Krim­i­nal­ität zuzuord­nen sind”, heiße es nun in ein­er Dien­stan­weisung, so
Sprech­er Wolf­gang Brandt. 

Damit wird die Recht­sauf­fas­sung von Bran­den­burgs Gen­er­al­staat­san­walt Erardo
Raut­en­berg bestätigt, der als erster öffentlich darauf ver­wiesen hat­te, dass
V‑Leute keine Straftat­en bege­hen dür­fen. Raut­en­berg war sein­er­seits heftig
von der CDU kri­tisiert worden.

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