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V‑Mann-Prozess: Schwere Vorwürfe gegen BRB-VS

BERLIN


Der Prozess gegen den ent­tarn­ten V‑Mann Toni S. vor dem Landgericht Berlin hat den bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutz gestern in ein zweifel­haftes Licht gerückt. Nach Auf­fas­sung der Berlin­er Staat­san­waltschaft wären Her­stel­lung und Ver­trieb ein­er beson­ders ekel­er­re­gen­den Neon­azi-CD ohne die Mitwirkung des Geheim­di­en­stes nicht möglich gewesen. 

 

Er glaube, dass die erste Auflage dieser CD ohne die Mitwirkung von Mirko H. und Toni S. “als Mitar­beit­er von Geheim­di­en­st­be­hör­den nicht möglich gewe­sen wäre”, erk­lärte der Berlin­er Ober­staat­san­walt Jür­gen Heinke. H. war für das Köl­ner Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz tätig. Auf der von den bei­den Neon­azis ver­mut­lich maßge­blich hergestell­ten CD “Noten des Has­s­es” wird zum Mord an Schwarzen, Juden und Ander­s­denk­enden aufgerufen. Der Tex­ter und Sänger der recht­sex­tremen Stu­dioband “White Aryan Rebels”, der vorbe­strafte und als gewalt­tätig bekan­nte Berlin­er Neon­azi Lars B., “wäre nicht in der Lage gewe­sen”, die CD auf den Markt zu brin­gen, sagte Heinke. 

 

Als ein Opfer des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes stellte sich Ex-V-Mann S. gestern dar. Ohne die Zusam­me­nar­beit mit dem Geheim­di­enst hätte er wohl niemals eine her­aus­ra­gende Rolle im recht­sex­tremen Musikgeschäft über­nom­men, deretwe­gen er sich nun wegen Volksver­het­zung vor Gericht ver­ant­worten muss, argu­men­tierte S. Der 28-jährige Neon­azi behauptete, dass er zunächst nicht kooperieren wollte und erst nach langem Drän­gen Mitte des Jahres 2000 in die Zusam­me­nar­beit eingewil­ligt habe. Die Mitar­beit­er, die ihn als Spitzel anwer­ben woll­ten, hät­ten bei sein­er Weigerung gedro­ht, ihn beru­flich zu ruinieren, teilte der Jung-Nazi dem Gericht mit. Die Ver­fas­sungss­chützer hät­ten angekündigt, sein Geschäft “Top One” in Guben (Spree-Neiße) regelmäßig durch­suchen zu lassen. 

 

Im Laufe der fol­gen­den Jahre hat sich die anfängliche Aver­sion offen­bar in ein mehr oder weniger ver­trauensvolles Ver­hält­nis von S. zu seinem V‑Mann-Führer gewan­delt. Die Beziehung zu dem Ver­fas­sungss­chutzmi­tar­beit­er mit dem Deck­na­men Dirk Bar­tok beschrieb der Neon­azi als “fre­und­schaftlich”. Die Berlin­er Staat­san­waltschaft ist überzeugt, dass es rechtlich nicht mehr gedeckt war. Bar­tok habe den von ihm betreuten V‑Mann vor Woh­nungs­durch­suchun­gen gewarnt. 

 

Ob das Ver­hal­ten des V‑Mann-Führers tat­säch­lich straf­bar war oder nur dazu diente, den für den Pots­damer Ver­fas­sungss­chutz wichti­gen V‑Mann Toni S. zu beruhi­gen, wird möglicher­weise später ein Prozess gegen Bar­tok vor dem Landgericht Cot­tbus aufk­lären. In der Ver­hand­lung gestern betonte S., dass Bar­tok ihn niemals vor ein­er konkreten Durch­suchung gewarnt habe. Bar­tok habe ihm jedoch mit­geteilt, “dass gegen mich Ermit­tlun­gen laufen”. Außer­dem habe Bar­tok ihn mehrfach und immer ein­dringlich­er gefragt, ob er in sein­er Woh­nung tat­säch­lich keine strafrechtlich rel­e­van­ten Gegen­stände auf­be­wahre. Nach diesen Andeu­tun­gen habe er “eins und eins zusam­men­zählen” kön­nen, erk­lärte S. 

 

Einen rät­sel­haften Ein­druck ver­mit­tel­ten auch die Tele­fonate zwis­chen Bar­tok und S., die das Berlin­er Lan­deskrim­i­nalamt seit Ende Mai 2002 abhörte. “Sei vor­sichtig, sieh zu, dass du die Bude sauber kriegst!”, appel­lierte Bar­tok in einem Gespräch am 8. Juli. Es laufe “eine miese Aktion” gegen S., begrün­dete der V‑Mann-Führer die Warnung. 

 

Nach den Aus­sagen von S. war Bar­tok sog­ar behil­flich — wissentlich oder nicht -, Ermit­tlun­gen der Cot­tbuser Staat­san­waltschaft zu behin­dern. Bar­tok habe aus Bestän­den des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes einen Ersatz­com­put­er beschafft, der bei ein­er zu erwartenden Woh­nungs­durch­suchung ohne weit­eres hätte beschlagnahmt wer­den kön­nen. Diesen “jungfräulichen” Com­put­er, auf dem keine strafrechtlich rel­e­van­ten Dat­en gespe­ichert waren, stellte S. jeden Abend in sein Büro. Der Com­put­er sei prak­tisch nur eine Attrappe gewe­sen, “Polizei­fut­ter”. Seinen Arbeitscom­put­er mit dem Belas­tungsin­halt habe er in den Keller eines Nach­barn getra­gen — mit Bar­toks Wis­sen, behauptete S. Bar­tok sei auch über das geheime Depot informiert gewe­sen, das S. angemietet hat­te, damit ver­botene CDs bei ein­er Woh­nungs­durch­suchung der Polizei nicht in die Hände fall­en würden. 

 

Unklar ist, in welchem Umfang der Leit­er der bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes, Hein­er Wegesin, über Bar­toks Aktio­nen informiert war. Die Berlin­er Staat­san­waltschaft hat­te es vorge­zo­gen, ihn nicht über ihren Ver­dacht gegen Bar­tok und ihre Abhör­maß­nah­men zu unterrichten. 

 

 


“Noten des Hasses” 

 

Die CD „Noten des Has­s­es“ enthält ins­ge­samt sieben Liedti­tel. Im Song „Nig­ger“ heißt es: „Nen­nt sie Nig­ger, denn das sind ihre Namen, hängt die Nig­ger auf und habt kein Erbar­men… Der Plan­et, der ist unser und die Kaf­fer müssen schwinden, Wul­stlip­pen­träger sind nur noch in Geschichts­büch­ern zu find­en. Und beim Besuch im Tier­park zwis­chen Krokodil und Rind nur noch ein Exem­plar, am Käfig hängt ein Schild: Der let­zte Nig­ger, das ist sein Name. Der let­zte Nig­ger und wir hat­ten Erbar­men. Der let­zte Nig­ger nur zur Abschreck­ung bes­timmt, und jet­zt weiß jed­er, dass wir Ras­sis­ten sind… Man darf doch nicht ein­fach jeman­den töten oder einen Men­schen ver­let­zen. Das sind keine Men­schen, das ist Ungeziefer.“
Und im Titel­song der CD „Noten des Has­s­es“ heißt es: „Mit der Lizenz zum Töten ziehen wir dann durch das Land, dann wird alles Kranke erschla­gen und niedergebrannt.”

 

 

Staat­san­walt: Ver­fas­sungss­chutz unter­stütze Her­stel­lung von Neon­azi-CD — Lan­des­be­hörde unter Beschuss 

 

BERLIN Der bran­den­bur­gis­che Ver­fas­sungss­chutz hat der recht­sex­tremen Szene nach Ansicht der Berlin­er Staat­san­waltschaft Schützen­hil­fe bei der Her­stel­lung ein­er CD mit Neon­azi-Liedern gegeben. Ohne Hil­fe des Ver­fas­sungss­chutzes in Pots­dam wäre die CD der Neon­azi-Band “White Aryan Rebels” nicht zu Stande gekom­men, sagte Ober­staat­san­walt Jür­gen Heinke gestern beim Prozess wegen Volksver­het­zung gegen einen ent­tarn­ten V‑Mann am Berlin­er Landgericht. 

 

Der Angeklagte Toni S. ges­tand, die CD ver­trieben zu haben, und betonte, dass der Ver­fas­sungss­chutz von deren Inhal­ten gewusst habe. Die Lan­des­be­hörde für Ver­fas­sungss­chutz hätte den Ver­trieb der CD “Noten des Has­s­es” stop­pen müssen, kri­tisierte der Oberstaatsanwalt. 

 

Dem 28-jähri­gen Angeklagten aus Cot­tbus wird Volksver­het­zung, Ver­ant­wor­tung für Pro­duk­tion und Ver­trieb der CD sowie die Ver­wen­dung ver­fas­sungswidriger Kennze­ichen vorge­wor­fen. Auf dem Ton­träger wird unter anderem zum Mord am Vizepräsi­den­ten des Zen­tral­rates der Juden in Deutsch­land, Michel Fried­man, und der früheren Bun­destagspräsi­dentin Rita Süss­muth aufgerufen. Der Ex-V-Mann erk­lärte, der Ver­fas­sungss­chutz habe noch vor Abschluss der CD-Aus­liefer­ung von den Inhal­ten gewusst, die von der Staat­san­waltschaft als gewaltver­her­rlichend und dif­famierend eingestuft wurden. 

 

Toni S., der als Größe in der recht­en Szene galt, war bei ein­er Razz­ia in Berlin im Juli ohne Wis­sen der Pots­damer Ver­fas­sungss­chützer festgenom­men wor­den und sitzt seit­dem in U‑Haft. Die Affäre hat­te zu heftigem Stre­it zwis­chen Berlin und Bran­den­burg geführt. 

 

Nach bran­den­bur­gis­ch­er Ansicht ver­hin­derte die Fes­t­nahme, dass recht­sradikale Struk­turen aufgedeckt wer­den kon­nten. Toni S. sagte, Pots­dam habe ihn wegen sein­er Ken­nt­nis der recht­en Szene für eine Mitar­beit im Som­mer 2000 ange­wor­ben. Er habe ein abhör
sicheres Handy bekom­men und sein Ver­trieb­slager mit T‑Shirts, CDs und Plakat­en mit Wis­sen der Behörde aus­ge­baut. Man habe ihm zu ver­ste­hen gegeben, andere Delik­te wür­den fal­l­en­ge­lassen, wenn er Infor­ma­tio­nen lief­ere. Das Urteil soll am Mon­tag verkün­det werden. 

Kom­men­tar von Igor Göldner 

Das Geständ­nis des ent­tarn­ten V‑Mannes aus Bran­den­burg vor Gericht kam über­raschend und stürzt den Pots­damer Ver­fas­sungss­chutz in neue Ver­legen­heit. Was die Staat­san­waltschaft da vor­ge­tra­gen habe, sei alles richtig, erk­lärte der V‑Mann. Danach leis­teten die Ver­fas­sungss­chützer nicht nur prak­tis­che Hil­fe bei der Her­stel­lung von recht­sex­tremen CDs. Ohne sie wäre die ominöse Hass-CD gar nicht erst zus­tande gekom­men. Pikant daran ist, dass diese Darstel­lung mit der offiziellen Sicht des Innen­min­is­teri­ums in Pots­dam und der Par­la­men­tarischen Kon­trol­lkom­mis­sion im Land­tag so gar nicht übere­in­stimmt. Denn dort geht man davon aus, dass alles mit recht­en Din­gen ablief. Aber wie kon­nten die Ver­fas­sungss­chützer der­art die Kon­trolle über den V‑Mann ver­lieren? Sie waren zwar bis ins Detail über die Umtriebe informiert, ließen ihn aber gewähren, statt ihn “abzuschal­ten”. Der Schaden für den Ruf des Ver­fas­sungss­chutzes ist groß.

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