POTSDAM Der brandenburgische Verfassungsschutz steht möglicherweise vor seiner nächsten V‑Mann-Affäre. Carsten Szczepanski (Deckname “Piato”), die prominenteste Vertrauensperson, die die Behörde jemals in der rechtsextremen Szene plaziert hatte, war offenbar kurz vor seiner Enttarnung im Juli 2000 an einem Waffenhandel beteiligt gewesen und dem Geheimdienst insofern aus dem Ruder gelaufen. Dies wurde in einem Prozess vor dem Potsdamer Amtsgericht gestern bekannt. Nach der Affäre, die sich erst kürzlich an dem enttarnten V‑Mann Toni S. aus Guben entzündet hatte, ist dies der zweite Fall eines rechtsextremen V‑Manns, den die Behörde letztlich nicht steuern konnte.
Falsche Locken, Sonnenbrille, der Bart vermutlich angeklebt: Bis zur Unkenntlichkeit verkleidet saß Szczepanski auf der Anklagebank. Nichts sollte den 32-Jährigen verraten, der nach seiner Enttarnung zum Schutz vor Racheakten mit sehr viel Geld und großem Aufwand eine neue Existenz an unbekanntem Ort erhielt. Wie lange “Piato” seine staatsfinanzierte Tarnung behält, ist nach der gestrigen Verhandlung jedoch ungewiss. Nach der Verurteilung zu 1800 Euro Geldstrafe ist es denkbar, dass die Bewährungsstrafe widerrufen wird und Szczepanski eine Haftstrafe im Gefängnis verbüßen muss. 1995 hatte ihn das Landgericht Frankfurt (Oder) wegen versuchten Mordes an einem Asylbewerber aus Nigeria zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt.
Kurz vor seiner Enttarnung als V‑Mann Mitte des Jahres 2000 hatte Szczepanski eine dubiose Rolle in einem Waffendeal innerhalb der rechtsextremen Szene gespielt. Staatsanwalt Peter Petersen konnte das Gericht ohne Einschränkungen davon überzeugen, dass V‑Mann Szczepanski im Mai oder Juni 2000 zumindest für kurze Zeit im Besitz eines Repetiergewehrs war. Die Kleinkaliberwaffe der Marke “Anschütz” war ausgerüstet mit einem Laserstrahlaufsatz, der die Zielgenauigkeit der Waffe verbessern sollte.
Was Carsten Szczepanski als V‑Mann des Verfassungsschutzes erlaubt war, stand eindeutig fest. “Er durfte lediglich Informationen aus der Szene abschöpfen und an den Verfassungsschutz weiterleiten”, erklärte der Sprecher des Potsdamer Innenministeriums, Heiko Homburg, gestern. Verbindungen zwischen dem Verkäufer und dem Käufer einer Waffe habe der V‑Mann nicht knüpfen dürfen. Außerdem sei ihm der Besitz einer Waffe verboten gewesen.
Über beide Vorgaben hatte sich der märkische NPD-Spitzenfunktionär Szczepanski offensichtlich hinweggesetzt. Der Sänger der Potsdamer Neonazi-Band “Proissenheads”, Uwe M., der gestern ebenfalls wegen Waffenbesitzes verurteilt wurde, beschrieb Szczepanskis Rolle in dem Waffendeal so: Während einer von Szczepanski organisierten Veranstaltung habe dieser ihm erklärt, wie er illegal eine Waffe erwerben könne. Szczepanski habe ihm geraten, den Neonazi Ralf L. zu kontaktieren. Dieser Versuch sei zwar aufgrund einer Polizeidurchsuchung bei L. fehlgeschlagen, dennoch habe Szczepanski wenig später auf andere Weise helfen können. Szczepanski, so M., habe ihm eine andere Adresse mitgeteilt, bei der er die Waffe abholen könne, die er bereits bei L. bestellt hatte. Vom Neonazi Ronny M. erhielt M. schließlich das Repetiergewehr, das dieser, in einer Tüte versteckt, in seiner Wohnung deponiert hatte.
Richter Helmut Riechmann sah es als erwiesen an, dass Ronny M. — der wohl wie Szczepanski NPD-Mitglied war — das Gewehr von Szczepanski erhalten hatte. Damit ist dieser zweifelsfrei als Waffenzwischenhändler aufgetreten.