Wegen einer Erkrankung kann Kurt Goldstein leider am Dienstag, dem 25.04. 19 Uhr
nicht zu unserem Gespräch ZUR PERSON in die Stadtteilkneipe Nowawes
(Babelsberg, Großbeerenstr.5) kommen. Wir hoffen, dass es ihm bald wieder so gut
geht, dass wir die Veranstaltung nachholen können.
Stadtteilkneipe Nowawes statt:
Wir freuen uns, dass Ludwig Baumann seine Teilnahme sehr kurzfristig zugesagt hat:
Ludwig Baumann wurde am 13. Dezember 1921 in Hamburg als Sohn eines
Tabakgroßhändlers geboren. Er erlernte den Beruf des Maurers.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland trat er als junger
Mann weder der Hitler-Jugend noch der NSDAP bei. Als 19jähriger wurde Ludwig Baumann
in die Wehrmacht eingezogen. Am 03.06.1942 desertierte er gemeinsam mit seinem
Freund Kurt Oldenburg bei Bourdeaux/Frankreich aus Hitlers Armee. Zu seinen Motiven
erklärt Ludwig Baumann heute: “Ich hatte erkannt, daß es ein verbrecherischer,
völkermörderischer Krieg war.”
Bereits am folgenden Tage wurden die beiden Freunde von deutschen Grenzposten
gestellt. Obwohl Ludwig Baumann und Kurt Oldenburg bewaffnet waren, vermochten sie
es nicht, ihre Waffen gegen andere Menschen einzusetzen. Baumann: “Menschen töten,
das konnten wir nicht.” Ludwig Baumann wurde am 30.06.1942 wegen “Fahnenflucht im
Felde” zum Tode verurteilt. Von der Umwandlung der Todesstrafe in eine 12jährige
Zuchthausstrafe erfuhr er erst nach Monaten täglicher Todesangst. Jeden Morgen
rechnete er mit seiner Hinrichtung. Ludwig Baumann wurde in das KZ Esterwegen, eines
der berüchtigten Moorlager im Emsland, und später in das Wehrmachtsgefängnis Torgau
transportiert. In Torgau erlebte Ludwig Baumann, wie Tausende andere Deserteure
hingerichtet wurden. Seine Angst verließ ihn seitdem nicht mehr.
Wie viele andere Deserteure wurde Ludwig Baumann in das sogenannte
Bewährungsbataillon 500 an die Ostfront gezwungen. Dennoch überlebte Baumann den
Krieg. Nach Rückkehr aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft hatte er es schwer in
einer Gesellschaft, in der Deserteure noch immer als “Feiglinge” geächtet wurden. Er
vertrank sein Erbe in kurzer Zeit.
Erst als seine Frau bei der Geburt des sechsten Kindes starb, gelang es ihm, sich
vom Alkohol zu lösen. Er war von nun an für seine Kinder allein verantwortlich. In
dieser Zeit begann Ludwig Baumann, sich in der Friedens- und “3.Welt”-Bewegung zu
engagieren. 1989 gründete er mit etwa 40 noch lebenden Wehrmachts-Deserteuren die
“Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz”, um eine Aufhebung der
Unrechtsurteile gegen Deserteure, “Wehrkraftzersetzer und Selbstverstümmeler”
durchzusetzen und deren vollständige Rehabilitierung zu erreichen. Dieses Ziel ist
inzwischen weitgehend erreicht.
Ludwig Baumann engagiert sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und für
eine Gedenk- und Geschichtspolitik, die die Unterschiede zwischen Tätern und Opfern
nicht verwischt. Ob er mit der Wehrmachtsausstellung durch Europa tourt, auf dem
Bremer Bahnhof zu einberufenen Rekruten spricht oder gegen eine ahistorische
Gleichsetzung von DDR- und Naziunrecht in Torgau eintritt — es gibt vieles, was
Ludwig Baumann bewegt und worüber wir mit ihm sprechen möchten:
Im Jahre 1994 wurde Ludwig Baumann mit dem “Sievershäuser Friedenspreis” und 1995
mit dem “Aachener Friedenspreis” ausgezeichnet. Die eigens dafür gegründete
“Potsdamer Initiative” schlug ihn zur Nominierung für den Friedensnobelpreises im
Jahre 1996 vor.
Die Veranstaltung wird organisiert durch Freunde der Pasteurstr.33 e.V. und durch
die Landeszentrale für politische Bildung gefördert.