Ex — „Hauptvolk“ und Ex — „Sturm 27“ machen weiter wie bisher / NPD und
„Bewegung Neue Ordnung“ versuchen vom Verbot zu profitieren
Das vor einem Monat, am 12.April 2005, der Brandenburger Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) die beiden westhavelländischen Kameradschaften „Hauptvolk“
und „Sturm 27“ verbot und 41 Wohnungen und Objekte durchsuchen ließ, weil,
laut offizieller Pressemitteilung, die „verfassungsfeindliche Betätigung“
der Kameradschaftsmitglieder „nicht länger hinnehmbar“ war, scheint in der
Region um Rathenow und Premnitz längst düstere Vergangenheit zu sein. Zwar
sei die Polizei, so Innenstaatssekretär Eike Lancelle (CDU) in der
Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) vom 4.Mai, “angewiesen, das
Vereinsverbot mit aller Konsequenz umzusetzen”, doch tatsächliche Maßnahmen
der Staatsgewalt sind nicht zu bemerken.
Sicherlich, unter den Namen „Hauptvolk“ und „Sturm 27“, tritt in Rathenow
und Premnitz niemand mehr plakativ auf, die Kameradschaftsstrukturen und
deren Aktivitäten blieben aber nach dem Verbot dieselben bzw. konnten sich
sogar steigern. Beispielsweise verklebten in der Zeit vom 5.Mai – 8.Mai 2005
Kameradschaftsmitglieder des „Sturm 27“ anlässlich des Jahrestages der
Befreiung und ausgehend von ihrem Treffpunkt in der Rhinower Straße nahezu
unbehelligt mindestens 443 Aufkleber (2004: 181) mit der Aufschrift „8.Mai
2005 – wir feiern nicht!“. Keine der vorgeblich „gegen Rechts“ initiierten
Polizeisondereinheiten verhinderten dies. Nicht einmal die Teilnahme von
Mitgliedern des Ex — „Sturm 27“ und einzelner AktivistInnen des Ex
-„Hauptvolks“ am NPD – Aufmarsch auf dem Berliner Alexanderplatz – obwohl in
den inzwischen abgeschalteten Kameradschaftsinternetseiten seit Februar
angekündigt — wurde polizeilich begleitet, so dass die
Kameradschaftsmitglieder, darunter „Sturmführer“ Benjamin K., unmittelbar
vor der Abfahrt in die Hauptstadt und wieder nach der Ankunft in Rathenow
ungestört Naziaufkleber an Verkehrsschildern und Ähnlichem anbringen
konnten, was eigentlich den Straftatbestand der Sachbeschädigung darstellt.
Überhaupt konnte in Rathenow seit dem Verbot eine steigende Aktivität von
Naziorganisationen festgestellt werden. Bereits am 18. April 2005 fanden
sich Rechtsextremisten der NPD auf dem deutschen Soldatenfriedhof in
Rathenow zusammen, um im Rahmen einer Gedenkveranstaltung zum 61. Jahrestag
der Bombardierung der Stadt die Gründung eines NPD Ortsverbandes zu
beschließen. Das hier Mitglieder der verbotenen Kameradschaften mitmischen
scheint offensichtlich, zumal vier Mitglieder des „Sturm 27“ am 27.Februar
in Rathenow und am 13. März in Premnitz gesehen wurden, wie sie Flugblätter
der NPD als Postwurfsendung zustellten.
Als zweite „Organisation“ versuchte erst letzte Woche der rechtsextreme
„Schutzbund Deutschland“, eine Vorfeldorganisation der neonazistischen
„Bewegung Neue Ordnung“, der bereits im Februar Flugblätter anlässlich des
Jahrestages der Bombardierung Dresdens in der Region verbreitete, in
Rathenow weiter Fuß zu fassen. Drei Aktivisten verteilten am 6.Mai 2005
anlässlich des Jahrestages der Befreiung im gesamten Stadtgebiet Flugblätter
mit revisionistischem Inhalt, während Mitglieder des verbotenen „Sturm 27“
die Aktion absicherten. Was bringt also das Kameradschaftsverbot? Bis auf
das Namensverbot und die von Eike Lancelle in der MAZ angegebenen 5.500
beschlagnahmten Asservate offenbar nicht viel – die Kameradschaftsstruktur
blieb erhalten und das Propagandamaterial wurde ersetzt.
Antifaschistische Gruppen im Westhavelland