(MAZ, Frank Schauka) POTSDAM Der genetische Fingerabdruck soll für die Verbrecherjagd in
Brandenburg stärker genutzt werden. Nach Vorstellungen von Justizministerin
Barbara Richstein (CDU) soll es künftig auch ohne Anordnung eines Richters
erlaubt sein, DNA-Proben zu untersuchen und in der Zentraldatei des
Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden zu speichern, sofern ein Beschuldigter
die Untersuchung erlaubt.
Während der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK),
Wolfgang Bauch, von einer “kleinen Sensation, die die Arbeit erleichtert”,
sprach, warnte Brandenburgs stellvertretende Datenschutzbeauftragte Lena
Schraut vor einem “Rechtsbruch durch das Justizministerium”.
Das umstrittene Vorhaben, das den Rechtsvorstellungen von Richsteins
Amtsvorgänger Kurt Schelter (CDU) entgegensteht, wird nach Informationen der
MAZ im Justizministerium bereits vorbereitet. Ein entsprechender Runderlass
vom Dezember 2000, der die Notwendigkeit der richterlichen Anordnung betont
und juristisch untermauert, “muss geändert werden”, forderte Richstein
kürzlich bei einer Fachtagung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in
Beelitz.
Dass die Aufweichung der Erlassbestimmungen den Kriminalisten nützt, ist
offenkundig. Schon jetzt führt der genetische Fingerabdruck Fahnder ähnlich
oft auf die Fährte der Verbrecher wie der konventionelle Fingerabdruck. Im
vergangenen Jahr konnten bundesweit 66 Sexualdelikte mit Hilfe der
DNA-Analyse aufgeklärt werden. Darüber hinaus wächst der Fahndungserfolg,
zumindest theoretisch, mit jedem Datensatz, den die Landeskriminalämter in
die BKA-Datenbank übermitteln.
Für den Aufbau der 1998 geschaffenen Datei hat Brandenburg bisher einen
geringen Beitrag geleistet. Von den etwa 311 000 Daten, die bis Ende Oktober
in Wiesbaden gespeichert waren, kamen knapp 7100 aus Brandenburg.
Demgegenüber hatten Bayern und Baden-Württemberg mehr als 61 000 und 55 000
DNA-Datensätze beigesteuert.
Bedingt wird diese Spitzenposition allerdings vor allem dadurch, dass in
diesen Ländern DNA-Daten auf Freiwilligkeitsbasis ohne richterliche
Anordnung erfasst werden. Nach Informationen der MAZ fehlt eine richterliche
Anordnung bei etwa der Hälfte der in Wiesbaden gespeicherten 311 000 Proben.
Für die Verwaltung der Zentraldatei könnten dadurch enorme Probleme
auftauchen. “Man könnte die Bürger auf die Widerspruchsmöglichkeit
hinweisen”, meinte Datenschützerin Schraut. Denn eine grundlegende
Voraussetzung für die DNA-Datenerfassung beim BKA liegt offenbar bei 50
Prozent aller Datensätze nicht vor: nämlich die richterliche
Wahrscheinlichkeitsprognose, dass die untersuchte Person zum
Wiederholungstäter für eine schwere Straftat, vor allem einer
Sexualstraftat, werden kann.
Das Bundesverfassungsgericht hat seit 1999 in mehreren Entscheidungen die
Unablässigkeit einer detaillierten Einzelfallprognose durch einen Richter
betont. Auch der brandenburgische Runderlass vom Dezember 2000 ließ bisher
keinen Zweifel an der Notwendigkeit der Richterprognose. Ex-Justizminister
Kurt Schelter hob in einer Erklärung seines Hauses zur DNA-Datei beim BKA
vom 16. Mai 2001 sogar hervor: “Diese Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts bestätigt die im Land Brandenburg von Anfang an
vertretene Rechtsauffassung.”
Was den Meinungsschwenk im Justizressort in Potsdam nun ausgelöst hat, ist
unklar. Eine Begündung wollte Ministeriumssprecher Andreas Dielitz unter
Hinweis auf die laufende interne Beratungen nicht abgeben.
Bis vor kurzem hatte Justizministerin Richstein in Gesprächen mit
Kriminalisten dem Vernehmen nach sogar stets darauf hingewiesen, dass die
Bundesgesetzgebung die Untersuchung und Speicherung von DNA ohne
vorhergehende richterliche Anordnung verbiete. Folgerichtig hatte die
Ministerin in Bundesratsinitiativen eine bundeseinheitliche
Gesetzesnovellierung unterstützt.