Verlorene Würde
Entweihte jüdische Grabstätte von Rabbinern aus aller Welt besucht
Frankfurt (O.)/Slubice — «Achtet den Ort ewiger Ruhe!», lautet die Inschrift eines Gedenksteins am Rande eines Hotelparkplatzes am Ortsausgang von Slubice. Die Tafel wurde erst 1999 in der polnischen Grenzstadt aufgestellt, in Erinnerung an den 600 Jahre alten einstigen jüdischen Friedhof von Frankfurt. Denn bis 1945 war das heutige Slubice die Dammvorstadt der deutschen Oderstadt am östlichen Ufer. An die Ruhestätte der einst 800 Mitglieder zählenden und während der Nazizeit ausgelöschten jüdischen Gemeinde Frankfurts erinnert außer der Tafel nichts mehr. Dabei liegt hier einer der bedeutendsten Gelehrten begraben.
Rabbi Joseph Theomin verfasste im 18. Jahrhundert die im jüdischen Glauben verehrten Interpretationen zum Talmud, insbesondere zu den «koscheren» Speisegesetzen. Um den berühmten Vorfahren mit dem Totengebet zu ehren, haben sich zu seinem 210. Todestag Rabbiner aus New York, London, Berlin, Warschau und Israel auf einem Grasstreifen versammelt.
«Hier müssen die Gräber der drei Frankfurter Rabbiner noch vorhanden sein. Das Gelände wurde nur aufgeschüttet», mutmaßt der 80-jährige Zeitzeuge Horst Joachim. Das restliche Areal war von polnischen Behörden seit 1973 eingeebnet und planiert worden. Später wurde das Friedhofsgelände privatisiert, das Hotel verfügte über einen bordellähnlichen Nachtklub. Für die jüdischen Nachfahren in aller Welt eine schändliche Entweihung. In New York kümmert sich ein Komitee unter Leitung von Rabbi Berel Polatsek um die Rückgabe der Ruhestätte in Slubice. Da das Gelände privatisiert wurde, tut sich die polnische Seite schwer. Jetzt befasst sich das Auswärtige Amt in Warschau mit dem Politikum, so ein Regierungsvertreter.