(Katrin Bischoff) KÖNIGS WUSTERHAUSEN. Er hatte mit Stahlkappen besetzte Springerstiefel an. Die Stiefel waren mit den für die rechte Szene typischen weißen Schnürsenkeln geschnürt. Mit diesen Stiefeln trat Steven N. im Mai 2003 auf einen am Boden liegenden und schon schwer verletzten Russlanddeutschen ein. Den Freund des Opfers traktierte er mit Faustschlägen. Wegen dieser Taten wurde der 22-jährige Trebbiner am Mittwoch vor dem Amtsgericht in Königs Wusterhausen zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Der einschlägig vorbestrafte Mann habe mit hoher krimineller Energie gehandelt, sagte Richterin Heidrun Griehl. Mit dem Urteil folgte sie dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Neben N. konnte nur noch ein weiterer Täter ermittelt werden.
Die Tat geschah am 3. Mai. Steven N. war beim Baumblütenfest in Werder. Auf dem Heimweg traf er im Zug auf Gesinnungsgenossen. Die Obstweinflaschen gingen reihum. Auf dem Bahnsteig in Schönefeld kamen der Gruppe drei Jugendliche entgegen, die sich auf Russisch unterhielten. Die Russlanddeutschen wollten nach Berlin fahren, wo sie zu Hause sind. Sie wurden angerempelt. Als sie sich beschwerten, folgten die ersten Schläge von “einer Horde angetrunkener Skinheads”, die T‑Shirts trugen, die auf der Vorderseite eine 88 zeigten, so Staatsanwalt Peter Petersen. H ist der achte Buchstabe im Alphabet, 88 steht für Heil-Hitler.
Auf Intensivstation aufgewacht
Einer der drei Jugendlichen konnte fliehen. Den anderen beiden Schülern gelang dies nicht. Steven N. sei völlig ausgerastet, sagte Petersen in seinem Plädoyer. Er habe sich den 15-Jährigen gegriffen, auf ihn eingeprügelt und diesen schließlich auf die Gleise geworfen. Dort habe er auch gegen den bereits am Boden liegenden 17-jährigen Russlanddeutschen getreten. Wassili K. war bewusstlos. K. überlebte den Überfall nur, weil die Polizei einschritt. Der Schüler kam erst auf der Intensivstation wieder zu sich. “Wir müssen sicherstellen, dass Menschen, die anders sprechen oder aussehen, aus der S‑Bahn steigen können, ohne dann Stunden später auf der Intensivstation zu liegen”, so der Staatsanwalt. Richterin Griehl fügte hinzu, es sei auch nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ein Zug eingefahren wäre.
Fredrik Roggan, der Anwalt eines der Opfer, hatte eine Haftstrafe von vier Jahren gefordert. Für ihn grenzte die Tat an ein versuchtes Tötungsdelikt. “Mit solchen Stiefeln kann man so schwere Verletzungen zufügen, dass jemand stirbt”, sagte er. Dann machte er auf die große Zahl von fremdenfeindlichen Attacken aufmerksam. “Ich lese nach jedem Wochenende in den Zeitungen davon”, sagte Roggan.
Laut Innenministerium werden es “zumindest nicht mehr” politisch motivierte Straftaten, so Ressort-Sprecher Wolfgang Brandt. Zudem sei der Anteil von Jugendlichen an der Zahl der Tatverdächtigen geringer geworden. “Trotzdem bleibt die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen in Brandenburg ein Problem.”