ORANIENBURG Vor 60 Jahren – am 20. August 1947 – wurde das Urteil im “Nürnberger Ärzteprozess” gesprochen. In dem Verfahren ging es vor allem um die grausamen medizinischen Experimente, wie sie auch im Konzentrationslager Sachsenhausen stattgefunden haben. “Viele Dinge wurden an den Häftlingen ausprobiert”, sagt Astrid Ley, Kuratorin der im November 2004 eröffneten Ausstellung “Medizin und Verbrechen”.
So wurden am 11. September 1944 fünf Häftlinge von einem Mitglied der SS-Lagerleitung angeschossen. Damit wollte das Kriminaltechnische Institut der Polizei die Wirkung vergifteter Munition testen. Das langsame und qualvolle Sterben der bis heute unbekannten Opfer wurde genauestens dokumentiert. “Wir haben minutiöse Protokolle”, so Ley.
Im jetzt erschienenen Ausstellungskatalog ist dieser Versuch geschildert. Der 413 Seiten starke Band dokumentiert darüber hinaus alle Texte und viele Abbildungen der Dauerausstellung über das Krankenrevier. Der von Gedenkstättenleiter Günter Morsch und Kuratorin Astrid Ley herausgegebene Katalog behandelt die Geschichte dieses Ortes zwischen Versorgung und Vernichtung.
“Es hat damals so gut wie keine Forschung darüber gegeben”, erinnert sich Günter Morsch. Bis Anfang der 1990er-Jahre hatte die Wissenschaft das Thema links liegengelassen – genauso wie die original erhaltenen Baracken in Sachsenhausen. “Ich kann mich erinnern, wie ich 1993 über Schuttberge gekrochen bin”, so Morsch.
Heute ist die Ausstellung “Medizin und Verbrechen” die größte der insgesamt dreizehn geplanten Dauerausstellungen des dezentralen Gedenkstättenkonzepts. Auf 800 Quadratmetern sind rund 1000 Exponate ausgestellt, wobei die authentischen Baracken R I und R II selbst das wichtigste Exponat darstellen.
Der Katalog “Medizin und Verbrechen. Das Krankenrevier des KZ Sachsenhausen 1936 bis 1945” ist im Metropol-Verlag Berlin erschienen. Der Band ist im Informationszentrum der Gedenkstätte für 13 Euro erhältlich.