In wenigen Tagen soll es zur fußballerischen Begegnung zwischen Fortuna Babelsberg III und Welcome United 03 kommen. Die Stadt Potsdam bewirbt das Spiel der Kreisklasse C, welches am Sonntag den 18. Oktober um 14 Uhr auf dem Stern-Sportplatz in der Newtonstraße 8 stattfinden soll, als gelungenes Beispiel der Integration. Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs hat sein Kommen angekündigt. [1]

Anstatt aber die dadurch angeregte Debatte ernsthaft zu führen, sich mit Neonazis in Vereinen und neonazistischer Ideologie in der Gesellschaft auseinanderzusetzen, rief die Stadt Potsdam für das Jahr 2015 die Kampagne „Potsdam bewegt sich!“ aus. Aus antifaschistischer Perspektive hat sich bisher jedoch gar nichts bewegt. Das ist wenig verwunderlich, hat doch die Stadt Potsdam, und insbesondere Jann Jakobs, mit sogenannter akzeptierender Jugendarbeit in der Vergangenheit erst dafür gesorgt, dass sich neonazistische Strukturen etablieren konnten – schließlich konnte in den Neunzigern, unter Jakobs Ägide als Jugendamtsleiter, in einem Förderprogramm zur Integration von rechten Jugendlichen eine der beliebtesten RechtsRockBands („Proissenheads“) zu ihrem Karriereanfang ungehindert in einem Potsdamer Jugendclub proben und in Fahrland wurde in den 2000er Jahren durch den Jugendclub Treffpunkt Fahrland e.V. und den Leiter Thomas Liebe das Wachsen einer neonazistischen Struktur im Potsdamer Norden ermöglicht.
Ähnlich wie damals ist bisher außer Beschwichtigungen, Ausweichmanövern und Dethematisierungen nichts geschehen. Ein deutlich schlechter Zwischenstand für eine Stadt, die sich gern als weltoffen und tolerant darstellt.
Innerhalb des Vereins Fortuna Babelsberg ist es nach unseren bisherigen Recherchen nicht nur Mario Schober, der rassistische und neonazistische Inhalte vertritt. Weitere Mitglieder, Trainer und Vorstandsmitglieder weisen eine gefährliche Nähe zu Neonazis oder ihrer Ideologie auf – oder vertreten diese ganz offen.
Einschlägig verurteilter Neonazi als Sponsor

Ein kurzer Blick auf die Homepage von Fortuna Babelsberg zeigt für geschulte Augen die Verbindungen in ein neonazistisches Umfeld. Als einer der Sponsoren ist die Firma „B.M.S.“ aufgeführt- gemeint ist das vom Neonazi Marcus Schiller gegründete Unternehmen „Bau- und Montageservice Schiller“. [3]
Bis zu seiner Verhaftung 2005 war Marcus Schiller als brutaler und gewalttätiger Neonazi-Schläger an Angriffen auf alternative Jugendliche beteiligt. Im Jahr 2006 wurde er schließlich im Zuge des „Tram-Prozesses“ zu fünf Jahren Haft verurteilt. Im Juli 2005 hat er sich u.a. mit den noch immer aktiven Neonazis Oliver Oeltze, Oliver Kalies, Melanie Witassek, Danny Leszynski, Thomas Pecht und Benjamin Oestreich an einem Angriff auf zwei Personen beteiligt, unter denen sie einen bekannten Antifaschisten ausgemacht hatten. Angeklagt war er wegen versuchten Mordes.

In einer RBB-Dokumentation aus dem Jahr 2013 versuchte er sich, getarnt als „Maik B.“, als geläuterter Ex-Häftling zu inszenieren. Damals konnten wir zwar keine Abkehr und klare Distanzierung von seinen neonazistischen Taten und Gedanken erkennen, trotzdem entschieden wir uns dafür, seine Persönlichkeitsrechte zu wahren und kürzten in unserer Veröffentlichung seinen Nachnahmen ab – um eine mögliche „Resozialisierung“ nicht zu behindern. [4]
Heute ist klar, dass sich Schiller nicht aus seinem neonazistischen Umfeld gelöst hat, noch immer neonazistische Ideologie vertritt und wieder durch Gewalttaten aufgefallen ist. Anfang Juli 2015 war er zusammen mit Matthias Rettcke an einem Übergriff am Rathaus Babelsberg auf antifaschistische Fans des SV Babelsberg 03 beteiligt.
Neben dem Neonazi-Hooligan Matthias Rettcke gehörte auch Mario Schober zu den „alten Kameraden“, mit denen er nach seiner Haftentlassung Kontakt aufnahm – möglicherweise der Türöffner für sein Engagement bei Fortuna Babelsberg.
Kontakte zu Neonazis bei Trainern, Schiedsrichtern und Vorstandsmitgliedern
Im Verein weisen mehrere Funktionsträger_innen eine gefährliche Nähe zu Neonazis auf. [5] Verschiedene Trainer sind per Facebook und im realen Leben, neben Mario Schober, mit verschiedenen Neonazis aus Potsdam befreundet.
René S., Co-Trainer des 2. Männer-Teams, ist beispielsweise mit den Neonazis Steve Schmitzer und Ilja Schartow befreundet. Schartow war Bassist der RechtsRockBand Proissenheads und ist dadurch über die Freundschaften mit dem Neonazi- und RechtsRock-Kader Uwe Menzel und Martin Rollberg in der bundesweiten neonazistischen Musikszene vernetzt. Er ist verantwortlich für verschiedene Morddrohungen gegenüber Antifaschist_innen in Potsdam, verschickte Anti-Antifa-Drohbriefe [6] und war auch an Angriffen auf alternative Jugendliche beteiligt.
Kai E., Co-Trainer des 3. Männer-Teams, ist neben Mario Schober auch mit Sebastian Glaser befreundet. Glaser war nach seinem Zuzug aus Berlin maßgeblich am Aufbau neonazistischer Strukturen in Potsdam beteiligt, hatte frühzeitig enge Kontakte zum mutmaßlichen NSU-Unterstützer Maik Eminger und beteiligte sich an mehreren gewalttätigen Übergriffen auf Antifaschist_innen.
Michael L., Mitglied des Vorstandes, 2. Vorsitzender des Vereins, Nachwuchsleiter für den Bereich „Kleinfeld“ und Trainer der E1-Junioren, ist genauso wie Markus G., einer der Schiedrichter des Vereins, mit Marcus Schiller befreundet.
Insgesamt sind die Inhalte, die die oben Genannten und ihr jeweiliges Umfeld u.a. virtuell präsentieren fragwürdig – offene Sympathien für die Bösen Onkelz oder FreiWild, Likes für die Hells Angels und deren Protagonisten Frank Hanebuth oder frauenfeindliche und andere sexistische Inhalte deuten auf ein Umfeld hin, in dem die seitens des Vereines oft bemühten, inhaltslose Begriffe der „Toleranz“ und der „Weltoffenheit“ hönischen Beigeschmack bekommen.
Rassisten und Neonazis als Trainer?
Auf vielen virtuellen wie realen „Freund_innenlisten“ der Vereinsmitglieder finden sich natürlich auch die jeweiligen Spindnachbar_innen, Platzwart_innen oder Betreuer_innen. Dass in Vereinen, z.B. im Umkleideraum, über Persönliches, Vereinsinterna, Stadt, Region und Land gesprochen wird ist klar – und dass dies auch virtuell auf den jeweiligen Facebook-Seiten geschieht ebenso. Fragwürdig also, warum die meisten Offiziellen des Vereins mit Andre Hartmann, Daniel Friedrich und Normen Stengel befreundet sind, geschweige denn sie im Verein akzeptieren, präsentieren die drei doch offensichtlich rassistische, neonazistische und andere menschenverachtende Inhalte.

Bereits sein Profilbild bei Facebook ziert ein deutliches Statement, in dem ein klassisches Opferbild des deutschen rassistischen Abwehrdiskurses gezeichnet wird: Deutsche, die nicht mal mehr vermeintlich eindeutige Tatsachen im Asyldiskurs kritisieren dürfen, da sie sonst sofort als Nazis gebrandmarkt werden. So alt und bekannt, wie immer noch unreflektiert und bewusst an den eigentlichen Geschehnissen vorbei werden dabei rassistische Stereotype reproduziert. In zahlreichen weiteren Bildern, Kommentaren und Likes setzt sich so Stück für Stück ein Abbild seines menschenverachtenden und neonazistischen Weltbildes zusammen.

Vermeintlich witzige Bildchen mit rassistischen Beleidigungen und Collagen aus dem „Todesstrafe für Kinderschänder“-Diskurs reihen sich an Statements wie „Vergesst niemals Dresden“, welches durch die Verknüpfung mit einem bekannten und viel genutzten Bild der zerbombten Stadt Ende 1945 klar in einen revisionistischen Zusammenhang zu bringen ist. Auch seine musikalisch Vorliebe für RechtsRock von beispielsweise Neonazibands wie „Noie Werte“, „Bloodshed“, „Nordwind“, „Störkraft“, „Sleipnir“ oder „Heimatfront“ ist seiner Seite zu entnehmen. Auf 45 Seiten mit rassistischen oder neonazistischen Inhalten hinterlies er ein „like“ – dazu zählen neben Bekleidungsmarken wie Thor Steinar auch neonazistische und rassistische Vereinigungen wie die NPD, Junge Nationaldemokraten (JN), Der Dritte Weg, Alternative für Deutschland, PEGIDA, Ein Licht für Deutschland und andere regionale rassistische Bürger_innenbewegungen.

Weiterhin tummeln sich in seiner Freund_innenliste zahlreiche eindeutige Neonazis und immer wieder ganz normale sogenannte besorgte Bürger_innen – also Rassist_innen. In anderen Kommentaren wird Andre Hartmann von diesem Umfeld als „anständiger zuverlässiger intelligenter Kamerad“ beschrieben. Ein von ihm hochgeladenes Foto zeigt völkische Symbole und einen Wehrmachtssoldaten, die auf seinem Körper tätowiert zu sehen sind.


Dazu ist er neben Mario Schober, Marcus Schiller und Ilja Schartow auch mit dem verurteilten Neonazi-Schläger Oliver Kalies befreundet und kommentiert und liked dessen Bilder. Mit Marcus Schiller verbringt Friedrich auch seine Freizeit in neonazistisch-hooliganistischen Kreisen beim BFC Dynamo und arbeitet offenbar auch für dessen Baufirma „B.M.S.“.


Auch Interesse an revisionistischer Geschichtsschreibung bekundet er durch die Mitgliedschaft in Gruppen wie „Der 2 Weltkrieg – Was wirklich geschah!“ (sic), „Ritterkreuzträger“ oder einer Gruppe, in der „Orden und Wehrpässe oder auch andere Dinge“ der Wehrmacht verkauft werden. Neonazistische Bekleidungsmarken versucht er durch Mitgliedschaften in den Gruppen „Ansgar Aryan Flohmarkt“ oder „Thor Steinar – Kleinanzeigen“ günstig zu erwerben.
Nicht verwunderlich – rechte Hegemonie erschwert Konsequenzen
Nach diesen Erkenntnissen erklärt sich, warum sich der Verein Fortuna Babelsberg bisher scheute gegen rassistische und neonazistische Tendenzen sowie Neonazis in den eigenen Teams vorzugehen. Es fällt schwer gegen gleich mehrere Personen aufzubegehren, führe dies doch zu einem Eingeständnis, dass es ein Problem mit Neonazis gäbe. Dieses, leider sehr seltene, Eingeständnis von betroffenen Vereinen oder Strukturen hat aber noch nie zu Anfeindungen oder sonstigem geführt, sondern war immer der erste Schritt in einem progressiven Umgang mit der Thematik Neonazismus.
Ein mögliches Eingeständnis diesbezüglich von Fortuna Babelsberg und der Verweis der betreffenden Personen aus dem Verein kann dabei jedoch erst der Anfang sein. Eine Auseinandersetzung mit den Mechanismen rassistischer Diskriminierung sowie dem eigenen Umgang mit menschenverachtenden Ideologien und deren Vertreter_innen ist bei Fortuna Babelsberg und gesamtgesellschaftlich bitter nötig. Bildungsangebote dazu gibt es von verschiedenen Vereinen zu genüge. Nun ist es am Verein tatsächliche Konsequenzen zu ziehen.
Es gibt unzählige Beispiele in der bundesdeutschen Geschichte, die zeigen, wohin eine bewusste oder unbewusste Akzeptanz und Verständnis für menschenverachtende Ideologie führt. Nationalsozialist_innen und ihre Traditionen in den Reihen der deutschen (Sicherheits-)Behörden, staatliche Unterstützung neonazistischer Terrorstrukturen und eben auch Akzeptierende Jugendarbeit sowie das Herunterspielen von neonazistischen Thesen sind Nährboden für neonazistische Strukturen, Hetzjagten, Pogrome, Terroranschläge und Morde.
[1] http://www.potsdam.de/content/aktuelle-pressetermine-der-landeshauptstadt
[2] http://arpu.blogsport.eu/2012/02/20/cheer-for-ns-potsdamer-neonazi-mario-schober/ und http://arpu.blogsport.eu/2012/06/04/schober-und-pecht-noch-immer-etabliert-vereine-hofieren-neonazis/ und http://arpu.blogsport.eu/2014/11/11/potsdam-bewegt-sich-nicht-potsdamer-sportvereine-und-ihre-neonazis/
[3] http://www.fortunababelsberg.de/
[4] http://arpu.blogsport.eu/2013/06/08/rbb-dokumentation-verharmlosende-darstellung-neonazistischer-gewalttaten/
[5] alle Belege zu den Positionen im Verein von: http://www.fortunababelsberg.de/index.php/unser-verein/645-vorstand bzw. unter „Team Übersicht“
[6] http://jungle-world.com/artikel/2001/04/26416.html