(MAZ, 6.9.) WALSLEBEN Das Grinsen verging Mike K. bis zum Schluss nicht: Obwohl er für
vier Monaten ins Gefängnis muss. Der 20-jährige Walslebener wurde gestern
vor dem Amtsgericht Neuruppin wegen Grölens von Nazi-Parolen, Zeigens des
Hitlergrußes sowie Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung in der Zeit
von September bis zur Silvesternacht zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr
und zwei Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Für eine weitere Tat am 16. Januar dieses Jahres muss er vier Monate
absitzen. Da hatte der Angeklagte mit einem Blutalkoholgehalt von mehr als
zwei Promille vor dem Haus der Familie S. an der Dorfstraße in Walsleben
mitten in der Nacht den Hitlergruß gezeigt und rechte Parolen skandiert. Und
das, nachdem er vier Tage vorher wegen ähnlicher Delikte zu einer
Bewährungsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war. Die Chance auf eine
nochmalige Bewährungsstrafe hatte Mike K. sich damit verscherzt. Auch für
die Anwendung von Jugendrecht sah das Gericht keinen Anlass. Der 20-Jährige
sei in seiner Entwicklung ausgereift und einem Erwachsenen gleichzustellen.
Immer ein und dieselbe Familie hatte sich Mike K. in der Vergangenheit als
Ziel seiner rechts gerichteten Angriffe ausgesucht und sie damit erheblich
unter Druck gesetzt. Von dieser Familie wusste er, dass sie proisraelisch
eingestellt ist. So hatte der jüngste Sohn Conrad S. gerade seinen
Zivildienst in Israel abgeleistet.
Mike K. hatte sich in der Silvesternacht mit 20 anderen Sympathisanten vor
dem Wohnhaus von Familie S. getroffen. Conrad S. feierte dort den
Jahreswechsel mit Freunden. Eine Bierflasche und Knallkörper flogen gegen
die Hauswand. Die Eltern, von Conrad herbeitelefoniert, kamen nach Hause und
wurden als “Judenpisser” beschimpft. Im Verlaufe eines hitzigen
Wortgefechtes schlug Mike K. Conrad S. ins Gesicht.
Seitdem die Familie aus Walsleben weggezogen ist — nicht wegen Mike K.,
sondern aus beruflichen Gründen — haben diese rechten Übergriffe aufgehört.
Zurzeit arbeitet der gelernte Ausbaufacharbeiter bei einer Tiefbaufirma in
Berlin, die ihn nach seinen Angaben übernehmen will.
Neben der Freiheitsstrafe muss Mike K. 200 Euro an eine gemeinnützige
Einrichtung zahlen. Zusätzlich drückte ihm der Richter ein Ordnungsgeld von
300 Euro auf: wegen ungebührlichen Verhaltens in der Hauptverhandlung. Am
ersten Verhandlungstag erschien der kahl rasierte Angeklagte in einem
T‑Shirt mit der Aufschrift “100 Prozent unkoscher”. Das zog er aus. Darunter
hatte er ein T‑Shirt mit “all judges are bastards”. Das sei eine Beleidigung
des Gerichts.