Volksverhetzung? Keine Spur
Polizeifunktionär beschimpft Roma als »Maden im Speck«. Brandenburger Justiz kann keine Straftat erkennen. Zentralrat der Sinti und Roma will Klage erzwingen
Wenn ein hochrangiger Kriminalbeamter Roma und Sinti öffentlich als »Maden im Speck der Wohlfahrtsgesellschaft« bezeichnet, die der »Sozialschmarotzerei« nachgehen, findet Brandenburgs Justizministerin Beate Blechinger (CDU) das zwar »geschmacklos«. Volksverhetzung können Frau Blechinger und ihre Staatsanwälte darin aber nicht erkennen – ja nicht mal eine simple Beleidigung.
Der Kriminalhauptkommissar Peter Lehrieder aus Fürth, stellvertretender Landesvorsitzender des »Bundes Deutscher Kriminalbeamter« (BDK) in Bayern, hatte in der Oktoberausgabe des BDK-Blattes der kriminalist einen Leserbrief veröffentlich. »Wer begeht denn die meisten Trickdiebstähle?« schreibt er dort. »Ist es ein Vorurteil, wenn sich Bürger beschweren, daß Sinti mit dem Mercedes vor dem Sozialamt vorfahren?«
Der Zentralrat der Roma und Sinti forderte von Lehrieders Dienstherrn, dem bayrischen Innenminister Günther Beckstein (CSU), die sofortige Suspendierung des Beamten. Lehrieder wurde lediglich versetzt. Immerhin befaßte sich die Staatsanwaltschaft mit der Angelegenheit, außerdem leitete die Polizei disziplinarische Vorermittlungen ein. Der BDK-Landesverband wollte erst mal abwarten: »Ich bezweifle aber, daß etwas festgestellt wird«, sagte BDK-Landeschef Walter Thurner seinerzeit dem Münchner Merkur, und mit dieser Einschätzung lag er ganz richtig.
Offenbar wollten die Bayern zwar nicht ihren Kollegen, aber doch die leidige Angelegenheit möglichst schnell vom Hals haben und übergaben den Fall der brandenburgischen Justiz. Schließlich erscheint der kriminalist ja in Neuruppin.
»Wer die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft« heißt es im Strafgesetzbuch (Paragraph 130 »Volksverhetzung«).
Doch die nun ermittelnden brandenburgischen Staatsanwälte konnten keine Straftat feststellen. Am 20. Februar wurde das Verfahren eingestellt. Zwar könnten die Äußerungen des Polizeifunktionärs »insbesondere bei Überlebenden des Holocausts Erinnerungen an die rassistische NS-Propaganda des sog. Dritten Reichs wecken«, hieß es in der Begründung des Oberermittlers an der Havel, dennoch müsse man sie als »im wesentlichen tatsachenhaltige Werturteile« und nicht als »bloße Schmähkritik« betrachten.
Der Zentralrat der Sinti und Roma wandte sich daraufhin Anfang März mit der Bitte um ein klärendes Gespräch an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Schließlich bot man ein Treffen mit Justizministerin Blechinger an – für den gestrigen Mittwoch. Blechinger hatte allerdings bereits im Vorfeld klargestellt, daß sie die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft nicht in Frage stellen würde. Der Zentralrat verzichtete auf das Gespräch. Ob es doch noch zu einem Verfahren gegen Lehrieder kommt, muß nun das Oberlandesgericht entscheiden. Eine Klageerzwingungsantrag des Zentralrats ist anhängig.