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Von der Willkommens- zur Abschiebekultur

Bund und Län­der beab­sichti­gen, in Bran­den­burg eine Abschiebezen­trale einzuricht­en. Min­is­ter­präsi­dent Woid­ke begrüßt öffentlich die Ein­rich­tung dieser Logis­tik­stelle für Sam­me­lab­schiebun­gen – trotz berechtigter Kri­tik seines Koali­tion­spart­ners, der Partei DIE LINKE. Während sich die Lan­desregierung öffentlich zum The­ma Abschiebun­gen nach Afghanistan nicht posi­tion­iert, schafft sie mit der Pots­damer Abschiebezen­trale Tat­sachen. Mit diesem klaren Zeichen für eine repres­sive Abschiebe­poli­tik rei­ht sie sich ein in den Kreis pop­ulis­tis­ch­er Scharf­macherei, die ein­fache Prob­lem­lö­sun­gen und Sam­me­lab­schiebun­gen propagiert.
Der Lan­desregierung sollte sehr wohl bewusst sein, dass es neben fehlen­der Doku­mente, deren Beschaf­fung zukün­ftig in das Auf­gaben­pro­fil der zen­tralen Logis­tik­stelle fall­en soll, viele Gründe dafür gibt, dass Men­schen trotz ein­er Ablehnung des Asylge­suchs nicht in Herkun­fts- oder Durch­gangslän­der zurück­kehren kön­nen – wed­er in ver­meintlich sichere Herkun­ft­sre­gio­nen in Afghanistan noch in einige über­lastete EU-Län­der wie Griechen­land oder Ungarn, wo Flüchtlinge sys­tem­a­tisch inhaftiert wer­den. Auch aus human­itären, medi­zinis­chen, famil­iären und per­sön­lichen Grün­den wer­den Abschiebun­gen in der Prax­is häu­fig nicht durchge­führt. Dies zeigt, dass es Män­gel im Schutzsys­tem gibt. Abschiebezen­tren sollen jedoch abschot­ten und Druck auf Men­schen ausüben, das Land zu ver­lassen, damit sie ihre Möglichkeit­en zur weit­eren Aufen­thaltssicherung nicht wahrnehmen.
Anstatt Abschiebezen­tren einzuricht­en und Flüchtlinge weit­er­hin nach Ital­ien und ab März auch nach Griechen­land abzuschieben, sollte Deutsch­land seine Energien darauf ver­wen­den, den Verpflich­tun­gen aus dem Relo­ca­tion-Pro­gramm, das im Sep­tem­ber 2015 von der Europäis­chen Union ver­ab­schiedet wurde, nachzukom­men. Von der zuge­sagten Auf­nahme von über 27.400 Per­so­n­en sind bish­er lediglich etwa 2000 in Deutsch­land angekom­men. Bleiben rund 25.400 Men­schen, die bis Herb­st diesen Jahres noch aufgenom­men wer­den müssen.
Men­schen außer Lan­des schaf­fen zu wollen, find­et in der zunehmenden Mis­sach­tung des Innen­min­is­ters gegenüber der Bran­den­burg­er Härte­fal­lkom­mis­sion seine Entsprechung. Innen­min­is­ter Schröter hat in den ver­gan­gen bei­den Jahren etwa ein Drit­tel der von der Kom­mis­sion befür­worteten Ersuchen abgelehnt, was eine trau­rige Bilanz darstellt. Die Sta­tis­tik zeigt, dass beson­ders Fam­i­lien von den neg­a­tiv­en Entschei­dun­gen des Min­is­ters betrof­fen sind. Mit seinem Ver­hal­ten unter­schei­det sich dieser Innen­min­is­ter deut­lich von seinen Vorgängern. Die Härte­fal­lkom­mis­sion Bran­den­burg wurde 2005 instal­liert. In den Jahren 2005–2014 wur­den 137 Ersuchen an den jew­eili­gen Innen­min­is­ter gestellt. Nur sechs, also 4% wur­den abgelehnt.
Erst im Dezem­ber hat Innen­min­is­ter Schröter wieder ein Ersuchen der Härte­fal­lkom­mis­sion abgelehnt. Im Fall ein­er vierköp­fi­gen alban­is­chen Fam­i­lie sprach sich die Kom­mis­sion für ein Bleiberecht nach der Härte­fall­regelung (§23a AufentG) aus und richtete ein entsprechen­des Ersuchen an den Innen­min­is­ter. Der Fam­i­lien­vater befand sich in psy­chi­a­trisch­er Behand­lung, die min­der­jährige Tochter wurde wegen ein­er schw­eren Angst­störung psy­chother­a­peutisch behan­delt. Der Kinder- und Jugendge­sund­heits­di­enst sah nach ein­er Stel­lung­nahme des Sozialpä­di­a­trischen Zen­trums die Gefahr der Kindeswohlge­fährdung beim Aus­bleiben oder Abbruch ein­er psy­chother­a­peutis­chen Behand­lung. Den­noch lehnte der Min­is­ter das Ersuchen der Kom­mis­sion ab und set­zte damit seine harte Lin­ie fort.
Lang und sorgfältig debat­tierten Entschei­dun­gen der Kom­mis­sion, die einen human­itären Einzelfall begrün­den und auf Grund­lage der ver­ab­schiede­ten Härte­fal­lkom­mis­sionsverord­nung (HFKV) getrof­fen wer­den, misst der Innen­min­is­ter keine Bedeu­tung bei. Stattdessen nimmt er nach eigen­em Gut­dünken eine Bew­er­tung der Fälle vor und entschei­det nach per­sön­lichem Maßstab. Damit spricht er der Kom­mis­sion die Kom­pe­tenz ab und stellt zum wieder­holten Mal ihre Arbeit und Funk­tion in Frage. Diese Entschei­dung­sprax­is unter­läuft eine bun­des­ge­set­zlich ver­ankerte Regelung, die aus per­sön­lichen und human­itären Grün­den ein Bleiberecht aus­drück­lich vorsieht.
Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg drängt darauf, dass wohlbe­dachte und sorgfältig getrof­fene Entschei­dun­gen der Härte­fal­lkom­mis­sion durch den Innen­min­is­ter gewürdigt wer­den. Seine Alle­ingänge und sach­lich nicht gerecht­fer­tigten Entschei­dun­gen müssen ein Ende haben und dür­fen nicht länger schweigend geduldet wer­den. Der Flüchtlingsrat sieht hier ins­beson­dere auch den Koali­tion­spart­ner in der Pflicht.
Außer­dem fordert der Flüchtlingsrat das Land auf, endlich entsch­ieden­er von beste­hen­den Bleiberecht­sregelun­gen Gebrauch zu machen und der restrik­tiv­en Abschiebe­maschiner­ie eine Absage zu erteilen.
Wir hof­fen, dass es weit­er­hin Kräfte in der Lan­desregierung gibt, die sich den Prinzip­i­en ein­er human­itären und men­schen­rechts­basierten Flüchtlingspoli­tik verpflichtet fühlen und die darauf hin­wirken, dass sich Bran­den­burg nicht vor den Kar­ren der neuen Abschiebekul­tur der Kan­z­lerin und des Bun­desin­nen­min­is­ters span­nen lässt.
Kon­takt: Lot­ta Schwedler
schwedler@fluechtlingsrat-brandenburg.de, Tel.: 0176–21425057

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