Sein in den Gedenkstein eingelassenes Profil hat schon reichlich Staub angesetzt, Spinnen haben ihre Netze zwischen Augenbrauen und Nase gespannt: Karl Marx, Erfinder des nach ihm benannten Marxismus. Nun könnte die Verwahrlosung des bärtigen Revolutionsphilosophen ein Ende haben. Die
Marxistisch-Leninistische Arbeiterpartei Deutschlands (MLPD) will einen Brückenkopf in Brandenburg gründen. Eine Pioniergruppe um die Berliner Grundschullehrerin Carola Franke bemüht sich um den Aufbau einer Parteiorganisation in der Havelstadt. Der Grund: Auf ihrem “siebten Parteitag” hat die 1982 in Westdeutschland gegründete Partei kürzlich
beschlossen, verstärkt in die Kommunen zu gehen.
Die aber haben, so scheint es, im Moment andere Sorgen als eine Unterversorgung mit maoistisch angehauchten Klassenkampfparteien. Nicht einmal drei Neumitglieder haben die Werber bislang gefunden — so viele sind aber zur Eröffnung einer Ortsgruppe nötig. “Es gibt großes Interesse, aber viele Leute haben gesagt, sie seien im Urlaub oder hätten Spätschicht”, sagt die Pädagogin. Am Programm, so ist Franke überzeugt, kann es nicht liegen. “Die Leute auf der Straße sagen, irgendwann werde es einen großen Knall
geben”, hat die 50-Jährige beim Verteilen von Handzetteln und bei Besuchen an der Haustür beobachtet.
Einen kleinen Knall haben Franke und ihre Genossen schon beim Streik im vergangenen Jahr vernommen. Da standen Partei-Aktivisten vor dem Getriebewerk und sprachen den für die 35 Stunden-Woche streikenden Arbeitern Mut zu. Dabei möchte die MLPD durchaus noch weniger arbeiten, nämlich genau sechs Stunden täglich — bei vollem Lohnausgleich. Man dürfe sich nicht immer mit dem Minimum zufrieden geben, sagt Franke. Dass die 35-Stunden-Initiative scheiterte, findet die Marxistin trotzdem bedauerlich. Die Gewerkschaft sei
“genau in dem Moment eingeknickt, als der Streik Wirkung zeigte, als es richtig weh tat”.
Dennoch warnt Franke davor, die “Rolle der Arbeiter in den Monopolbetrieben zu unterschätzen”. Die Massen seien lernfähig. Dass Arbeiter selbst in einer ehemaligen Hochburg des Proletariats wie Brandenburg nur noch eine Minderheit stellen, ficht sie nicht an. Call-Center-Mitarbeiter seien
moderne Arbeiter.
Anhänger will die Marx- und-Lenin-Partei auch aus den Reihen der PDS rekrutieren. “Viele PDS-Mitglieder sind sehr unzufrieden, weil ihre Partei — wo sie in der Regierung ist — Kitaschließungen und Büchergeldkürzungen mitträgt”, sagt Franke. Sie habe zwar “Achtung und Respekt vor den alten
Genossen”, man wolle sich aber vor allem um Jüngere kümmern.
Am kommenden Freitagabend nun lädt die Partei in die Luckenberger Schule ein. Einen Anreiz gibt es auf jeden Fall: Freigetränke und einen “kleinen Imbiss”.