Oberhavel An der Tür des Familienzentrums Hohen Neuendorf hängt ein
Schlüsselanhänger, darauf der Schriftzug: “Kein Sex mit Nazis”. Niemand
hat etwas geahnt von den politischen Aktivitäten der jungen Mutter aus
der Nachbarschaft, die hier regelmäßig zu Gast ist. Kürzlich erst
tauchte sie mit einem Foto in der Zeitung auf. Im Familienzentrum sollte
sie künftig das monatliche Mütterfrühstück leiten.
Rückblick: Sotterhausen (Sachsen-Anhalt) im September vergangenen
Jahres. Stella Palau verkündet als Pressesprecherin, dass sich mit dem
“Ring Nationaler Frauen” (RNF) eine bundesweite Frauen-Organisation der
rechtsextremen NPD gegründet hat. Aufgabe des RNF sei es, in der
Öffentlichkeit auf die Anliegen weiblicher Nationalistinnen aufmerksam
zu machen. Zudem wolle die Organisation Ansprechpartner für politisch
interessierte Frauen sein und die Hemmschwellen, in die Partei
einzutreten, abbauen.
In ihrer neuen Heimatstadt Hohen Neuendorf, wo Palau mit ihrem Mann Jörg
Hähnel seit mehr als einem Jahr lebt, hat sie ihre politische Gesinnung
geheim gehalten. Nun sind die Frauen im Familienzentrum schockiert, weil
Palau ganz normal auftrat, im Bio-Laden einkauft und sich liebevoll um
ihre Kinder kümmert, “so wie wir anderen Frauen auch”. Der Träger des
Zentrums, Kindervereinigung e.V., distanzierte sich gestern von der
NPD-Politikerin.
Doch Palau ist nicht erst seit der Gründung des RNF in der
rechtsextremen Szene bekannt. Sie hat den inzwischen aufgelösten
“Skingirlfreundeskreis Deutschland” geleitet und ist in der
“Gemeinschaft Deutscher Frauen” (GDF) aktiv. Zudem sitzt sie im Vorstand
der Berliner NPD und seit November 2006 im Bundesvorstand der Partei, wo
sie für das Referat Familie zuständig ist. In Oberhavel will sie
politisch nicht aktiv werden, sagte die RNF-Sprecherin dieser Zeitung.
In der NPD-Postille “Deutsche Stimme” schreibt Palau über Kinder,
Familie, Erziehung und gesunde Ernährung. Zudem beabsichtigt sie, ein
eigenes Kinderbuch und eine Kinder-CD zu veröffentlichen. Die GDF gibt
ein eigenes Heft für Kinder heraus, beschäftigt sich mit
Erziehungstipps, lädt zum Mütterfrühstück, informiert über “germanische
Medizin” und Biokost. Im Mittelpunkt steht die Frau und Mutter als Teil
der nationalen Gemeinschaft.
Der Verfassungsschutz sieht durch das Beispiel Palau die neue Strategie
der NPD bestätigt. Unter dem Deckmantel eines bürgerlichen Lebens sollen
Wähler überzeugt werden, dass die NPD gar nicht so radikal sei wie in
den Medien dargestellt. Sicherheitskreise beobachten die Strategie auch
mit Blick auf die anstehenden Kommunalwahlen im kommenden Jahr mit
Sorge. Denn in Mecklenburg-Vorpommern und in der Sächsischen Schweiz ist
diese Taktik der Neonazis bereits aufgegangen. In Oberhavel und
Ostprignitz-Ruppin stehen die Rechtsradikalen schon in den Startlöchern:
“2006 ist die NPD im Kreis bei dem Bemühen, bestehende Vorurteile
abzubauen, ein gutes Stück vorangekommen”, teilte die NPD-Oberhavel im
Februar mit. Im Altkreis Gransee sollen die Aktivitäten verstärkt und
dem Kreisverband Prignitz-Ruppin soll beim Strukturaufbau geholfen
werden. In Oberhavel hat die rechtsextreme Partei sogar eine Frauen- und
Familienbeauftragte.
Für die Partei erfüllen Frauen vor allem einen Zweck: Sie sollen einen
friedfertigen Rechtsextremismus vermitteln. Erklärtes Ziel der RNF ist
deshalb, mehr Frauen in die Kommunalparlamente zu bringen. Daneben
wirken Frauen in der rechtsextremen Szene auch als stabilisierend. Sie
organisieren Konzerte, melden Aufmärsche an und arbeiten im Hintergrund.
Was noch viel gravierender ist: Sie werden für den Nachwuchs aktiv,
nicht nur als Mütter, die ihre Kinder mit germanischen Sagen und
völkischen Liedern groß ziehen. So versucht das rechtsextreme Lager,
Sozialpädagogen und Erzieher zu rekrutieren, heißt es bei
Verfassungsschützern. Vermehrt lassen sich Neonazistinnen auch in diesen
Berufen ausbilden. Zuweilen ist von einer Parallelwelt die Rede, die
sich die Rechtsextremen aufbauen wollen, in der die Kinder von der Wiege
bis zur Bahre eingebunden sind. Einmal in der Gemeinschaft, immer in der
Gemeinschaft.
Ganze Familien sind bereits in der rechten Szenen organisiert — so in
der “Heimattreuen Deutschen Jugend” (HDJ). Im Bericht des Berliner
Verfassungsschutzes heißt es dazu: Das Lebensbundkonzept solle
verhindern, “dass ältere Mitglieder nach Familiengründung aus der
rechtsextremistischen Szene ausscheiden”. Die HDJ gilt als
Nachfolgeorganisation der Mitte der 1990er Jahre verbotenen Wiking
Jugend, deren letzter Bundesführer der Anwalt Wolfram Nahrath aus
Birkenwerder war. Auch Stella Palau und ihr Ehemann Jörg Hähnel sind
dort Mitglieder.
Im vergangenen Jahr sorgte die HDJ mit einem Kinder- und Jugendlager bei
Detmold für Schlagzeilen. Die Zelte hatten eigene Namen, etwa
“Führerbunker” oder “Germania”, die Mädchen trugen Röcke, die Jungen
Knickerbocker und Hemd. In der Szene soll es zum “guten Ton” gehören,
die Kinder zur “ideologischen Erziehung und körperlichen Ertüchtigung”
in die HDJ-Lager zu schicken, ganz in der Tradition der Hitlerjugend.
Verstärkt ist die Organisation in Mecklenburg-Vorpommern aktiv geworden.
Dass bereits Kinder in rechtsextreme Strukturen einführt und in Lagern
geschult werden, müssen die Behörden tatenlos mit ansehen. Rechtlich
dagegen vorgehen könne der Staat nicht, heißt es.
Hähnel trat erstmals Mitte der 1990er Jahre politisch in Erscheinung. In
Frankfurt/Oder war er bei den Jungen Nationaldemokraten, der
Jugendsparte der NPD, aktiv und stieg schnell im Landes- und
Bundesverband auf. Inzwischen ist er im Bundesvorstand der NPD
angekommen und sitzt in der Bezirksverordnetenversammlung in
Berlin-Lichtenberg. Er gilt als Bindeglied zwischen der Partei und den
in so genannten Kameradschaften organisierten Rechtsradikalen.
GDF, RNF, HDJ — ein Bild fügt sich zusammen, mit Palau, Hähnel und
Nahrath auch personell. So tragen GDF und HDJ jährlich den “Märkischen
Kulturtag” aus, im Jahr 2006 in Blankenfelde, wo auch Nahrath vom
Deutschen Rechtsbüro gesichtet wurde. Er gilt als gern gesehener Redner.
Erst beim Landesparteitag der NPD in Sachsen am 4. März sprach er über
den Mythos der Deutschen. Eine Zeitung titulierte ihn als
“erbarmungslosen Szeneanwalt”, der im Prozess um den in Guben 1999 zu
Tode gehetzten Asylbewerber Omar ben Noui auftrat. Zuletzt ist er beim
Amtsgericht Oranienburg mit der Bemerkung aufgefallen, dass “Neger” kein
Schimpfwort sei.
Im nördlichen Speckgürtel tummelt sich noch weitere rechte Prominenz. So
ist Thomas Salomon, Sprecher der NPD-Brandenburg, in Oberhavel ansässig.
Ebenso Richard Miosga aus Hohen Neuendorf, unter dessen Namen das
Postfach des Deutschen Rechtsbüros firmiert und der ebenfalls als Redner
vor Rechtsextremen auftritt.
Das Deutsche Rechtsbüro gibt Neonazis Tipps, wie diese sich beim Umgang
mit der Polizei und bei Hausdurchsuchungen verhalten sollen. Auch die im
vergangenen Jahr auf Druck der Polizei aufgelöste rechte Gruppe “Sturm
Oranienburg” hatte die Rechtshilfetipps auf ihre Internetseite gestellt.
Gegen die Mitglieder ermittelte die Polizei wegen Verstoßes gegen das
Versammlungsgesetz samt Uniformierungsverbot. Die Anklage steht noch
aus. Doch das Beispiel Palau zeigt: Gefährlicher als die jungen
Rechtsradikalen sind zuweilen die netten Nachbarn.