Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreueverdachts / Streit um
geplatzte Theateraufführung
(Berliner Zeitung, Martin Klesmann) RAVENSBRÜCK. Das gab es noch nie: Eigentlich hält die Stiftung
Brandenburgische Gedenkstätten in den einstigen Konzentrationslagern
Sachsenhausen und Ravensbrück die Erinnerung an die na-
tionalsozialistischen Verbrechen wach. Doch nun ermittelt die
Staatsanwaltschaft Berlin gegen die Gedenkstätten-Stiftung wegen
Betrugs- und Untreueverdachts. Projektgebundene Fördermittel sollen in
den Etat der Stiftung umgeleitet worden sein. “Es liegt eine Anzeige
vor”, sagte Michael Grunwald, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die
Anzeige stammt vom Geschäftsführer und vom künstlerischen Leiter der
Freien Theateranstalt Berlin — Josef Vollmer und Hermann van Harten.
Letzterer inszenierte in dem Berliner Hinterhof-Theater am Klausener
Platz das Stück “Ich bin es nicht, Adolf Hitler ist es gewesen”, das
dort lange Jahre lief.
Zum Jahrestag der Befreiung des Frauen-KZ Ravensbrück nun sollte Hermann
van Harten das Theaterstück “Königinnen” in der Gedenkstätte aufführen.
Doch nach etlichen Querelen mit der Gedenkstätten-Stiftung entzog diese
schließlich Mitte Mai den Theaterleuten und der katalanischen Autorin
des Stückes, Marisa Esteban, den Auftrag. “Die Vorwüfe sind völlig aus
der Luft gegriffen”, sagte Stiftungssprecher Horst Seferens. “Die
Auftragnehmer waren ihren vertraglichen Verpflichtungen wiederholt nich
nachgekommen.” Offenbar lag weder ein fertiges Manuskript vor noch war
sichergestellt, dass der bereits einmal verschobene Aufführungstermin
gehalten werden kann.
Auch Katalanen gaben Geld
Das Theaterstück “Königinnen” wurde mit insgesamt 230 000 Euro
gefördert, allein 100 000 Euro stellte die Wuppertaler Ertomis-Stiftung.
Das Bundesfrauenministerium gab 50 000 Euro, auch die katalanische
Regionalregierung, die Siemens-Stiftung und das Potsdamer
Kulturministerium beteiligten sich. Vollmer und van Harten behaupten
nun, dass mehr als die Hälfte der Fördermittel gar nicht für das
Theaterstück an sich, sondern für andere Posten verwendet worden sein
sollen. So seien der Werbeetat, aber auch der Etat der Produzenten aus
ihrer Sicht überhöht gewesen “Und allein 15 000 Euro der Fördermittel
sind für Rechtsanwaltskosten aufgebracht worden, was überhaupt nicht
nachvollziehbar ist”, sagt Hermann van Harten. Da die Off-Theater-Macher
hierin eine Veruntreuung Projekt-bezogener Fördermittel sehen, haben sie
die Anzeige erstattet.
Die Gedenkstätten-Stiftung ist nun um ihren guten Ruf besorgt, zumal der
Großteil der Fördermittel bereits ausgegeben ist. Die Stiftung teilte am
Montag mit, dass dies mit den Geldgebern aber bereits abgerechnet worden
sei. Mehrere Sponsoren hätten darüber hinaus zugestimmt, dass Restmittel
für andere Projekte der Stiftung zur Verfügung stünden. Das Land
Brandenburg aber wird von den 10 000 Euro Fördermitteln ohnehin nichts
mehr wiedersehen. “Diese 10 000 Euro Vorlaufkosten sind weg”, sagte
Holger Drews, Sprecher des Potsdamer Kulturministeriums am Montag.
Die katalanische Autoren Marisa Esteban wollte das Theaterstück in
Ravensbrück ursprünglich selbst inszenieren. Dabei sollten Schicksale
von Frauen im Mittelpunkt stehen, die seinerzeit in Ravensbrück
inhaftiert waren. Die geplante Inszenierung war groß angelegt: Auch jene
Originalbusse des Schwedischen Roten Kreuzes sollten zum Einsatz kommen,
mit denen seinerzeit skandinavische KZ-Häftlinge nach
Geheimverhandlungen aus dem Lager gebracht worden sind. Das Theaterstück
“Königinnen” sollte zunächst nur fünf Mal in Ravensbrück aufgeführt
werden, und das Ensemble dann an anderen Orten gastieren. So waren auch
Aufführungen in Barcelona, der Heimat der Autorin, geplant.
Schließlich aber gab die Autorin die Regie ab und beauftragte Hermann
van Harten damit. Dieser legte sich dann offensichtlich mit der Stiftung
an, weil er mehr Geld für sein Ensemble haben wollte. Die
Gedenkstätten-Leiterin von Ravensbrück, Sigrid Jacobeit, wollte das
Stück daraufhin lediglich als Lesung zur Aufführung kommen lassen. Der
Streit eskalierte.