SPD-Politiker in Brandenburg/Havel ließ sich von LKA-Spitzel und
mutmaßlichem Dealer unterstützen
(Tagesspiegel, Thorsten Metzner) Brandenburg/Havel — Das Land Brandenburg hat eine neue V‑Mann-Affäre — und
die gleichnamige Stadt einen handfesten Rathaus-Skandal: Der
SPD-Kommunalpolitiker Norbert Langerwisch hat am Sonntag bestätigt, dass er
im Wahlkampf um das Oberbürgermeisteramt vor einem Jahr von einer
stadtbekannten Größe aus dem Drogen- und Rotlichtmilieu, dem Unternehmer
Dirk R., unterstützt wurde — was er bislang bestritten hatte. “Ich war
blauäugig. Ich ging davon aus, dass der Herr keine Straftaten begeht”, sagte
Langerwisch, der im November 2003 der CDU-Kandidatin Dietlind Tiemann
unterlag und heute als Bürgermeister ihr Stellvertreter im Rathaus ist.
Aber die Verbindungen zwischen Langerwisch und Dirk R. reichen ein wenig
weiter: R. war nach Tagesspiegel-Informationen von Juli 2002 bis Januar 2004
ein V‑Mann des Landeskriminalamtes (LKA) — und es war dem Vernehmen nach
Langerwisch, der ihn empfohlen hatte, als er noch Leiter der Abteilung für
Zentrale Kriminalpolizeiliche Dienste des Polizeipräsidiums Potsdam war.
Doch R. lief aus dem Ruder: Gegenwärtig sitzt er wegen Drogendelikten in
Untersuchungshaft.
Die Beziehung zwischen beiden war ruchbar geworden, als nach der Stichwahl
fürs Oberbürgermeisteramt während einer Razzia bei R. 1500 nachgedruckte
Wahlzettel gefunden wurden. Zwar sollten diese nicht zur Wahlfälschung
dienen, wie die Ermittlungen des LKA inzwischen ergeben haben. Kiezgröße R.
hatte sie nach eigener Aussage mit Aufklebern “Norbert for President”
versehen und verteilen wollen — als Wahlhilfe für Langerwisch. Warum die
Aktion abgeblasen wurde, ist unklar.
Dennoch kämpft SPD-Bürgermeister Langerwisch jetzt um sein politisches
Überleben, weil er nach der Beschlagnahmung der gefälschten Wahlzettel
öffentlich bestritten hatte, von R. unterstützt worden zu sein. “Das war ein
Fehler”, sagt Langerwisch dazu nun. “R.′s Beitrag war nur gering.” Er habe
von diesem “nie Geld” für den Wahlkampf bekommen; R. habe nur einige Plakate
geklebt und bei einer Veranstaltung geholfen. Deshalb sei er nach der
OB-Wahl auch Gast bei einem Dankesessen gewesen, zu dem Langerwisch geladen
hatte.
R. soll in den Vernehmungen auch ausgesagt haben, dass der Anstoß für die
Wahlzettel ebenso wie für eine Bombendrohung gegen eine CDU-Wahlparty im
Oktober 2003 aus dem Unterstützerkreis für Langerwisch gekommen sein soll.
“Das ist abstrus”, sagt Langerwisch dazu. Wegen dieser falschen Behauptungen
habe er gegen R. jetzt Strafanzeige erstattet.
Halbwelt-Boss war Spitzel
Polit- und Polizeiskandal in Brandenburg an der Havel weitet sich aus
(MAZ) BRANDENBURG/H. Der Skandal um SPD-Wahlkampfhilfe aus der Halbwelt in Brandenburg an der
Havel weitet sich aus. Der amtierende Bürgermeister Norbert Langerwisch und
die im Juli bei einer Drogenrazzia verhaftete Milieugröße Dirk Rauch stehen
sich näher als bislang von Langerwisch zugegeben. Das zumindest geht aus
Aussagen hervor, die Rauch aus dem Gefängnis heraus gemacht hat.
Nach MAZ-Informationen warb SPD-Mann Langerwisch während seiner Amtszeit als
Polizeichef den 41-Jährigen als V‑Mann für das Landeskriminalamt. In dessen
Diensten soll Rauch, der derzeit in der Justizvollzugsanstalt Wulkow sitzt,
an der Aufklärung mehrerer schwerer Straftaten mitgewirkt haben. Als
Gegenleistung soll die Behörde Rauch bei einem Schutzgeldstreit
Rückendeckung gegeben haben.
Die Verbindung soll sich Langerwisch nach Informationen des
Nachrichtenmagazins “Focus” persönlich zu Nutze gemacht haben. So soll Rauch
dem SPD-Oberbürgermeisterkandidaten bei der Kommunalwahl 2003 mit zum Teil
kriminellen Mitteln Wahlkampfhilfe geleistet haben. Eine Vertrauensperson
Langerwischs, der Kriminalkommissar Carsten E., hat laut “Focus” Rauch
aufgetragen, eine Wahlkampfveranstaltung der CDU mit einer fingierten
Bombendrohung zu stören. Außerdem habe E. den an einer Druckfirma
beteiligten Rauch angehalten, 1500 Wahlscheine nachdrucken zu lassen. Diese
sollten im Falle einer Niederlage Langerwischs in Umlauf gebracht werden,
damit die Wahl anfechtbar sei, so “Focus”.
Langerwisch und Carsten E. bestreiten jede Beteiligung und jedes Wissen
darum. Langerwisch erstattete gestern gegen Rauch Anzeige wegen Verleumdung.
Der Bürgermeister befindet sich allerdings in dem Dilemma, über sein
Verhältnis zu Rauch nicht reden zu dürfen, weil er Dienstgeheimnisse
preisgeben müsste. Carsten E. sagte der MAZ, er gebe sein “Ehrenwort, dass
ich keine strafbare Handlung in Auftrag gegeben habe”. Allerdings besteht
kein Zweifel, dass Rauch im Kommunalwahlkampf 2003 Plakate für Langerwisch
klebte und bei Wahlveranstaltungen aushalf. Als Dank lud ihn der
SPD-Kandidat nach gescheiterter Wahl zu einer Feier ein.