POTSDAM Kultur- und Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) wird
entgegen der Ratschläge von Innenminister und CDU-Landeschef Jörg Schönbohm
am Sonnabend an der Gegendemonstration zum Neonazi-Aufmarsch in Halbe
(Dahme-Spreewald) teilnehmen. Wanka ist damit das einzige
CDU-Regierungsmitglied, das die Kundgebung des lokalen Aktionsbündnisses
persönlich unterstützt.
Zahlreiche Organisationen haben zur Teilnahme an der Demonstration unter dem
Motto “Für ein tolerantes Brandenburg, aber kein Fußbreit den Neonazis”
aufgerufen. Unter anderem haben sich Bundestagspräsident Wolfgang Thierse,
Ministerpräsident Matthias Platzeck und Landtagspräsident Gunter Fritsch
(alle SPD) angekündigt. Innenminister Jörg Schönbohm lehnte eine Teilnahme
ab. Er warnte vergangene Woche davor, dass sich an der Gegendemonstration
auch antidemokratische und gewaltbereite Kräfte beteiligen könnten. Unter
den Anmeldern seien vier Organisationen, die in Verfassungsschutzberichten
erwähnt seien, so Schönbohm. Die CDU werde sich deshalb nicht anschließen.
“Ich werde nicht einer Fahne der DKP hinterherlaufen”, sagte Schönbohm
vergangene Woche.
Johanna Wanka hat damit offenbar keine Probleme. Allerdings werde sie nicht
als Mitglied der Landes-CDU, sondern als “Frau Wanka” teilnehmen, sagte
Ministeriumssprecher Holger Drews. Wanka werde sich als CDU-Kreisvorsitzende
einigen Vorstandsmitgliedern anschließen, darunter ihr Stellvertreter
Carl-Heinz Klinkmüller. Wanka habe dies mit Schönbohm besprochen, sagte
Drews. Zur Teilnahme aufrufen will aber auch die Kreis-CDU nicht.
Nach Ansicht Schönbohms verschafft die Gegendemonstration den
Rechtsextremisten ein unangemessenes Medienecho. Der Innenminister kündigte
an, er wolle in Halbe bei den Polizisten sein.
Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus hat die für gestern erwartete
Entscheidung über eine Klage der Veranstalter um den Hamburger Neonazi
Christian Worch auf heute verschoben. Die Klage richtete sich gegen
Demonstrationsauflagen der Polizei, die einen Aufmarsch in Richtung des
Soldatenfriedhofs in Halbe untersagt und statt dessen den Demonstranten den
Bahnhofsvorplatz für eine Kundgebung zugewiesen hatte.
Dies sei aus Sicherheitsgründen notwendig, so Peter Salender, Sprecher der
Polizei in Frankfurt (Oder). Eine räumliche Trennung der beiden
Demonstrationsgruppen sei sonst nicht möglich. Auch für die Gegenkundgebung
gelten Auflagen. Sie soll auf dem Goetheplatz in Halbe stattfinden.
Gewaltfrei den Neonazis die Stirn bieten
Aktionsbündnis ruft Samstag zur Teilnahme an der großer Kundgebung auf
HALBE “Für ein tolerantes Brandenburg — aber keinen Fußbreit den Nazis!”
Unter diesem Motto ruft das “Aktionsbündnis gegen Heldengedenken und
Naziaufmärsche in Halbe” am 18. Juni ab 13 Uhr zur großen Kundgebung auf.
Protestiert wird gegen eine Neonazi-Demo.
“Wir wollen gewaltfrei Zeichen für Frieden und Toleranz setzen”, so
Bündnissprecherin Anne Böttcher. Insofern grenze man sich klar von
Krawallmachern ab, betonte die SPD-Kreistagsabgeordnete.
Während den Neonazis der Bahnhofsvorplatz zugewiesen wurde, befindet sich
der Ort der Gegendemonstration jenseits der Bahnschranke (Lindenstraße/Ecke
Kirchstraße). Laut Polizeiauflagen müssen die Neonazis die Autobahnabfahrt
Mittenwalde benutzen. “Alle Anhänger der demokratischen Mitte”, erklärte der
schenkenländische Amtsdirektor Ulrich Arnts, “benutzen die Abfahrt Teupitz”.
Autos müssen auf der Sonnenallee parken. “Hier richten wir ab 12.45 Uhr
einen kostenlosen Buszubringer ein”, so Bündnissprecherin und
PDS-Kreisvorsitzende Karin Weber.
Auf dem Kundgebungsplatz geht ein buntes Programm über die Bühne.
Hauptredner sind Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (14 Uhr),
Ministerpräsident Matthias Platzeck und der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky.
Dargeboten werden Auszüge aus der “Tropical Islands”-Show und
Percussion-Musik. Mit dem Auftritt von Dieter Dehm, Autor und Co-Autor so
namhafter Künstler wie Klaus Lage und Dieter Hildebrandt, klingt die
Veranstaltung gegen 17.30 Uhr aus.
“Ich bitte alle Halber, sich persönlich einzubringen”, appellierte die
Landtagsabgeordnete Sylvia Lehmann (SPD). Sicher wisse sie aus der Erfahrung
vergangener Jahre, dass die Einwohner weder eine Demo von Rechts noch von
Links wollen. “Aber wenn die Rechten hier aufmarschieren”, warb Sylvia
Lehmann um Verständnis, “können wir nicht tatenlos zusehen.”
Gerade ältere Bürger, die wie er 1945 die Kesselschlacht miterleben und
hinterher gefallene Soldaten begraben mussten, unterstützen die Kundgebung,
sagte Bündnissprecher Arnold Mosshammer. Er erinnerte an die
Neonaziaufmärsche und Gegenkundgebungen der zurückliegenden Zeit. Da sei die
kleine Gemeinde Halbe von der großen Politik allein gelassen worden. Das ist
diesmal nicht so. “Die Bürger von Halbe erwarten”, so Mosshammer, “dass das
keine Eintagsfliege bleibt”.