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Was trieb die Täter von Potzlow? Den Ursachen eines Verbrechens auf der Spur

Die kleine uck­er­märkische Gemeinde Pot­zlow südlich von Pren­zlau ist aufgestört. Zuerst machte sie die Nachricht fas­sungs­los, dass drei junge Leute aus dem Ort ein bes­tialis­ches Ver­brechen began­gen hat­ten. Jet­zt wird ihr gedro­ht, sie “sollte ganz von der Land­karte getil­gt wer­den”. Diese Forderung verkün­dete eine “Antifaschis­tis­che Aktion” aus dem Ruhrge­bi­et. Rund 150 Antifa-Aktivis­ten vor allem aus Berlin und der Uck­er­mark zogen nun durch Pot­zlow, das sie als “Nazikaff” bezeichneten. 


Die Leute aus dem Dorf begeg­neten den Demon­stran­ten mit Unver­ständ­nis. Ein großes Polizeiaufge­bot ver­hin­derte zwar Auss­chre­itun­gen. Aber im Stre­it bleibt weit­er­hin, ob das Demon­stra­tions-Mot­to “Pot­zlow ist über­all” und die Behaup­tung, in der Uck­er­mark herrsche ein “rechter Kon­sens”, zutr­e­f­fen. Ist etwa eine ganze Region mitschuldig?

 


 

Zum Her­gang

 

Mitte Novem­ber fan­den Jugendliche aus Pot­zlow in ein­er Gül­le­grube die Leiche des 16-jähri­gen Mar­i­nus Sch., der seit Mitte Juli ver­misst wor­den war. Hinge­führt hat­te sie ein 17-Jähriger, der den Ermit­tlun­gen zufolge sel­ber das Ver­brechen began­gen hat, zusam­men mit seinem 23-jähri­gen Brud­er und einem weit­eren 17-jähri­gen Kumpa­nen. Während ein­er Sauf­tour hat­ten die drei ihr Opfer aus einem Nach­bar­dorf stun­den­lang — vor Zeu­gen, die bish­er geschwiegen hat­ten — gefoltert und schließlich mit einem Stein erschlagen.

 

Das Motiv, das die Täter angeben, macht erschreck­en: Mar­i­nus Sch. habe “undeutsche” Hosen, weit geschnit­tene Hip-Hop-Bag­gies, getra­gen und “sah aus wie ein Jude”, weil sein Haar blondiert war.

 


 

Von Ressen­ti­ments geleit­ete Gewalt

 

Dumpfeste, wider­sin­nig­ste, abstoßend­ste Ressen­ti­ments haben also einen jun­gen Men­schen das Leben gekostet! Sie entsprechen in ver­gröbert­er Form den üblichen Feind­bildern des Recht­sex­trem­is­mus. Haben die Täter dem­nach als Recht­sex­trem­is­ten gehan­delt? Die endgültige Antwort darauf wird dem Ermit­tlungs- und Strafver­fahren vor­be­hal­ten bleiben. Die bish­er bekan­nten Infor­ma­tio­nen sind widersprüchlich.

 

Denn der Haupt­täter soll selb­st noch vor kurzem gefärbte Haare und die für die Hip-Hop-Szene typ­is­chen weit­en Hosen getra­gen haben. Nur immer dann, wenn sein älter­er Brud­er, der 23-jährige Mit­täter, nicht im Gefäng­nis, son­dern zu Hause war, gab er sich nach dessen Vor­bild als Nazi-Skin. Der Irrweg des Älteren schien, im Unter­schied zum Zick­za­ck des kleinen Brud­ers, allerd­ings “ger­adlin­ig”: Seine Gesin­nung sollen Tätowierun­gen wie “Rot­front ver­recke” und ein Hak­enkreuz ver­rat­en. Erst im August hat­te er mit anderen in Pren­zlau einen Aus­län­der aus frem­den­feindlich­er Gesin­nung niedergeschlagen.

 

Vor Jahren war er selb­st zum Opfer von Jugendge­walt gewor­den. Vieles spricht dafür, dass bei ihm wie bei den anderen Hass, Frust und Langeweile sich in blind­wütiger Gewalt aus­to­ben. Der Recht­sex­trem­is­mus, der das “Recht des Stärk­eren” auf Gewalt legit­imiert, liefert ihnen die Klis­chees, nach denen sie ihre Opfer suchen. Ein Ver­ständ­nis für die poli­tis­chen Ziele des Recht­sex­trem­is­mus ist dabei nicht von­nöten. Dumpfe Feind­bilder genü­gen, um rohe Gewalt auszulösen und zu beschönigen.

 


 

Die Klis­chees der Antifa

 

Grob­schlächtig sind auch die Klis­chees der link­sex­trem­istis­chen Antifa; freilich klar­er artikuliert und in der Regel ohne mörderische Fol­gen. Das Ver­brechen von Pot­zlow ist für sie Anlass, ohne Unter­schei­dung alles ver­bal in einen “braunen Sumpf” zu versenken: die Täter, recht­sex­trem­istis­che Organ­i­sa­tio­nen, die Bevölkerung der ganzen Uck­er­mark, gesellschaftliche Kräfte und staatliche Insti­tu­tio­nen, die Jugen­dar­beit und alle son­sti­gen Ini­tia­tiv­en gegen den Recht­sex­trem­is­mus, die nicht ihren Vorstel­lun­gen entsprechen.

 

Die “Antifaschis­tis­che Aktion Berlin” (AAB) beispiel­sweise behauptete in ihrem Demon­stra­tionsaufruf, dass “die Täter ein­er Logik (fol­gten), die kon­sti­tu­ierend ist für diese Gesellschaft: der kap­i­tal­is­tis­chen Ver­w­er­tungslogik”. Diese Logik hät­ten die Nazi-Schläger “gnaden­los kon­se­quent” durchge­set­zt. Will heißen: Der Kap­i­tal­is­mus und alle, die sich ihm nicht entsch­ieden wider­set­zen, sind schuld am Tod von Mar­i­nus Sch. Solche Ursachen­forschung dürfte kaum hil­fre­ich sein!

 

Hil­fre­ich waren auch nicht die Vor­würfe der Demon­stran­ten, der Jugend­club in Strehlow sei Brut­stätte des recht­sex­trem­istis­chen Ungeistes, dort seien die Täter in ihrer Gesin­nung bestärkt wor­den. Die Polizei schirmte den Club vor Attack­en der Antifa ab. Unvor­ein­genommene Ken­ner der Sit­u­a­tion vor Ort erk­lären übere­in­stim­mend, dass in diesem Jugendzen­trum höchst acht­bar und engagiert gear­beit­et werde und das Zur-Schau-Stellen recht­sex­trem­istis­ch­er Gesin­nung nicht geduldet würde.

 

Auch der dritte Auftritt der Demon­stran­ten an diesem Tag, in der Kreis­stadt Pren­zlau, geri­et nicht überzeu­gen­der. Die AAB — die größte und am straffsten organ­isierte link­sex­trem­istis­che Antifa-Organ­i­sa­tion im Raum Berlin/Brandenburg — zeigte den “Bar­baren in der braunen Prov­inz” die Faust. Wen sollte dieser unfre­undliche Besuch von haupt­städtis­chen “Besser­wis­sern” beein­druck­en? Aber auch die ein­heimis­che “Antifa Uck­er­mark” fiel eher durch Geld­forderun­gen statt durch eine abge­wo­gene Sit­u­a­tion­s­analyse auf.

 


 

Ein kom­plex­es Problem

 

Wer nach den Ursachen der Tat von Pot­zlow fragt, sollte sich mit wohlfeilen Antworten nicht zufrieden geben. Hier nur ein paar Denkanstöße, mit denen die Kom­plex­ität des Prob­lems gewiss noch nicht hin­re­ichend erfasst ist:

 

Vorurteile sind, so weisen es sozi­ol­o­gis­che Unter­suchun­gen aus, unter der bran­den­bur­gis­chen Bevölkerung dur­chaus in erhe­blichem Umfang anzutr­e­f­fen. Sie man­i­festieren sich ger­ade auch in der Scheu vor und der Ablehnung von Frem­dem und Frem­den. Aber sie verdicht­en sich keineswegs zwangsläu­fig zu ein­er extrem­istis­chen Gesin­nung oder zur Gewaltbereitschaft.
Recht­sex­trem­istis­che Organ­i­sa­tio­nen nähren oder erzeu­gen gar solche Vorurteile durch ihre ten­den­z­iöse Pro­pa­gan­da. Min­destens unter­schwellig liefern sie auch die Recht­fer­ti­gung für Gewalt­tat­en. Deshalb gehören zu den wenn auch nur mit­tel­baren Verur­sach­ern solch­er Ver­brechen wie des in Pot­zlow die “Nation­aldemokratis­che Partei Deutsch­lands” (NPD) oder der “Märkische Heimatschutz” (MHS) — Grup­pierun­gen, die ihre Pro­pa­gan­da in der Uck­er­mark ver­bre­it­en und auf deren Wirkung vor allem bei der Jugend setzen.
Bes­timmte Jugend­m­i­lieus sind sozial des­ori­en­tiert, kom­pen­sieren Per­spek­tivlosigkeit und Langeweile mit dem per­versen Spaß an Gewalt. Vorurteile und recht­sex­trem­istis­che Pro­pa­gan­da liefern ihnen die Stichworte.
Die sit­tliche Ver­wahrlosung in diesen Milieus hat ihre Ursachen auch in Erziehungsmän­geln, in Defiziten der Wertev­er­mit­tlung durch Fam­i­lie und Schule. Deshalb ist die Schwelle zur Bru­tal­ität oft erschreck­end niedrig.

 


 

Präven­tion, Inter­ven­tion, Repression

 

Damit der Recht­sex­trem­is­mus wirkungsvoll zurückge­drängt wer­den kann, sei der “Dreik­lang von Präven­tion, Inter­ven­tion und Repres­sion” notwendig, erk­lärte auch mit Blick auf Pot­zlow jüngst Gen­er­al­su­per­in­ten­dent Wis­chnath, Vor­sitzen­der des “Aktions­bünd­niss­es gegen Gewalt, Recht­sex­trem­is­mus und Frem­den­feindlichkeit”. Er hat recht. Nicht recht haben jene, die der Lan­desregierung auf diesen Feldern Untätigkeit vorwerfen.

 

Innen­min­is­ter Schön­bohm ver­wies unlängst darauf, dass sein entsch­iedenes Vorge­hen gegen Recht­sex­trem­is­mus in Bran­den­burg Fr&
uuml;chte trägt. Die Zahl recht­sex­trem­istisch motiviert­er Gewalt­tat­en geht zurück, die polizeilichen Konzepte greifen. Auch in der Präven­tion­sar­beit geht es voran. Zum Beispiel hat Innen­min­is­ter Schön­bohm ein drei­jähriges Pro­jekt ini­ti­iert, das seit Jan­u­ar 2002 läuft: Unter dem Titel “Kon­flik­t­man­age­ment in der Uck­er­mark” bilden engagierte Wis­senschaftler und Prak­tik­er der Fach­hochschule Pots­dam jährlich 20 bis 25 Sozialar­beit­er, Polizis­ten, Lehrer und aktuell auch einen Ver­fas­sungss­chützer zu Kon­flik­t­man­agern und Medi­a­toren aus. So entste­ht ein regionales Net­zw­erk, das Jugendliche befähi­gen soll, Kon­flik­te angemessen auszu­tra­gen und Stre­it zu schlichten.

 

Die pos­i­tiv­en Ini­tia­tiv­en, die ohne­hin schon in der Uck­er­mark am Werke sind, kön­nen hier nicht aufgezählt wer­den. Das von Berlin­er Autonomen beschworene Bild der “braunen Uck­er­mark” ist jeden­falls ein Zer­rbild. Doch die Prob­leme, die mit der Tat von Pot­zlow schlaglichtar­tig zu Tage trat­en, sind nicht ger­ing. Sie zu bewälti­gen wird noch viel Zeit, Kraft, Mut und Ein­sicht fordern.

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