Das sind aber auch drollige Kerlchen! Jedenfalls in meinem »Heimatland« Brandenburg und in meiner »Heimatgemeinde« Schorfheide (die zwar weithin aus Wald besteht, aber eben auch ein paar idyllische kleine Naziansiedlungen hat), aber auch an manch anderem hübschen Fleckchen »unserer märkischen Heimat« oder »in der Mark«, wie mein Heimatministerpräsident Platzeck zu sagen pflegt. Unsere Nazis gehören zur folkloristischen Ausstattung. Wir wollen sie nicht mehr missen. Unsere Folklore – die alten Lieder und Bräuche, das Dorfkirchenbimmeln und die traditionellen Anlässe zum Massensaufen – sind neben der ereignisarmen Landschaft das einzige, womit unser Ministerpräsident in der Fremde, also bei den Hessen oder den Hamburgern, für unsere märkische Heimat werben kann.
Unsere Nazis schichten die Osterfeuer auf, sie organisieren die Sportlerbälle, sie sind da, wenn der Anglerverein das Ufer von Plasteflaschen beräumt. Neuerdings veranstalten sie sogar besinnliche Liederabende, bei denen im Hintergrund die Gulaschkanone brodelt. Oder sie beleben die überall verödeten »Kulturscheunen« mit ihrem herzlichen Naturell. Nur Dichterlesungen sind nicht ihr Ding, noch mangelt es an nationalen Dichtern bei uns in der Mark. Aber mancher Rentner schmiedet schon an Versen, die unsere sandige Heimat, die herrlichen Seen und die fleißigen Menschen besingen. Die ästhetische Latte liegt allerdings hoch – unsere wichtigste faschistische Dichtung ist die Brandenburger Hymne »Steige hoch, du roter Adler«, die wir dem sicheren literarischen Geschmack von Manfred Stolpe verdanken.
Ohne unsere Nazis gäbe es keine Freiwillige Feuerwehr mehr, und niemand würde sich für das Schöffenamt bewerben. Das Bäumefällen nach Orkanen erledigen sie mit Geschick und Spaß an der Arbeit. Sie bauen die Hüpfburgen für Kinderfeste auf, und die Naziweiber stehen dabei, um selbstgebackenen Kuchen zu verkaufen. Sie scheuen auch nicht die Vereinsarbeit. Warum sollten sie? Das Vereinswesen ist urdeutsch. Von Köpenick bis zum Scharmützelsee bei Bad Saarow haben sie unsere märkischen Seen, Kanäle und Schleusen in Einflußsphären aufgeteilt, Vereine mit hübschen Namen gegründet, die die Campingplätze, die Bootsausleihen, die Skaterbahnen, die Angelreviere, die Imbißbuden und die Parkplätze beherrschen – und natürlich tipptopp in Ordnung halten.
Unsere Nazis haben runde, freundliche Gesichter, ein offenes Lachen und gesunde Zähne. Sie sind Sportler, Kameraden, saufen kontrolliert, haben Humor und gute Laune und immer einen Flaschenöffner am Schlüsselbund. Wenn mal einer von ihnen aus der Rolle fällt, denn manchmal sind sie wie junge Katzen, klären sie das »kurz und schmerzhaft« unter sich. Wo ein Nazi ist, fühlt man sich gleich zu Hause. Sie sind unkompliziert, verborgen gern Werkzeuge, helfen gern, sind pünktlich am Treff und haben kleine, pfiffige Ideen, wie man das Leben in unserer märkischen Heimat noch lebenswerter gestalten kann. Wenn sie helfen, nehmen sie kein Geld. Dieses »Was willst’n dafür haben?«, von dem das herrschende System durchsetzt ist, ist ihnen zuwider. Muß man erwähnen, daß unsere Nazis keine Menschen totschlagen, keine Neger durch die Kleinstadt jagen und keine Hakenkreuze ins Buswartehäuschen schmieren? Das waren Jugendsünden, das ist vorbei! Freilich, beim Fidschi kaufen sie nicht – aber kann man das verlangen?
Deshalb konnte unser Ministerpräsident am Mittwoch auch stolz auf unsere Nazis sein, als er das zehnjährige Bestehen des »Handlungskonzeptes Tolerantes Brandenburg« als vollen Erfolg feierte. Jawoll, gegenüber unseren Nazis sind wir Brandenburger viel toleranter geworden – so lange sie sich benehmen. Vielleicht lieben wir sie sogar. Schließlich sind sie keine Ausländer.